Trips & Travellers
Der Kleiderbügel des Grauens
Andreas GüntertDas Grauen kommt mit vielen Namen. Als häufigste Bezeichnung wird verwendet: Hotel-Kleiderbügel mit Diebstahlsicherung. Ferner ist der Horror im Hotelschrank als «Hotelbügel gewinkelt mit vermessingtem Haken» bekannt. Oder als «Spezial-Kleiderbügel mit Stift». Die Angelsachsen sagen «Anti-Theft Hotel Hangers». Was es auch nicht besser macht.
Bevor ich zur Anklageschrift in der Causa der fixierten Kleiderbügel schreite, möchte ich per Präambel festhalten: Ich mag Hotels. Ich bin in aller Regel ein friedlicher Hotelgast und kann Fehler bei Angebot und Service verzeihen. Aber wenn ich einer ganz bestimmten Sorte von Kleiderbügeln in meinem Zimmer begegne, mutiere ich zum Hotel-Wutbürger. Die Dinger verbreiten Horror auf Reisen, der diebstahlsichere Hotelbügel ist für mich der Darth Vader im Hotelschrank, das böseste Stück Holz im Hotelzimmer.
Wir müssen endlich mal reden über die Dysfunktion an der Kleiderstange.
Hotelbügel mit Diebstahlschutz: Erster Anklagepunkt
Zuerst einmal machen mich diese Bügel sauer, weil sie mir als Misstrauensvotum seitens des Hoteliers aufs Auge (und in den Schrank) gedrückt werden. Die Message: Lieber Gast, Du bist wahrscheinlich ein Dieb und willst den Kleiderbügel klauen. Nimm diese Dinger ja nicht mit. Zuhause nützen sie Dir so eh nichts. Ätsch!
Habe ich schon mal was mitgehen lassen im Hotel? Ich gestehe: ja. Mal ein Duftmüsterli, ein Nähset oder eine der ollen (und unglaublich nützlichen) Duschhauben aus dem Badezimmer. Aber sonst lasse ich die Hotelausstattung so zurück, wie ich sie beim Betreten des Hotelzimmers vorgefunden habe, Stück für Stück.
Einen Kleiderbügel (ob mit oder ohne Rockeinkerbung) würde ich nie mitgehen lassen. Die Ikea-Dinger bei mir zu Hause (Modell Spruttig, CHF 2.75 Schweizer Franken pro Stück im Zehnerpack) tun ihren Dienst optimal. Merci, kein Klau-Bedarf. Dafür wär mir jedes Plätzli im Koffer zu schade. Mit solchen Kleiderbügeln verbinde ich Null Diebstahl-Phantasie. Zero.
Als ich im Hochsommer 2023 auf meiner Facebook-Seite eine kleine Diskussion zum Thema losgetreten hatte, waren die Inputs zahlreich. Alle kennen den Horror im Hotelschrank. Alle hassen den Antidiebstahl-Bügel.
Eine (weibliche) Person ging gar so weit, den nackten hässlichen dünnen Stift des Steck-Bügels als Mahnmal des ausgestreckten Mittelfingers des Hoteliers zu interpretieren. Kann man so sehen. Ziemlich hart. Aber leider auch ziemlich wahr.
Anti Theft Hotel Hanger: Zweiter Anklagepunkt
Diese kranke Sorte der fixierten Hotelkleiderbügel signalisiert seitens des Gastgebers nicht nur Geiz und eine Schuldsvermutung – sie ist auch total mühsam im Handling. Vor allem dann, wenn das Licht im Schrank (so überhaupt vorhanden) schlecht ist.
Es ärgert mich jedesmal aufs Neue, wenn ich ein Hemd oder einen Mantel an einen der rigid eingeklinkten Bügel in der tumb aufgereihten Kolonne aufhängen möchte. Oder, falls ich mir erlaubt habe, einen Bügel rauszunehmen, den elenden Steckstift wieder in die metallene Öffnung einzupassen. Hotelier, give me a break!
Darf ich an dieser Stelle kurz mit dieser Bewertung zur Zimmerausstatung zwischenbilanzieren: Dieser Steckstift ist die Schreckschraube im Hotelzimmer.
Horror im Hotelschrank: Dritter Anklagepunkt
Dass der Hotelier mich (und alle anderen Gäste) mit diesen Bügeln unter Diebstahl-Generalverdacht stellt, ist ja schon eine Beleidigung per se. Aber auch eine Bevormundung: Vielleicht möchte ich mein Hemd oder meine Jacke ja gerne auf dem Balkon oder am Fenster aufhängen. Oder im Badezimmer platzieren, wo der Dusch-Dampf Falten glätten soll.
Mit diesen Steck-Bügeln geht das aber nicht. Konklusio: Alleine der Gastgeber bestimmt, wo ich meine Kleider gefälligst aufzuhängen habe: Im Schrank – und nirgends sonst, Du potenzieller Hotelkleiderbügeldieb, Du!
Vor allem in guten Hotels
Nun könnte man denken, dass man dieser Hotelbügel-Seuche vor allem in billigen Hotels begegnen würde, wo ein seelenloser Erbsenzähler in seinem Kämmerchen hinter der Rezeption in kranker Hingabe die Kosten (und das Gäste-Erlebnis) stranguliert. Aber weit gefehlt. Auf meinen Städtetrips nächtige ich oft in Zweistern-Häusern – und dort bin ich dieser hängenden Beleidigung der Hotelausstattung noch nicht begegnet.
Nicht einmal im Hans Brinker Hostel in Amsterdam, lange Zeit bekannt als das «schlechteste Hotel der Welt», habe ich – wenn ich mich recht erinnere – solchen Hotel-Hanger-Hate erlebt. Dafür aber letzten Herbst in einem (sehr geschmackvoll eingerichteten) 4-Stern-Hotel an der Costa Brava und dieses Jahr in einem (ansonsten sehr angenehmen) 4-Stern-Stadthotel in Berlin oder jüngst im ganz passablen 3-Stern-Haus in Griechenland. Namen? Nenne ich bis zur Hauptverhandlung noch keine.
Nun könnte man angesichts all der Herausforderungen auf unserem Erdenrund spotten, dass hier ein wohlstandsverwahrloster Geck über ein Problem ätzt, das ja eher eine Petitesse ist im Vergleich zu allen anderen Dingen, die schief gehen auf diesem Planeten. Ein sogenanntes First World Problem, ein Luxus-Problemli. Ein Detail. Und ja, das ist wohl auch nicht ganz falsch.
Ärgern tut es mich trotzdem. Weil sich Gastgebertum nun auch mal im Umgang mit Details zeigt. Und schliesslich bezahle ich für diese Hotelzimmer First-World-Preise. Da möchte ich mich wohl fühlen. Und nicht von Beginn weg als Dieb. Jetzt bin ich (fürs erste) fertig mit meiner Anklageschrift. Ich bügle ab, bleibe tapfer und murmle zum Abschied leise das, was ich auch mir selber immer sage, wenn mich der Hotel-Wutbürger zu überkommen droht: Hang loose, bleib locker.