Trips & Travellers

Autorin Karin Kofler hatte sich ausgemalt, wie sie mit ihren Kindern auf der Djemaa el-Fna in Marrakesch mit den Händlern Tee trinken würde. Es kam anders. Bilder: KK

Einwurf Warnung: Reisen mit Teenagern kann an die Substanz gehen

Karin Kofler

Die Marokko-Reise mit meinen Teenager-Kindern war ein Härtetest für mich als Mutter – und eine Feldstudie der Generation Z.

Lange Flüge oder Rundreisen mit kleinen Kindern sind Stress pur. Deshalb reduzieren viele Eltern in dieser Lebensphase ihre touristischen Aktivitäten und trösten sich mit der Vorstellung, wie es sein wird, wenn ihre Kinder grösser sind: reif, geduldig und interessiert an fremden Kulturen werden sie sein.

Nach einer zweiwöchigen Reise mit meinen Teenagern kann ich das so nicht unterschreiben. Ich wollte mit meinem 16-jährigen Sohn und der 13-jährigen Tochter in den Frühlingsferien nach dreijähriger Flugpause endlich mal wieder ein bisschen in exotischere Gefilde reisen.

Also stellte ich ein Programm für Marokko zusammen, das für alle was hatte: ein bisschen Kultur, ein bisschen Abenteuer und ein paar Tage chillen. Im Nachhinein weiss ich: 24/7 mit zwei Pubertierenden zusammen zu sein, ist sehr verbindend, aber auch anstrengend.

Lieber die AirPods im Ohr und dösen

Folgende idyllische Vorstellungen vom gemeinsamen Reisen musste ich revidieren:

Teenager als ReiseassistentInnen? Fehlanzeige. Ich war felsenfest davon überzeugt, dass meine Grossen mich auf der Reise organisatorisch unterstützen würden. Pustekuchen.

Mein 16-Jähriger legte sich lieber die AirPods ins Ohr und döste, statt auf Strassenschilder zu achten, als wir im Mietwagen unterwegs waren. Routenbesprechung am Vorabend? Keine Motivation.

Mami wird den Karren schon ans richtige Ort fahren. Die Tatsache, dass unser Auto kein Navi und keine Klimaanlage hatte, machte meinen Job nicht einfacher.

Die vorbeiziehenden marokkanischen Dörfer am Fuss des Atlas stiessen auf mässiges Interesse.

Als wir uns im Verkehrschaos von Agadir auf der Suche nach dem Hotel bei glühender Hitze verfuhren, kams zum Eclat: Der Filius – immerhin im fünften Gymijahr – hatte keine Lust, jemanden auf Französisch nach dem Weg zu fragen. Die Kleine war beleidigt, weil ich von der Route, die sie immerhin vorgeschlagen hatte, abgewichen war. «So ein Scheiss, nur noch mit Navi», «Ich will einfach nur an den Strand» – hörte ich meinen Beifahrer fluchen. Konkrete Vorschläge zur Lösung der Situation? Fehlanzeige.

Erst appellierte ich an den Teamgeist, faselte was von zusammen an einem Strick ziehen. Das fruchtete nicht. Also drückte ich meinem Sohn eine Strassenkarte (ein eher exotisches Tool für die Generation Z) in die Hand. Ich wusste, dass sie uns in Agadir nichts nützen würde, doch die Message war klar: Junge, komm in die Gänge!

Als das unproduktive Gemotze anhielt, setzte ich zur ultimativen Erpressung an: Ich würde keinen Meter mehr fahren ohne ihre Unterstützung. Es folgte ein Anruf ins Hotel, zu dem ich den Sohn nötigte, mit dem Ziel einer Fernnavigation. Das scheiterte an der Verbindung. Die Stimmung wurde noch gereizter. Unschwer, zu erraten, wer am Schluss die rettende Idee hatte: Mami natürlich. Ich rief einen Taxi, der uns voraus fuhr zum Robinson Club.

