Trips & Travellers

Yokohama, Nogenaka Strasse: Der Tag geht, der Spass kommt. Bild: Gabriel Knupfer

Yokohama Nogecho: In der Strasse der untergehenden Sonne

Andreas Güntert

Trinken ohne Trinkgeld, Restaurant-Hopping, Karaoke mit 99 Luftballons: In Yokohama streunen wir durchs Ausgehviertel Noge, wo die Zeit stillgestanden scheint.

Yokohama, Japan? Nein, dort war der Internaut selber leider noch nie. «Bis auf eine Studienreise nach Tokio im tiefen 20. Jahrhundert ist Japan ein weisser Fleck für mich geblieben.» Aber zum Glück hat der Internaut Freunde in Yokohama. Dort, wo sich in der Nähe von Tokio Wolkenkratzer erheben. Und der Mount Fuji sich als Vulkan hoffentlich nicht erbebt.

Dieser Freund, der uns heute durchs Ausgehviertel Nogecho von Yokohama führt, ist Journalist Gabriel Knupfer. Oder Knupfi-San, wie ich ihn mit meinem Bonsai-Japanesisch nenne. Er ist da einiges weiter. Der Berner, der für den Internauten schon die Starke Strecke Biel Untergasse bestritten hat, lebt seit 2019 in Yokohama. Seine Japanisch-Skills beschreibt er so: «Im informellen Gespräch absolut auf der Höhe. Im formellen weniger.» Für uns reicht das völlig. Und jetzt: Go for it, Knupfi-San.

Gabriel Knupfer auf der Piste in Yokohama. Bild: Waka Knupfer

Das Hafengebiet von Yokohama hat für Gabriel Knupfer eine besondere Bedeutung. Hier lernte er seine Frau kennen, und im nahen Schrein fand seine Hochzeitszeremonie statt.

Yokohama Japan, nur eine Stunde weg von Tokio

Yokohama ist die zweitgrösste Stadt in Japan. Obwohl Sehenswürdigkeiten wie in Tokio oder Kyoto fehlen, ist Yokohama einen Ausflug oder eine Übernachtung in einem der vielen Hotels wert. Die Hafenstadt Yokohama hat rund 3.8 Millionen Einwohner und ist Verwaltungssitz der japanischen Präfektur Kanagawa. Während das Neubauquartier Minato Mirai mit dem Riesenrad und dem knapp 300 Meter hohen Landmark Tower Japans futuristische Seite repräsentiert, begeben wir uns wenige Schritte hinter den Glitzerfassaden auf eine Reise in die Vergangenheit.

Im Ausgehviertel Nogecho – das Quartier selber heisst Noge, das Wort Cho steht für Viertel – scheint die Zeit seit der Showa-Ära (1926 bis 1989) stillgestanden zu sein.

Doch auch abgesehen von diesen Sentimentalitäten lohnt sich die Stadt für Touristen und Einheimische gleichermassen. Yokohama ist vom Zentrum von Tokio aus mit dem Nahverkehr in weniger als einer Stunde erreichbar. Während das Neubauquartier Minato Mirai mit dem Riesenrad und dem knapp 300 Meter hohen Landmark Tower Japans futuristische Seite repräsentiert, begibt man sich wenige Schritte hinter den Glitzerfassaden auf eine Reise in die Vergangenheit. Am Tag ist in dieser Ecke der Stadt nicht viel los, doch nach Sonnenuntergang erwacht das Quartier zum Leben.

Izakaya im Ausgehviertel von Yokohama: Thank you for smoking. Bild: Gabriel Knupfer

Im Noge-Viertel und seiner Hauptgasse, der Nogenaka Strasse, drängen sich dutzende Restaurants, Bars und traditionelle Izakaya-Tavernen. Das Quartier erinnert damit an den Distrikt Golden Gai in Shinjuku, der aber leider ein bisschen zu einem Opfer des Massentourismus geworden ist. Hier dagegen tummeln sich neben Ausländern auch viele Einheimische; japanische Angestellte und Arbeiter verbringen in den Bars ihren Feierabend. Winzige Bars mit nur drei oder vier Plätzen bieten sich für uns Europäerinnen und Europäer eher zum Anschauen an, doch wer keine Angst vor einer potenziell unbehaglichen Situation wegen der Sprachbarriere hat, kann es durchaus in einer dieser Kneipen versuchen.

Etwas abseits der Hauptgasse befindet sich das zweistöckige geschwungene Gebäude Miyakobashi Shotengai mit etwa 60 solchen Mini-Bars. Nachdem wir uns am japanischen Nachtleben der Stadt sattgesehen haben, wollen wir aber auch selber etwas essen und trinken. Dabei macht es Sinn, an einem Abend gleich mehrere Lokale in der Nähe auszuprobieren.

Ausgehen in Yokohama: Tischgebühr ja, Trinkgeld nein
Zwar wird jedes Mal eine neue Tischgebühr fällig, doch in Japan ist es nicht üblich, ganze Abende am gleichen Ort zu verbringen.Weil Trinkgeld hier auf Unverständnis stösst und vermieden werden sollte, lassen sich die rund fünf Franken Tischgebühr ohnehin verschmerzen.

Achtung:
Viele Restaurants und Kneipen haben keine englische Karte. Die Bild-Übersetzungsfunktion von Google Translate und ein bisschen Mut bei der Verständigung sind deshalb unabdinglich. Doch wer sich in Nippon nicht auf japanische und internationale Fastfood-Ketten beschränken will, muss es wagen und halt das eine oder andere Missverständnis in Kauf nehmen. Es lohnt sich.

