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Reto Amin, Chef von Ägypten-Spezialist Amin Travel, im Zürcher Binz-Quartier – vor der Kulisse des Üetlibergs. Bild: TN

«Mein Vater war von einem Tag auf den anderen nicht mehr im Büro»

Reto Suter

Der Ägypten-Spezialist Amin Travel feiert dieses Jahr sein 40-jähriges Jubiläum. Inhaber Reto Amin erzählt im Interview mit Travelnews, welche Ereignisse das Unternehmen geprägt haben und was darauf hindeutet, dass dereinst sein Sohn die Firma übernehmen wird.

Reto Amin, seit 2010 Chef von Amin Travel, sitzt in der Pizzeria Da Michele im Zürcher Binz-Quartier. Die Sonne scheint ihm ins Gesicht. Es ist einer der wenigen Tage im April, an denen ein Mittagessen draussen bei wohliger Wärme möglich ist.

Auf der Dachterrasse des Lokals – mit herrlicher Aussicht auf den Üetliberg –  blickt er bei Salat und Penne auf die bewegten Jahre des Ägypten-Spezialisten zurück. Und er verrät, wie und wo er mit dem Team das 40-jährige Firmenjubiläum feiert.

Herzliche Gratulation! Amin Travel feierte am 1. April 2024 einen runden Geburtstag. Macht es euch stolz, dass ihr auf eine 40-jährige Firmengeschichte zurückschauen könnt?

Natürlich ist es schön, dass es uns schon so lange gibt. Aber gleich Freudensprünge machen wir deshalb nicht (lacht). Die Zeit ist wie im Flug vergangen. Wir haben gefühlt erst gerade das 30-jährige Jubiläum gefeiert. Aber logisch: Vor allem mein Vater darf sehr stolz sein, dass es ihm als Einwanderer gelungen ist, ein Unternehmen zu gründen, das in einem hart umkämpften Markt schon seit 40 Jahren besteht.

Haben du und dein Vater schon aufs Jubiläum angestossen?

Nein, dazu ist es tatsächlich noch nicht gekommen. Es war ganz lustig. Ich habe meinen Vater am 1. April angerufen und ihm gratuliert. Worauf er mich fragte, zu was denn! Er hatte das Firmenjubiläum schlicht nicht auf dem Radar.

Wie feiert ihr das Jubiläum mit dem Team?

Wir reisen am Mittwoch (8. Mai) mit dem gesamten Team für einige Tage nach Kairo. Also dahin, wo quasi alles angefangen hat. Ursprünglich sollten auch meine Eltern dabei sein. Aus gesundheitlichen Gründen verzichten sie jetzt aber auf die Reise.

«Ich war schon als Kind oft bei ihm im Büro»

Ägypten ist eure wichtigste Destination. Wie gut sprichst du Arabisch?

Ich verstehe praktisch alles. Für komplexe Diskussionen reicht mein Niveau nicht, aber ich kann mich sehr gut durchschlagen, wenn ich im arabischen Raum bin. Leider habe ich die Sprache zu Hause nicht gelernt. Mein Vater ist zwar Ägypter, meine Mutter ist aber Schweizerin. Deshalb haben wir im Elternhaus immer Deutsch gesprochen. Weil mich die Sprache mehr und mehr interessierte, lernte ich sie aus eigenem Antrieb – unter anderem in einer Arabisch-Schule in Zürich. Nach meiner KV-Lehre beim Reise-Baumeister arbeitete ich zudem für ein halbes Jahr bei einem DMC in Ägypten. Dort konnte ich meine Kenntnisse vertiefen.

War dein Weg ins Reisebüro des Vaters vorgezeichnet?

Absolut, für mich war immer klar, dass ich eines Tages bei Amin Travel einsteigen möchte. Ich war schon als Kind oft bei ihm im Büro. 2002 habe ich nach der RS bei ihm losgelegt.

Ging von Anfang an alles Hand in Hand, oder führte die Vater-Sohn-Konstellation im Geschäft auch zu Reibereien?

Alles in allem lief es sehr gut. Natürlich gab es hie und da Reibereien und vielleicht auch den einen oder anderen Konflikt mehr, als wenn ich einen anderen Vorgesetzten gehabt hätte. Wir konnten die Meinungsverschiedenheiten aber meist schnell aus dem Weg räumen. Rückblickend sehe ich die Konstellation sogar als Vorteil, weil wir ehrlicher miteinander umgehen konnten, als wenn es sich um ein klassisches Chef-Angestellten-Verhältnis gehandelt hätte.

«Die Zahl der Neubuchungen sank vorübergehend gegen Null»

2010 übernahmst du die Mehrheit von Amin Travel. War das ein längerer Übergangsprozess von deinem Vater zu dir?

