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Wucherpreise und willkürliche Gebühren in den Vereinigten Staaten? Experten ordnen ein. Bild: Adobe Stock

Touristen-Abzocke in den USA: Was ist dran?

Reto Suter

USA-Reisende klagen über Wucherpreise in den Hotels und überteuertes Essen in den Restaurants. Travelnews hat bei Nordamerika-Spezialisten nachgefragt, was es mit der Preisexplosion auf sich hat.

Schon an die 25 Mal hat Kurt Eberhard die USA bereist. Allein dieses Jahr war der Co-Präsident der Travel Professionals Switzerland (TPS) bereits zweimal in den Vereinigten Staaten – und traute da und dort seinen Augen und Ohren nicht.

«Früher war die Übernachtung in den USA meist günstiger als in der Schweiz», sagt Eberhard auf Anfrage. «Diese Zeiten sind vorbei. Jetzt kosten die Hotels in den Vereinigten Staaten gleich viel oder sogar mehr als in der Heimat.»

Stutzig machten ihn auch die hohen Gebühren, die mittlerweile in vielen Hotels erhoben werden. Früher habe man die so genannte Resort Fee für gewisse Extras, wie etwa Zugang zum Fitnessbereich, fast ausschliesslich aus Las Vegas gekannt. Jetzt sei sie in vielen Stadthotels im ganzen Land an der Tagesordnung. «Ich warte nur darauf, bis ich auch für die Fahrt im Lift noch extra bezahlen muss», so der Reiseprofi mit einem Augenzwinkern.

Bei den Preisen in den guten Restaurants geht's laut Eberhard ebenfalls nur noch in eine Richtung: nach oben. «Ich spreche hier nicht von Sterneküche im Luxussegment, sondern von Restaurants der mittleren Preisklasse mit guter Qualität», erklärt er.

Was dort im Nachhinein noch auf den Preis auf der Speisekarte draufgeschlagen werde, sei teilweise fast schon frech. Man sei sich in den USA gewöhnt, dass die nachträglich hinzugefügten Taxen und das Trinkgeld Restaurantrechnungen um durchschnittlich 30 Prozent höher ausfallen lassen als die gedruckten Preisen auf der Speisekarte.

«Neuerdings erscheinen aber immer häufiger weitere Zuschläge ungefragt auf der Rechnung. So zum Beispiel drei bis fünf Prozent für das Personal in der Küche oder ein sogenannter Inflationszuschlag von beispielweise fünf Prozent», so Eberhard.

15 Prozent Trinkgeld reichen nicht mehr

Travelnews hat mehrere Schweizer Nordamerika-Spezialisten zur aktuellen Preissituation in den USA befragt. Sie verhehlen nicht, dass die Preise teilweise massiv gestiegen sind. «Das ist – leider – richtig», sagt Anja Meier, Senior Product Manager Nordamerika bei Knecht Reisen.

Früher seien Mitarbeitende in Restaurants noch mit 15 Prozent Trinkgeld zufrieden gewesen. Heute würden mindestens 18 bis 20 Prozent erwartet. «Einige Staaten haben zudem weitere Taxen eingeführt, welche die täglichen Kosten für USA-Reisende zusätzlich steigern», so Meier.

Auch Dominik Sanchez, Product Manager USA bei der Hotelplan-Spezialistenmarke Travelhouse, spricht Klartext: «Das Preisniveau in den Vereinigten Staaten ist in den letzten Jahren sehr stark angestiegen», sagt er. Verschiedene Faktoren wie die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg hätten die Teuerung in die Höhe getrieben.

«Umso wichtiger ist es, dass wir unsere Kundinnen und Kunden auf die Preise aufmerksam machen, auch wenn wir dadurch die eine oder andere Buchung verlieren», erklärt Sanchez. Wir wollen verhindern, dass Reisende, die bei uns gebucht haben, vor Ort über die Preise erschrecken.»

Was Dominik Sanchez von Travelhouse Hoffnung verleiht: Er erkennt eine Trendwende. «Die Hotels sind vielerorts nicht mehr ausgebucht», so der USA-Profi. «Viele Amerikanerinnen und Amerikaner reisen aufgrund des starken Dollars aktuell nach Europa, und die Tourismusbranche in den USA ist dadurch wieder vermehrt auf internationale Gäste angewiesen.»

