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Eines von Europas Schnäppchenparadiesen ist der italienische Skiort Livigno, nahe der Schweizer Grenze. Bild: Roby Trab

An diesen Ferienorten ist der Schnäppchenfaktor am grössten

Artur K. Vogel

Wer fliegt, deckt sich im Duty-Free-Shop mit vermeintlich preisgünstigen Produkten ein. Noch billiger sind diese aber oft in zollfreien Regionen, von denen es in Europa einige gibt.

Viele Reisende erleben die schönsten Ferienmomente nicht nur in der Sonne, im Sand oder im Schnee, sondern auch beim Shopping. Besonders intensiv kann die Befriedigung sein, wenn man das Gefühl empfindet, ein Schnäppchen gemacht zu haben. In Europa gibt es rund ein halbes Dutzend zollfreie und steuergünstige Regionen, in denen gewisse Güter preiswerter sind als anderswo.

Nein, Monaco gehört nicht dazu (es ist für Superreiche attraktiv, weil es keine Einkommenssteuern erhebt, hat aber eine Zollunion mit Frankreich). Das Fürstentum Liechtenstein ist ebenfalls nicht auf der Liste (es ist nach dem Ersten Weltkrieg eine Zollunion mit der Schweiz eingegangen). Hier sind sechs Beispiele:

Schnäppchen und Luxus

Die Gemeinde Samnaun im äussersten Nordosten des Kantons Graubünden auf gut 1800 Metern Höhe ist vor allem wegen ihres riesigen, mit dem österreichischen Nachbarort Ischgl gemeinsam betriebenen Skigebiets beliebt, das bis auf 2900 Meter hinauf reicht – und bei Schnäppchenjägern: Weil das einst mausarme, von der Welt abgeschnittene Samnaun seit 1892 die einzige zollfreie Zone der Schweiz ist, kann man hier günstig Schmuck, Kosmetik sowie exklusive Parfüms und Bekleidung einkaufen, auch Lebensmittel, Tabakwaren und Spirituosen.

Im Zollfrei-Ort Samnaun lockt unter anderem günstiger Schmuck. Bild: zVg

Ein wichtiger «Player» vor Ort ist Hubert Zegg, der mit seiner Familie drei Hotels und acht Geschäfte, von der Bijouterie über den Sportmodeshop und den Zigarrenladen bis zum Superdiscounter, betreibt. Treibstoff ist in Samnaun ebenfalls billiger als sonstwo in der Schweiz, im benachbarten Tirol (Österreich) oder Südtirol (Italien). Der Ort mit mehreren luxuriösen, auf dem neuesten Stand gehaltenen Hotels und gehobener Gastronomie lockt auch ein anspruchsvolles Publikum an.

Zollfreier Wurmfortsatz

Livigno in der Lombardei ist «Italiens Wurmfortsatz», wie man sich hier ausdrückt: Das 20 Kilometer lange Tal stösst auf drei Seiten an die Schweiz (zu der es von 1512 bis 1797 mit dem ganzen Veltlin auch gehörte). Livigno ist ein beliebter Sommer- wie Winterferienort. Seine Höhenlage (1800 Meter über Meer und höher) und sein Mikroklima garantieren von November bis Mai Schnee in rauen Mengen. 2026 wird Livigno einer der acht Austragungsorte der Olympischen Winterspiele.

An der Hauptstrasse von Livigno reiht sich Shop an Shop. Bild: Roby Trab

Vor gut 200 Jahren wurde Livigno zur zollfreien Zone erklärt, weil es unmöglich war, den blühenden Schmuggel auf Dutzenden Saumpfaden hinüber in den Kanton Graubünden zu kontrollieren, und weil man verhindern wollte, dass sich das abgelegene Tal entvölkerte. Dieser Status wurde auch von der EU anerkannt. Das heisst: Benzin, Alkohol, Zigaretten und Parfum sind von Zollabgaben und Mehrwertsteuer befreit und deshalb viel billiger als in Rest-Italien oder der nahen Schweiz. An der Hauptstrasse reiht sich Shop an Shop. Italienerinnen und Italiener aus umliegenden Gegenden tanken hier auch ihre Autos auf.

