Trips & Travellers
Chiang Mai: Der Tempel der 1000 Buddhas
Bernd LinnhoffAnderthalb Stunden war ich schon unterwegs, etwa 85 Kilometer von der Stadt Chiang Mai entfernt. Recht nahe beim Doi Inthanon sollte dieser ungewöhnliche Tempel namens Wat Hui Thong liegen, nahe beim höchsten Berg Thailands, auf halber Strecke vom Dorf Mae Sapok. Hatte ich mich verfahren? Endlich sah ich rechts der gut ausgebauten Landstrasse Buddha-Statuen, die einen Tempeleingang markierten. Doch der unterschied sich nicht wesentlich von anderen Portalen.
Ich mag Waldtempel, wegen ihrer ganz eigenen, intensiven Energie. Buddhas Lehren passen überall hin. Doch in der Natur scheint es leichter, sie zu befolgen als im Getriebe der Grossstadt – wo viele Beispiele belegen, dass Mönche Versuchungen erliegen, denen sie entsagen sollten.
Um herauszufinden, ob ich wirklich am Wat Hui Thong angelangt war, musste ich den Aufstieg in Angriff nehmen. Dabei beglückwünschte ich mich zu dem zuvor gefassten Entschluss, das Rauchen aufzugeben. Wieder einmal, aber nicht zum letzten Mal. Doch das ist eine andere Geschichte.
Ich war der einzige Besucher, ein seltsames Gefühl hoch oben über den Tälern des Flusses Mae Sapok. 15 Minuten Fussmarsch brauchte ich, um mir sicher zu sein: Dies war das weitläufige Kloster der 1000 Buddhas, wie der Wat Hui Thong mit zweitem Namen heisst. Einer von 37'000 Tempeln Thailands, abgelegen in wunderschöner Landschaft, abseits aller ausgetretenen Pfade.
«Solche Buddha-Darstellungen gibt es sonst nirgends» ...
...heisst es und das ist ungewöhnlich genug. Jahrhunderte lang lag dieser Tempel brach, erst 1999 wurde er von Grund auf neu erbaut. Seine Jugend sieht man ihm nicht an. Die Menschen, die diesen Wat zu neuem Leben erweckten, schufen in liebevoller Kleinarbeit einen originellen Mix aus Moderne und Vergangenheit. Die grossen goldenen Buddha-Statuen sah ich sofort, kein Wunder. Doch tausend waren es definitiv nicht. Es dauerte, bis ich an den Felsen die kleinteiligen Darstellungen des Religionsstifters entdeckte, erst die Miniaturen rechtfertigten die Zahl 1000. Nicht, dass ich nachgezählt hätte.
Der Buddhismus ist für seine Toleranz gegenüber anderen Religionsgemeinschaften bekannt; manchmal wirkt diese Toleranz auch in der Gegenrichtung. Zwei Kilometer vom Tempel entfernt liegt ein katholisches Dorf, dort steht eine 12 Meter hohe Christusstatue. Der Dorfpfarrer war wesentlich am Aufbau des buddhistischen Tempels beteiligt. Mit ihm einige belgische Kunststudenten, die Buddhas Antlitz aus den Felsen meisselten. Und wenn man genau hinschaut, ähneln die Gesichtszüge des Erleuchteten so manches Mal denen der Langnasen aus dem Westen. Buddha wird es verkraften. Er neigt dazu, den guten Willen für die Tat zu nehmen.
Auch in den letzten Jahren wurde noch gebaut. Inzwischen ziert ein Riesenbuddha den Tempel. Die Aussicht über Nordthailands bewaldete Hügel beeindruckt, doch noch immer finden nur sehr wenige Besucher den Weg zum Wat Hui Thong.