Trips & Travellers
Kommentar Die Reisebranche ist am SRF-Geschnöde nicht ganz unschuldig
Reto SuterVier Minuten und 34 Sekunden: So lange hat die SRF-Nachrichtensendung «10 vor 10» vergangene Woche über die FTI-Pleite und die damit verbundenen Auswirkungen auf Schweizer Reisende berichtet. Wobei «berichten» in diesem Fall das falsche Wort ist. Es handelte es sich um einen einzigen Verriss der Reisebranche.
«Wann haben Sie das letzte Mal Ihre Ferien in einem Reisebüro gebucht? Es dürfte länger her sein», sagte Moderatorin Wasiliki Goutziomitros in der Anmoderation. Die Kernbotschaft des nachfolgenden Beitrags war eindeutig: Reisebüros und Reiseveranstalter sind vom Aussterben bedroht. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis es keine mehr gibt.
Die Reaktion des Schweizer Reise-Verbands (SRV) fiel harsch aus. Er intervenierte beim SRF schriftlich. «Von einem gebührenfinanzierten Unternehmen wie SRF dürfen die Zuschauerinnen und Zuschauer eine sachliche Berichterstattung erwarten und keinen schlecht recherchierten, spekulativen und beliebigen Boulevard-Journalismus», so der SRV. Eine Berichterstattung in dieser «tendenziösen Form» sei rufschädigend und gefährde Arbeitsplätze.
Diese Standpauke an die Adresse des Schweizer Fernsehens ist richtig und wichtig. Das Problem: Bei der breiten Masse wird sie keine Wirkung erzielen. Denn es gilt wie so oft: Der erste Eindruck zählt. Die Mehrheit der knapp 300'000 Menschen, die sich die betreffende Sendung angesehen haben, dürfte ab sofort in den Abgesang auf die Reisebüros einstimmen – ein verheerendes Signal, das dem Image der Reisebranche wenig zuträglich ist.
Marketing und Lobbying ist das A und O
Was sich schon zu Beginn der Corona-Krise gezeigt hat, ist auch jetzt rund um die FTI-Pleite wieder augenfällig: Der Branche fehlt eine starke Lobby mit genügend Fürsprechern, die zur öffentlichen Meinungsbildung beitragen. Ganz nach dem Motto: «Tu Gutes und sprich darüber!»
Das soll keine Breitseite gegen die führenden Köpfe der Branche sein. Hier sind alle in der Pflicht. Jedes Reisebüro, das mit positiver Mund-zu-Mund-Propaganda Pluspunkte in der Bevölkerung sammelt. Jeder Reiseveranstalter, der mit cleveren Auftritten auf Social Media neue Zielgruppen erschliesst und damit der gesamten Branche einen Dienst erweist.
Viel zu viele Menschen haben schlicht keine Ahnung, welche Vorteile es mit sich bringt, wenn sie in einem Reisebüro buchen. Für diese Leute muss die Branche den roten Teppich ausrollen und die gesamte Klaviatur ihres hervorragenden Angebots spielen – mit dem Pauschalreisegesetz als grösstem Trumpf.
Das alles würde künftig dazu führen, dass die für die Reiseprofis wichtigste Botschaft nicht in einem Nebensatz versteckt, sondern zur Kernaussage des Berichts würde. Denn statt eines Abgesangs rund um die FTI-Pleite wäre im «10 vor 10»-Beitrag eigentlich eine Lobeshymne auf die Branche angezeigt gewesen.
Alle Schweizer Kundinnen und Kunden, die ihre FTI-Pauschalreise in einem Reisebüro gebucht haben, erhalten ihre zusätzlichen Ausgaben oder die Kosten für die stornierten Ferien komplett zurückerstattet. Diese Botschaft hätte der Branche Auftrieb gegeben und manch einen Zuschauer in Zukunft zweimal überlegen lassen, ob er wirklich direkt oder nicht doch lieber über ein Reisebüro buchen soll.