Miyakobashi Shotengai : 60 Mini-Bars im Maxi-Bar-Gebäude. Bild: Gabriel Knupfer

Doch irgendwann tritt der Hunger ein. Dabei macht es Sinn, an einem Abend gleich mehrere Lokale in der Nähe auszuprobieren. Zwar wird jedes Mal eine neue Tischgebühr fällig, doch in Japan ist es nicht üblich, ganze Abende am gleichen Ort zu verbringen. Weil Trinkgeld hier auf Unverständnis stösst und vermieden werden sollte, lassen sich die rund fünf Franken Tischgebühr ohnehin verschmerzen.

Achtung:
Viele Restaurants und Kneipen haben keine englische Karte. Die Bild-Übersetzungsfunktion von Google Translate und ein bisschen Mut bei der Verständigung sind deshalb unabdinglich. Doch wer sich in Nippon nicht auf japanische und internationale Fastfood-Ketten beschränken will, muss es wagen und halt das eine oder andere Missverständnis in Kauf nehmen. Es lohnt sich.

Übrigens:
In Yokohama darf – anders als in Tokio – vielerorts noch drinnen geraucht werden. Als höflicher Mensch sollte man aber trotzdem sicherheitshalber mal noch nachfragen, bevor man sich die erste Zigarette ansteckt. Auch in Japan gilt das, was an vielen Orten bei Tabak-Feinden gilt: Wo Rauch ist, ist schnell mal Feuer im Dach.

Yokohama Nogenaka Street: Ein Foodcourt

In Japan ist es nicht üblich, Essen und Trinken klar zu trennen, und Restaurants haben kaum Sitzmöglichkeiten im Freien. Man geht deshalb für den Drink in ein Izakaya im preiswerten Noge Ichibangai, einer Art Foodcourt – aber nicht auf die langweilige sterile Art. Zum ersten Bier oder Highball des Abends passen zum Beispiel Yakitori (Spiesschen mit gebratenem Hühnerfleisch), die Spezialität des kleinen Lokals, das sich den Raum mit drei weiteren Restaurants teilt.

Wenn Du zu jenen Internaut-Groupies gehören solltest, die jede Starke Strecken selber nachrecherchieren, hier noch ein sachdienlicher Hinweis. Unser Lokal ist von der der Strasse gesehen vorne links neben dem Beef Kitchen Stand.

Ichibangai: Das kann jetzt sogar der Internaut entziffern. Und Du sicher auch. Bild: Gabriel Knupfer

Ein teures Restaurant in Nogecho
Das gehobene Restaurant Udatsu ist auf Hokkaido Küche spezialisiert. Das bedeutet Fisch, Muscheln, Tintenfisch und viel Gemüse. Sehr gut ist auch die Auswahl an Sake. An der Bar hat man einen Blick auf die Zutaten und den Koch bei der Arbeit. Die Schuhe werden im Eingangsbereich abgelegt. Leider ist das Vergnügen nicht ganz billig, 100 Franken pro Person sind hier schnell verschlungen.

Yokohama Noge: Ein weniger teures Restaurant
Etwas abseits liegt das Maruu Shouten san, das ebenfalls auf Sashimi, Sushi und weitere Meeres-Spezialitäten spezialisiert ist. In diesem Izakaya geht es oft extrem laut zu und her, das Restaurant ist ein beliebter Ort für Firmenparties und Nach-Arbeits-Umtrünke. Stimmungsvoll.

Nogecho Yokohama: Ein Shop
Der Uhrenladen Uchida Clock Shop steht im Ausgehviertel etwas quer in der Landschaft. Doch wer sich für die asiatische Tradition der Billig-Uhren und Rolex-Lookalikes (Stichwort: «Rorax») interessiert, wird im Angebot hier fündig. Auch seine Uhr kann man hier reparieren lassen. Der Laden scheint ein Überbleibsel aus der Zeit, als der Noge-Bezirk noch Heimat eines (Schwarz-)Marktes im Umfeld einer US-Militärbasis war.

Japan singt: Jetzt aber Karaoke!
Es gibt bezüglich lokaler Aktivitäten kaum etwas Japanischeres als mit ein paar Freunden eine Karaoke-Box zu mieten und zusammen die liebsten Hits zu singen. In der Nogenaka Strasse bietet Karaoke no Tetsujin schöne Kabinen für Gruppen und einen All-you-can-drink-Plan. Neben japanischen Songs sind für Deinen persönlichen Gig in Japan auch viele internationale Titel vorhanden. Die knappe deutsche Auswahl: «99 Luftballons» von Nena plus eine Handvoll Lieder von Rammstein, darunter der epochale Kracher «Sommer».

Eine Warnung für Novizen beim Thema japanisches Karaoke: Unbedingt die anfangs gebuchte Zeit einhalten. Zwei Stunden sind ein guter Rahmen. Kurz vor Ablauf kommt ein Anruf in die Box, um zu fragen, ob man verlängern will. Diese Verlängerungen sind viel teurer als der Grundpreis und eine Karaoke-Nacht kann so auch für eine kleine Gruppe schnell einmal hunderte Franken kosten.

Yokohama: Die Anreise zum Noge-Viertel
Von Tokio her: Alle zehn Minuten Fukutoshin Line ab Shinjuku Sanchome oder Ikebukuro Richtung Motomachi Chukagai ohne Umsteigen über Tokyu Toyoko Line ab Shibuya und Minatomirai Line bis nach Minatomirai (ab Shibuya ca. 40 Minuten 470 Yen, etwa drei Schweizer Franken). Danach gut zehn Minuten zu Fuss. Vom Hauptbahnhof Yokohama: U-Bahn oder JR Line nach Sakuragicho. 3 Minuten, die U-Bahn-Ausgänge South 2B und 7 führen direkt zum Eingang der Nogenaka Strasse.