Trips & Travellers

Die Inflationsrate In Kuba bewegt sich im Bereich von 50 Prozent pro Jahr. Das hat auch Auswirkungen auf das vom Schweizer Kurt Bieri betriebene Restaurant Van-Van in Havanna. Bilder: Daniel Gerber

«Es reicht, um 16 Arbeitsplätze zu sichern»

Daniel Gerber

Mit dem Restaurant Van-Van und dem Hostal Cuba sind Kurt Bieri und seine Partnerin Yoanis Linares 2016 erfolgreich ins Tourismusgeschäft in Havanna eingestiegen. Die Pandemie brachte dann das Geschäft praktisch zum Erliegen. Die Erholung verläuft harzig.

Vor 28 Jahren ist Kurt Bieri erstmals zum (Renn-)Velofahren nach Kuba geflogen. Dort hat er sich in die Fussball-Nationalmannschaftsspielerin, Yoanis Linares, und ins farbenfrohe, quirlige Leben auf der (einstigen) Zuckerinsel verliebt.

In den Jahren der Öffnung spekulierten die zwei auf zunehmende Touristenzahlen insbesondere aus den USA. Das Restaurant Van-Van, benannt nach der berühmten kubanischen Musikgruppe, wurde bestens besucht und beschäftigte 30 Mitarbeitende.

Die Kehrseite folgte mit der Pandemiezeit. Es gelang dem kubanischen Staat, mit rigorosen Methoden die Sterblichkeit tief zu halten. Jedoch kam das Tourismusgeschäft praktisch zum Erliegen und Kuba stürzte in eine Wirtschaftskrise mit hoher Inflation und Mangel an vielen Ecken und Enden.


Vor einem guten Jahr hast du dich hoffnungsvoll gezeigt in Bezug auf den Geschäftsgang. Zu Recht?

Kurt Bieri: Die Kubaner, so sagt man, und nun auch wir leben stets von der Hoffnung auf Besserung. Wir haben in diesem Geschäftsjahr zwar wieder mehr Umsatz verzeichnet als letztes Jahr, aber gesamthaft sind wir nun auf dem Stand von einem Drittel verglichen mit den besten Zeiten. Das erklärt sich damit, dass Kuba als Reiseland viel tiefere Gästezahlen hat, als vor der Pandemie und die Erholung schleppend verläuft. Neu schwankt aber die Auslastung unserer Betriebe viel mehr als früher, ohne dass wir dafür eine plausible Erklärung finden. Die Herkunft der Gäste ist vielfältiger. Im Herbst hatten wir viele junge Russen – entgegen dem Klischee übrigens sehr freundlich, sehr angenehm – Asiaten und Südamerikaner. Weihnachten bis Ostern kamen dann plötzlich viele Franzosen. Wir haben erfahren, dass gleich drei französische Reiseführer unser Restaurant in ihre Empfehlungsliste aufgenommen haben.

Wie sichert ihr die Qualität des Angebotes?

Das läuft primär über die Mitarbeitenden, die konstant gute Leistungen bringen und gerne bei uns bleiben. Allerdings sind mehrere Hunderttausend Kubaner im vergangenen Jahr hauptsächlich in die USA geflüchtet. Auch 14 von meinen früheren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern leben heute im Ausland, drei tragen sich mit dem Gedanken in diesem Jahr zu gehen. Das ist nicht gut für das Land, denn die, die grosse Ziele haben, die was bewegen wollen, die gehen. Gefüllt werden die Lücken über Empfehlungen der aktuellen Angestellten. Diese führen die neuen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ein und zeigen ihnen, was wie und wann gemacht werden muss. Nach einigen Probe-Arbeitstagen fällen wir dann die Entscheidung über eine Anstellung. Die Weiterentwicklung unseres Angebotes erfolgt auch, indem die Mitarbeitenden eigene Ideen präsentieren können. Diese werden gemeinsam besprochen, dann vielleicht etwas angepasst. Wenn sie effektiv in die Karte aufgenommen werden, dann macht das die Ideengeber stolz und sichert die Qualität.

Yoanis Linares und Kurt Bieri in ihrem stilvollen, farbgewaltigen Restaurant Van-Van in Havanna.

Aber jetzt kämpft ihr mit Inflation und Mangel. Welche Folgen hat das?

Die offiziell ausgewiesene Inflationsrate bewegt sich im Bereich von 50 Prozent pro Jahr. Doch gewisse Produkte, die wir brauchen, wie Zucker und Reis, haben sich im Preis verdoppelt. Noch markanter war der Preisansteig beim Öl. Doch das hat sich mittlerweile korrigiert. Der Staat erlaubt neuerdings Privatimporte, selbstverständlich staatlich kontrolliert und mit Importsteuern belastet. Diese Privaten wollen die hohen Preise ausnützen, helfen damit aber den Nachfrageüberhang zu verringern und das führt dann zu sinkenden Preisen und teils fast zu einem Überangebot, wie aktuell beispielsweise beim Bier.