Am wohlsten war den Generation Zlern im schönen, aber abgeschotteten Robinson Club, wo das WLAN tadellos funktioniert.

Der Reiseführer blieb im Koffer

Später, beim Aperol Spritz, grübelte ich: Ist es normal in dem Alter, dass so wenig Initiative kommt?

Interesse an fremden Kulturen? Limitiert. Ich hatte mir ausgemalt, wie ich mit meinen Kindern mit dem Händler im Souk Tee trinken würde und dass sie im Reiseführer oder im Netz Sehenswürdigkeiten recherchieren würden. Die Realität sah anders aus: Mein Sohn drückte die Stimmung mit demonstrativem Fernbleiben von den «aufdringlichen» Händlern in Marrakesch, der Reiseführer blieb im Koffer. Dafür waren sie auf Snapchat, sobald WLAN erhältlich war. Auf dem Wüstentrip in der Sahara fragte unser Chauffeur, ob wir Interesse hätten, Nomaden zu besuchen. Meine Kids schüttelten zu meinem Entsetzen den Kopf, während ich sofort bejahte. Doch statt der Frau in der primitiven Hütte Fragen zu ihrem Alltag zu stellen, sagten meine beiden kein Wort und straften mich mit eisigen Blicken ab.

Wie die Mutter so die Kinder? Leider nein. Als Elternteil wünscht man sich ja insgeheim, dass die Kinder ein ähnliches Reiseverhalten an den Tag legen wie man selbst. Ich war zwar nie die ultimative Abenteurerin, aber in meinen jungen Jahren hatte ich mich doch recht improvisiert bewegt, einfachste Pensionen taten es. Meine Generation Zler aber mögens komfortabel und wohltemperiert, stellte ich fest. Über eine Woche waren wir mit dem prallen Leben Marokkos konfrontiert worden. Am wohlsten aber war ihnen im schönen, aber abgeschotteten Robinson Club, in welchem man ja kaum merkt, dass man in Marokko ist, aber das WLAN tadellos funktioniert. Die Erkenntnis, dass ich als alleinerziehende Mutter zwei All inclusive-Kinder herangezogen hatte, nagte irgendwie an mir – auch wenn ich verstehe, dass Gratis-Drinks und gigantische Dessertbuffets reizvoll sind für Teenager.

Sun & Fun? Gilt nicht für die Erwachsenen. Ein gemeinsames Abendprogramm mit Pubertierenden zu finden, ist ja nicht einfach. Die Unterhaltung am Tisch ist beschränkt. Wenn man Glück hat, sind sie nach dem Essen für ein Kartenspiel zu haben. Oft wollen sie aber nur im Zimmer abhängen – mit Handy natürlich. Der Robinson Club zum Ende unserer Reise, so dachte ich, würde mir die Gestaltung des Abends erleichtern. Da kann die Mami wenigstens mal etwas Party machen. Denkste.

Als wir uns am ersten Abend zur Freiluftarena begaben, wo ein Dj Hits wie «Voulez-vous» und «Daddy cool» auflegte, gaben mir meine Kids gnadenlos den Tarif durch: «Mami Du gehst bitte nicht auf die Tanzfläche. Sind ja voll peinlich diese Ü50er, die hier abshaken. Benehmen sich in den Ferien wie Teenager», lästerten sie. Ich schluckte.

Als ich später einen Papi in den 40ern erblickte, der mit einem Kinderrucksack am Rücken ungelenk tanzte, dachte ich: vielleicht haben meine beiden Nörgler ja Recht? Vielleicht gehöre ich da wirklich nicht hin? Jedenfalls blieb die Tanzfläche danach tabu für mich, selbst wenn die Kids nicht dabei waren. Der Stachel sass zu tief. Und als mir der Sohn dann auch noch beschied, dass ich mich bitte vom Fitnessraum fern halten solle, solange er trainiere, wurde mir definitiv klar:

Reisen mit Teenagern kann an die Substanz gehen.