Zu den teuersten Regionen gehört unter anderem die Westküste. Bild: Adobe Stock

Laut Michael Bötschi, Gründer und Mitinhaber des Nordamerika-Spezialisten Go2Travel, lohnt es, bei den Preisen genau hinzuschauen. «Insbesondere an der Westküste, in Florida und auf Hawaii sind die Kosten für Hotels und Verpflegung sehr hoch und teilweise sogar über dem Preisniveau der Schweiz», erklärt er.

Anders sei die Situation im mittleren Westen, rund um die Great Lakes an der Grenze zu Kanada und in den Südstaaten – ausserhalb der grossen Städte. Dort seien die Preise einiges tiefer als an den Hotspots. «Die Auswahl der Destination innerhalb der USA hat also grossen Einfluss auf das Preis-/Leistungs-Verhältnis vor Ort», so Bötschi.

Gar keine Freude haben die Schweizer USA-Kenner an den inzwischen weit verbreiteten Resort Fees. «Oft werden sie für Leistungen erhoben, welche den Kundinnen und Kunden in den meisten Fällen keinen Mehrwert bringen, sondern selbstverständlich sein sollten», klagt Anja Meier von Knecht Reisen. «Ich denke hier an Dinge wie Handtücher am Pool oder Strand, WLAN-Zugang, lokale Telefongespräche oder Ähnliches.

Dominik Sanchez von Travelhouse sagt: «Wir haben mit unseren Partneragenturen Vereinbarungen, dass diese Fees im Zimmerbeschrieb abgebildet sein müssen. Ist dies nicht der Fall, und die Kundinnen und Kunden müssen vor Ort eine Resort Fee bezahlen, haben wir das Recht, diese im Anschluss von unserem Partner zurückzufordern.»

Preisexplosion lässt viele Reisende kalt

Was für die Schweizer Nordamerika-Spezialisten erfreulich ist: Die gestiegenen Preise scheinen die Nachfrage nach USA-Reisen kaum zu beeinflussen. Michael Bötschi von Go2Travel hält fest: «Wir sind mit dem Buchungsstand sehr zufrieden. Wenig überraschend laufen bei uns die individuellen Mietwagenrundreisen am besten.» Erfreuliche Zuwächse seien auch bei Ferien mit dem Motorhome und bei geführten Busrundreisen zu verzeichnen.

Ein Wachstum erlebt auch Knecht Reisen. «Je nach Region liegt unser Buchungsstand im Vergleich zur selben Zeit im Vorjahr 10 bis 20 Prozent im Plus», sagt Anja Meier. Sehr beliebt seien dieses Jahr einmal mehr Mietwagenrundreisen entlang der Westküste und in die Nationalparks. Grossen Anklang finden auch Rundreisen mit dem Motorhome oder dem Camper. «Was uns besonders freut, ist die hohe Nachfrage für Reisen mit dem Zug sowie für Island Hopping in Hawaii», so Meier.

Bei allen Schweizer Nordamerika-Spezialisten hoch im Kurs: Camping-Ferien mit dem Motorhome. Bild: Adobe Stock

Bei Travelhouse sind viele Dauerbrenner hoch im Kurs. Die Nationalparks im Westen, die Küste Kaliforniens, Florida und New York seien nach wie vor sehr gefragt, vor allem bei Erstbesuchern», erklärt Product Manager Dominik Sanchez. «Kundinnen und Kunden, die bereits mehrmals in den USA waren, sind da schon etwas experimentierfreudiger. Die Südstaaten, Neuengland und der Pazifische Nordwesten nehmen hier immer wichtigere Rollen ein.» Einen Anstieg stellt Travelhouse auch bei Camping-Rundreisen mit dem Motorhome fest.

Das klingt alles ausgesprochen positiv. Dennoch: Nicht alle Schweizer USA-Reisenden zeigen sich von den gestiegenen Preisen gänzlich unbeeindruckt. Das zeigt das Beispiel Hawaii bei Travelhouse. «Weil das Preisniveau in den letzten Jahren noch etwas extremer gestiegen ist als auf dem Festland, verzeichnen wir auf Hawaii einen leichten Rückgang der Buchungen», sagt Nordamerika-Experte Sanchez.