Trips & Travellers
Wenn ein Teilnehmer der Gruppenreise stets nur nörgelt und nervt
Gregor WaserVielleicht waren Sie noch nie auf einer Gruppen- oder Pressereise oder können sich nur noch an die schönen Momente der damaligen Klassenfahrt erinnern. Oder Sie hatten einfach oft Glück, dass auf jeder Gruppenreise völlige Harmonie herrschte, trautes Zusammensein und – was es nicht selten gibt – sogar Freundschaften fürs Leben entstanden.
Doch es kann schon mal vorkommen, dass auf einer Gruppenreise eine Teilnehmerin oder ein Teilnehmer aus der Reihe tanzt, sich querstellt, alle anderen ziemlich nervt.
Das kann harmlos beginnen. Sie nimmt unentwegt den Reiseleiter in Beschlag. Er kommt bei jeder Abfahrt, jedem Treffen deutlich zu spät. Oder sie stellt sich quer, will vom vorgegebenen Programm nichts wissen. Er nörgelt unentwegt und weiss alles besser. Oder alles zusammen. Die Gruppenreise wird plötzlich zur Qual, vor allem auch, wenn man tagein tagaus zum Frühstück und Abendessen auch noch am selben Tisch sitzt und es die eine Person schafft, die wunderschöne Reise schlechtzureden und die Stimmung zu vermiesen.
Gerade auf Pressereisen, wenn Leute derselben Berufsgattung – durchaus mit dem Hang zur Alleswisserei und dem kategorisch kritischen Blick – mehrere Tage miteinander verbringen, ist das Nervpotenzial gross.
Wir haben uns in der Reisebranche umgehört, ob solche Situationen bekannt seien und wie denn Gruppenreise-Veranstalter oder Reiseleiter während der Reise reagieren müssten, sollte eine Teilnehmerin oder ein Teilnehmer den Rest der Gruppe äusserst nerven.
«Er kam ständig zu spät und beklagte sich über alles.»
Tomi Biedermann, heute Geschäftsführer des Zürcher Reisebüros b&b travel, war früher mal Reiseleiter bei Suntrek. Er erinnert sich: «Es war auf einer von mir selbst geführten Suntrek-Tour in den USA. Sie führte von San Francisco über Miami, New York und Chicago zurück nach San Francisco und dauerte ganze neun Wochen! Der besagte Teilnehmer stiess zwar erst in Miami zur Gruppe und sollte bis San Francisco mitreisen. Aber das waren immer noch sechs Wochen. Er war nie bereit, wenn 'loading time' war, sondern kam ständig zu spät und beklagte sich über alles. Bei der gemeinsamen Zubereitung des Essens machte er sich rar und auch bei anderen Arbeiten, wie Zelte aufstellen, einkaufen oder Gepäck aufs Dach laden, war er irgendwo anders.»
Auf die Frage, wie er als Reiseleiter reagiert habe, sagt Biedermann: «Ein solcher Mensch fällt ziemlich schnell negativ auf. Manchmal auch schon beim Briefing am ersten Abend. Man lässt ihn anfänglich machen, beobachtet ihn und die Reaktion der Gruppe. Es kommt vor, und das ist ganz gut so, dass andere Teilnehmer selbst mal was sagen, ihn in die Schranken weisen. Man muss ihn zur Seite nehmen und mit ihm reden. Zuerst empathisch, dann auch mal energisch. In diesem Fall trennten wir uns dann nach zwei schwierigen Wochen von ihm.»
Weiter fügt Tomi Biedermann noch an: «Es hiess in meiner Reiseleitertätigkeit jeweils: 'Du musst dich um jene Person am meisten kümmern, die du am wenigsten magst. Die andern spüren deine Sympathie automatisch'».
«Das Gruppeninteresse ist höher zu gewichten als das Einzelinteresse.»
Auf Gruppenreisen spezialisiert sind Vögele Reisen und Imbach Reisen. Martin Fehrlin, Geschäftsführer von beiden Veranstaltern, nimmt Stellung zum Thema: «Das sind seltene Ausnahmefälle, die meisten Reisen erfolgen in gutem Einvernehmen und guter Gruppendynamik. Aber klar, es kann mal vorkommen, dass ein Teilnehmer den anderen nervt. Dann setzt man sich halt an einen anderen Tisch.»
Doch welche Handhabe gibt Martin Fehrlin seinen Reiseleiterinnen und Reiseleitern mit auf den Weg, wenn mal eine Situation ausufern sollte? «Unsere Devise lautet, das Gruppeninteresse ist höher zu gewichten als das Einzelinteresse. Wenn sich dann die Person beklagt, dass sie dies oder das nicht machen kann, dann sagen wir das so, die Gruppe ist wichtiger.» Doch ein Rezeptbuch gebe es nicht.
«Sie kritisierte den Reiseleiter ständig und öffentlich.»
«Zum Glück gibt es solche Fälle eher selten», sagt Sandra Räber, Geschäftsleiterin von Baumeler Reisen. «Wir hatten mal die Situation, wo eine Reiseteilnehmerin schlechte Stimmung gegen den Reiseleiter verbreitete, in dem sie ihn ständig öffentlich kritisierte und die restlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer versuchte in ihren 'Nörgeli-Bann' zu ziehen.» Wie sollte der Reiseleiter am besten reagieren? «Ruhig bleiben und irgendwann das Gespräch unter vier Augen suchen.»
Und was muss passieren, dass eine Teilnehmerin oder ein Teilnehmer nach Hause geschickt wird? «Das ist während während meiner Zeit bei Baumeler Reisen noch nie passiert», sagt Sandra Räber. «Wenn Grenzen massiv überschritten werden, dann hat der Reiseleiter oder die Reiseleiterin die Entscheidungskompetenz, jemanden von der Gruppe auszuschliessen.»
«Bei uns kommt dies nicht vor.»
Wir haben unsere Anfrage auch an einen deutschen Anbieter gerichtet – und stellen erstaunt fest, dass es auch Gruppenreise-Veranstalter gibt, denen das Phänomen von nörgelnden, nervenden, besserwisserischen Mitreisenden nicht bekannt zu sein scheint.
«In unserem Segment der geführten Reisen mit höchstens 12 Gästen und einheimischen Reiseleiterinnen und Reiseleitern kommt dies nicht vor», sagt die Pressesprecherin von Chamäleon Reisen. «Unsere Gäste werden von unseren Partnerinnen und Partnern in den Reisebüros und von Chamäleon von vornherein sehr gut beraten und freuen sich entsprechend auf dieses besondere Reiseerlebnis.» Und weiter heisst es: «Wir haben durchweg äusserst angenehme Gäste und eine tolle Gruppendynamik.»