Grundsätzlich kann man in der Hauptstadt fast alles finden, die Frage ist einfach wo und zu welchem Preis. Früher war einer unserer Mitarbeiter praktisch den ganzen Tag damit beschäftigt Lieferanten für das Nötige zu finden. Kubaner sind fast zwangsläufig gute Problemlöser. So läuft heute beim Einkauf viel über das Internet. Und neuerdings haben wir einen privaten Unternehmer engagiert, der den Einkauf für zirka 10 Restaurants erledigt. Da bestellen wir am Vortag und kriegen die Lieferung ziemlich pünktlich am Folgetag.

Aber natürlich ist die Kalkulation schwierig geworden. Als Folge davon mussten wir unsere traditionellen Schallplatten, die Bilder der Menus mit den Preisen zeigten, ersetzen durch eine normale Papier-Preisliste. Die kann ich bei Bedarf am Computer schnell ändern. Aber immerhin präsentieren wir diese Liste mit etwas kubanischer Kunst als Menuhalter.

Die Lebensfreude kommt und geht mit der Anzahl der Gäste, sagt Kurt Bieri.

Denkt ihr hie und da ans Aufgeben?

Das ist nicht so einfach, insbesondere auch vom finanziellen Aspekt her. Wir haben hier viel investiert in unser Restaurant, aber auch in unsere schönen Gästezimmer. Aktuell sind die Immobilienpreise am Boden, wir würden bei einem Verkauf viel Geld verlieren. So ist es für uns das Beste, das Geschäft einfach weiter laufen zu lassen. Es ist alles gut organisiert, so dass ich nicht eingebunden bin in ein Zeitkorsett. Ich habe viele Freiheiten, weil ich über meine Arbeitszeit frei bestimmen kann. Ich muss einfach dafür sorgen, dass «auäs chli am loufä bliibt». Wir sind zudem zu einer Art Anlaufposten für Schweizer und Deutsche geworden, die den Gedankenaustausch schätzen und denen wir bei Problemen (meist) helfen können. Das beschert mir täglich interessante Gespräche.

Also ist die Lebensfreude und Faszination für Kuba weiterhin vorhanden?

Die Lebensfreude kommt und geht mit der Anzahl der Gäste. Wenn diese zufrieden gehen, dann macht das Freude. Wenn sie mehrmals kommen, dann macht das auch stolz. Aber die Lebensfreude hat in den Krisenzeiten schon gelitten. Heute sind wir froh, wenn wir nicht drauflegen. Wir sind stolz, wenn wir für 16 Mitarbeitende und ihre Familien mit einem sicheren Lohn eine Lebensgrundlage bieten können.

Für mich ist und bleibt Kuba ein faszinierendes Land. Auch wenn wir hier über Wirtschaftsprobleme gesprochen haben, so spüren die Pauschalreisenden davon nicht sehr viel. Sie werden vielleicht beobachten, dass die Polizei sehr präsent ist. Das macht Kuba für die Touristen aber zu einem der sichersten Länder in Mittel- und Südamerika. Pingelige Leute werden bezüglich Organisation und Perfektion oft Verbesserungspotenzial orten. Aber das wird kompensiert durch unvergessliche Eindrücke. Kuba ist ein sehr spezielles, farbenfrohes und vor Lebendigkeit sprühendes Land, das niemand unberührt lässt!


Anfang Juni reist der gebürtige Schüpfheimer Kurt Bieri mit Yoanis Linares zurück in die Schweiz. Dort freuen sie sich auf das Wiedersehen mit der gemeinsamen Tochter, die soeben das KV mit einer prima Gesamtnote abgeschlossen hat. Kurt freut sich aber auch auf die Berge und aufs Velofahren. Er werde wieder lange Touren fahren wie früher. Allerdings mit dem E-Bike, meint er mit einem Schmunzeln. Zurück nach Kuba geht es im Herbst, wenn die Auslastung der Edelweiss, die Direktflüge anbieten wird, und die Reservierungen für das eigene Hostal, wieder anziehen.

Kurz nach dem Einnachten zeigt sich Habana Vieja eigentümlich leer. Es fehlen die unternehmungslustigen Menschenmassen, es fehlt die Musik, es fehlt die so typische Betriebsamkeit.

Kurz nach dem Einnachten zeigt sich Habana Vieja eigentümlich leer.