Deutsch, aber nicht europäisch

Helgoland ist eine Insel vor der Nordseeküste Deutschlands und gehört zum Bundesland Schleswig-Holstein. 1807 bis 1890 war die Insel britische Kronkolonie; durch Vertrag ging sie danach an das Deutsche Reich. Der Vertrag von 1890 gewährte Helgoland eine steuerrechtliche Sonderstellung; heute gehört die Insel nicht zum Zollgebiet der EU, und es werden keine deutschen Verbrauchssteuern erhoben.

Die Insel Helogland gehört nicht zum Zollgebiet der EU. Bild: Pixabay

Alkoholische Getränke sind zu attraktiven Preisen erhältlich; Tabakwaren können zollfrei erworben werden, auch Parfüm und Kosmetik sind günstiger. Zudem bietet Helgoland eine grosse Auswahl an Schokolade und anderen Süssigkeiten. Die Insel, nur vier Quadratkilometer gross und von 1300 Menschen bewohnt, zieht jedes Jahr mehrere hunderttausend Reisende an, meist Tagestouristen, die mit Fähren aus Bremen oder Cuxhaven anreisen.

Alte Republik als Einkaufsparadies

San Marino wurde vor 1720 Jahren gegründet und ist damit die älteste Republik der Welt – und vermutlich die kleinste, denn mit 60 Quadratkilometern ist sie nur ein Drittel so gross wie der Kanton Appenzell-Innerrhoden (oder etwa gleich gross wie die Gemeinde Samnaun). San Marino liegt mitten in Italien, nur 20 Kilometer vom beliebten Adria-Ferienort Rimini entfernt, gehört nicht zur EU, ist mit dieser aber eine Zollunion eingegangen.

San Marino ist keine komplett zollfreie Zone, dennoch können Reisende von Schnäppchen profitieren. Bild: Unsplash

Das bedeutet, dass San Marino bestimmte EU-Zolltarife anwendet und deshalb im strikten Sinn des Wortes keine zollfreie Zone ist. Einkaufstouristen profitieren allerdings von sehr niedrigen Steuern, was sich vorteilhaft auf die Preise vieler Waren auswirkt, zum Beispiel bei Markenbekleidung, Schuhen, Arzneimitteln, Haushalts- und Elektronikgeräten, Musikinstrumenten, Uhren, Parfüm und Kosmetika. Beliebte Souvenirs sind auch Keramiken und Lederwaren.

Mitten in Rom, ausserhalb der Gesetze

Der Vatikan, der katholische Kirchenstaat mitten in der Stadt Rom, ist mit weniger als einem halben Quadratkilometer der kleinste unabhängige Staat der Welt. Der Vatikan ist den Zoll- und Steuergesetzen Italiens und der EU nicht unterstellt. Waren, die importiert werden, sind in der Regel von Zöllen und Mehrwertsteuer befreit.

Von den tieferen Preisen im Vatikan profitieren ausschliesslich die rund 800 ständigen Bewohnerinnen und Bewohner. Bild: Unsplash

Den Millionen von Reisenden, die den Vatikan jedes Jahr besuchen, bringt dies allerdings nichts: Die Zollfreiheit beschränkt sich auf Güter, die nicht für den Weiterverkauf, sondern für den Gebrauch innerhalb der vatikanischen Grenzen bestimmt sind, für die rund 800 ständigen Bewohnerinnen und Bewohner also, vor allem hohe Prälaten, Nonnen und Schweizergardisten.

Strand, Surfen und Shopping

Die Kanarischen Inseln auf der Höhe Südmarokkos im Atlantik sind Teil Spaniens und damit der Europäischen Union. Aber sie geniessen einen Status als Wirtschaftssonderzone und sind von bestimmten Steuern und Abgaben befreit. Viele Touristinnen und Touristen verbringen ihre Ferien deshalb nicht nur am Strand, beim Biken, Wandern oder Surfen, sondern nutzen den Aufenthalt auch für Shoppingtouren in den Einkaufs- und Outlet-Zentren.

Die Kanarischen Inseln, hier Gran Canaria, sind eine Wirtschaftssonderzone und deshalb von bestimmten Steuern und Abgaben befreit. Bild: Unsplash

Dank den tieferen Abgaben kann man Kosmetik, Kleidung, Schuhe, Schmuck und Uhren relativ günstig erstehen. Allerdings muss man auf clevere Händler achtgeben, die versuchen, der Kundschaft gefälschte Markenprodukte anzudrehen. Bei Kameras, Handys oder Laptops wird ein Preisvergleich im Internet empfohlen; sie sind oft nicht günstiger als zu Hause.