(Schmunzelt) Nein, das ging alles sehr schnell. Nach seiner Pensionierung war mein Vater von einem Tag auf den anderen nicht mehr im Büro  – weil wir personell aufstockten und er aufgrund der bescheidenen Grösse unseres damaligen Büros schlicht keinen Platz mehr hatte. Klar: Von zu Hause aus unterstützte er mich weiter. Und das macht er in kleinerem Umfang bis heute, vor allem im Marketing-Bereich.

Das aktuelle Team von Amin Travel, von links: Gianni Zambelli, Sonja Molnar-Amin, Romy Nawwary, Tamara Bussmann, Reto Amin, Charlotta Zambelli, Marcel Morf und Jasmina Kulas. Bild: Amin Travel

Wie läuft das Geschäft aktuell? Wie gross sind die Auswirkungen des Nahost-Konflikts?

Es ist unsäglich, was dort läuft! 2023 hatten wir ein fantastisches Jahr –  bis die Situation am 7. Oktober eskalierte. Dann kam der grosse Einbruch. Mit Abstand am meisten leidet Jordanien. Da haben wir aktuell kaum Anfragen. Bei Ägypten ist es etwas anders. Dort spürten wir im Herbst eine grosse Zurückhaltung, und die Zahl der Neubuchungen sank vorübergehend gegen Null. Inzwischen hat sich Ägypten ein bisschen erholt. Aber im Vergleich zum vergangen Jahr sind wir 30 bis 35 Prozent im Minus.

Mit dem portugiesischen Festland, den Azoren, Madeira und den Kapverden habt ihr noch andere Standbeine. Vermögen diese Destinationen die Ausfälle aus Ägypten und Jordanien zu kompensieren?

Die Konflikte im Nahen Osten sind ja nicht neu. Deshalb haben wir uns damals auch entschieden, weitere Destinationen in unser Portfolio aufzunehmen. Aber Fakt ist: Im vergangenen Jahr machte Ägypten fast 50 Prozent unseres Umsatzes aus. Das lässt sich mit den anderen Reisezielen nicht kompensieren. Wir legen jetzt aber einen stärkeren Fokus auf Portugal: Zu den Azoren ist eben erst ein neuer Katalog erschienen und demnächst bringen wir auch einen neuen Katalog zu Madeira heraus. Zudem wollen wir das portugiesische Festland wieder pushen. Im Juni sollte der entsprechende Katalog aus der Druckerei kommen.

«Vor der Pandemie erzielten wir 80 Prozent des Umsatzes im Direktverkauf und 20 Prozent über die Reisebüros. Jetzt ist es umgekehrt.»

Inzwischen bieten viele Schweizer Reiseveranstalter Ferien auf den Azoren an. Ihr habt die Destination schon Jahrzehnte in eurem Angebot. Sehr ihr euch hier als Trendsetter?

Eigentlich habe wir die Azoren in der Schweiz erfunden (lacht). Das entstand auch aus einer Krise heraus. Nach den Anschlägen in Luxor 1997 brach der Tourismus in Ägypten zusammen, und mein Vater hielt nach Alternativen Ausschau. Eines Tages tauchten Vertreter in seinem Büro auf und warben für die Azoren. Daraufhin machten meine Eltern eine Studienreise dahin, und mein Vater entschied, die Inselgruppe ins Portfolio von Amin Travel aufzunehmen. Das hat sich definitiv gelohnt, auch wenn die Azoren lange Zeit eher ein Schattendasein fristeten. Seit einigen Jahren werden sie von den Kundinnen und Kunden nun verstärkt wahrgenommen.

Wie teilt sich bei euch der Umsatz zwischen Direktverkauf und Reisebüros auf?

Hier hat sich durch Corona viel verändert. Vor der Pandemie erzielten wir 80 Prozent des Umsatzes im Direktverkauf, und lediglich etwa 20 Prozent kamen über Reisebüros herein. Jetzt ist es genau umgekehrt.

Weshalb ist das so?

Unsere Büros waren während Corona immer besetzt, Dadurch hatten die Reisebüros stets eine Ansprechperson. Das hat sich schnell herumgesprochen und dürfte für diese Entwicklung der Hauptgrund gewesen sein.

Lass uns zum Schluss noch in die Zukunft blicken: Dein siebenjähriger Sohn hat an der Fespo bereits am Stand von Amin Travel mitgeholfen. Wird er eines Tages in deine Fussstapfen treten?

Es deutet schon einiges darauf hin. Am Sonntagabend nach der Ferienmesse sagte er mir, er wollen seine Jokertage in der Schule, an denen er fehlen darf, im kommenden Jahr für die Fespo einsetzen – damit er auch schon am Donnerstag und Freitag dabei sein kann. Es muss noch nichts heissen: Aber die Tendenz ist relativ klar, wohin es beruflich mit ihm geht (lacht herzhaft).