Trips & Travellers
Beeindruckende Doubles von bekannten Sehenswürdigkeiten
Christian HaasDer Spiegelsaal im Schloss Versailles bei Paris gehört zur Crème de la Crème des Barock. Nicht nur Kulturfans können sich an dem Prunk ergötzen, sondern auch Schulgruppen, Kegelclubs, Familien – jedes Jahr kommen mehrere Millionen Besucherinnen und Besucher. Und staunen über den 75 Meter langen Saal und die den 17 Bogenfenstern gegenüber befindlichen 17 Grossspiegel. Die Decke zieren in Stuck gefasste Deckengemälde, die den Sonnenkönig Louis XIV. verherrlichen.
Ein einmaliges Kunstwerk? Von wegen! Schliesslich existiert ein weiterer Spiegelsaal, der sogar noch grössere Ausmasse als das Original aufweist: 98 Meter Länge und 23 Grossspiegel gegenüber genauso vielen Rundbogenfenstern. Wo er zu finden ist? Mitten in Bayern, oder besser gesagt mitten im bayrischen Chiemsee auf der Insel Herrenchiemsee. Dort wollte der Märchenkönig Ludwig II. nicht nur den Spiegelsaal, sondern eigentlich ganz Versailles kopieren – wobei das Neue Schloss Herrenchiemsee die gesamte Dimension nicht erreichen konnte.
Alternativen zu Eiffelturm und Freiheitsstatue
Ein anderes, besser, das Pariser Wahrzeichen, der Eiffelturm, weist gleich eine ganze Reihe von Nachahmern auf. Der rund 145 Meter hohe Berliner Funkturm etwa erinnert mit seiner Stahlfachwerkkonstruktion daran, ebenso der Aussichtsturm Petrin in Prag.
Vor dem echten Eiffelturm, in Eleganz und Grösse – 324 Meter! – unübertroffen, steht im Übrigen eine Kopie einer anderen Sehenswürdigkeit von Weltrang. Es handelt sich um die Freiheitsstatue, wenn auch in deutlich geschrumpfter Version.
Die mit elf Metern etwa vier Mal kleinere Statue am Ende der Allée des Cygnes wurde der französischen Hauptstadt 1885 gewidmet und ist nach Westen ausgerichtet, in Richtung des Atlantiks und damit zu ihrer «grossen Schwester» im New Yorker Hafen. Die war ja damals schliesslich ein Geschenk der Franzosen. Eines, das heute noch nachwirkt, denn beinahe jeder US-Bundesstaat besitzt eine Replik. Und seit 2004 gibt es auch im elsässischen Colmar eine zwölf Meter hohe Nachbildung.
Nachbau beliebter US-Wahrzeichen
Original in den USA, Nachahmung in Europa. Für die weltberühmte Golden Gate Bridge am Eingang zur San Francisco Bay gilt das ebenfalls. In ähnlichem Rostrot und ähnlicher Hängebrückenmanier glänzt die Brücke des 25. April in Lissabon, die mit einer Gesamtlänge von 2287 Metern den Fluss Tejo überspannt.
Doch ein paar Unterschiede bestehen freilich schon. Der auffälligste: Die Pylone der Golden-Gate-Brücke werden von Querverstrebungen stabilisiert, bei der Ponte de 25. Abril dagegen sind diese kreuzförmig angebracht.
Finde die Unterschiede, dieses Spiel liesse sich auch in Havanna spielen. Das Capitolio wurde nämlich in vielerlei Hinsicht dem Washingtoner Kapitol nachempfunden. Ein Unterschied sei hier verraten: Die kubanische Kapitol-Variante, 2019 nach achtjähriger umfangreicher Renovierung wiedereröffnet, ist ein Meter höher!
Wie ihr Vorbild aus den USA mit Stilelementen der Renaissance gepflastert, dient sie (neuerdings wieder) als höchst politischer Ort. Zweimal jährlich tagt hier die Nationalversammlung. An fast allen anderen Tagen lässt sich das eindrucksvolle Gebäude besichtigen – eine dringende Empfehlung!
Wenn die Kopie das Original übertrumpft
Kirchen stehen ebenfalls die allermeiste Zeit offen, so auch die wichtigste Kirche der Christenheit: der Petersdom im Vatikan. In punkto Nachbauten waren die Kirchenväter ebenfalls recht offen, schliesslich gewährten sie eine ganze Reihe mehr oder weniger deutlicher Petersdom-Kopien.
Eine ist die berühmte St. Paul's Cathedral in London, eine andere, augenscheinlichere, befindet sich in Afrika, genauer in Yamoussoukro an der Elfenbeinküste. Die in den 1980er Jahren erbaute Basilika von Notre-Dame de la Paix ist mit einer Grundfläche von rund 30'000 Quadratmetern sogar noch grösser als das Original in Rom.
Das Copy-Paste-Prinzip scheint indessen zeitlos: Auch in jüngerer Zeit werden Kopien von weltberühmten Sehenswürdigkeiten gemacht, etwa vom Mausoleum Taj Mahal in Indien. Ein reicher Filmemacher liess 2008 in Sonargaon in Bangladesch eine beinahe gleich grosse Replik des berühmten Bauwerks anfertigen. Die Bauzeit betrug fünf Jahre, der Nachbau verschlang 58 Millionen US-Dollar.
Diese enorme Summe darf nicht verwundern, denn der reiche Gönner, der seinen Mitbürgern somit das teure Ticket nach Indien ersparen wollte, liess Marmor und Granit aus Italien importieren, ebenso wie 160 Kilo Gold für die Kuppel.
Alles unter einem Dach
Wem das ganze Reisen zu anstrengend ist, der beschränkt sich auf das Londoner Victoria & Albert Museum. Denn dort können Interessierte all das in Originalgrösse bestaunen, wofür sie sonst zahlreiche Städtereisen unternehmen müssten.
Dort findet sich Michelangelos «David» ebenso wie die Trajanssäule – wenngleich in zwei Teile zerlegt – oder der Pórtico de la Gloria aus der Wallfahrtskirche von Santiago de Compostela. Dazu gesellen sich noch Hunderte weitere weltberühmte Meisterwerke, allesamt keine Originale, aber ziemlich gut gemachte Kopien.
Kunstfreunde können sich ebenfalls eine Menge Reisekosten sparen, die nötig wären, um rund 500 bekannte Bilder aufzusuchen. Ein Ticket ins oberbayerische Wasserburg am Inn genügt, plus Eintrittskarte ins Imaginäre Museum. In diesem weltweit einmaligen Museum werden auf vier Etagen Werke von Breughel über Caspar David Friedrich, Spitzweg, Monet, Picasso bis hin zu Chagall und Hundertwasser gezeigt.
Allerdings handelt es sich auch hier keineswegs um Originale, sondern um Gemälde und Zeichnungen, die in einem aufwendigen Verfahren originalgetreu repliziert wurden. Und die sehen verdammt echt aus.