Trips & Travellers

Die Basilicata, hier in Matera, verfügt über wunderbare Landschaften und Berge, kulinarische Schätze wie Ricotta und Peperoni Crusci, malerische Dörfer und wunderbare Gastgeber. Bild: SSI

Einwurf So war Gastfreundschaft wohl früher mal

Sarah Sidler

Der Besuch in der Basilikata hinterliess bei unserer Autorin einen nachhaltigen Eindruck, wie grosszügig, zuvorkommend und herzlich man als Gast auch heute noch empfangen werden kann.

Kürzlich hatte ich die Gelegenheit, auf einer Studienreise die Basilikata zu besuchen, auch «der blinde Fleck Italiens» genannt. Obwohl die Provinz neben dem touristisch stark frequentierten Apulien liegt, findet der Tourismus in dieser Gegend kaum statt. Das Städtchen Matera ist vielen zwar ein Begriff. Doch wird die drittälteste noch bewohnte Stadt Italiens, Unesco-Weltkulturerbe und Schauplatz des neusten James-Bond-Films «Keine Zeit zum Sterben», oft nur während eines Tagesausflugs von Tourismushochburgen aus Apulien besucht.

Das verwundert und ist schade, verfügt die Gegend doch über wunderbare Landschaften und Berge, verschiedene Naturschutzgebiete, kulinarische Schätze wie Ricotta und Peperoni Crusci, malerische Dörfer, viel Kultur und wunderbar unverbrauchte Menschen und Gastgeber.

Wann haben Sie es das letzte Mal erlebt, dass Sie in einem Hotel wirklich persönlich erwartet wurden? Dass die Hoteldirektorin Sie beim Eintreten ins Haus so freudig begrüsst, dass man beinahe des Gefühl hat, man trifft eine alte Freundin wieder? Klar, Italien ist gastfreundlich. Aber auf dieser Reise führten uns Bürgermeisterinnen stolz durch ihre Dörfer und schlossen Türen auf, welche sonst verschlossen bleiben. So durften wir bezaubernde alte Gebäude entdecken. Freiwillige, welche sich für den Erhalt eines alten Klosters einsetzten, umarmten uns spontan bei der Verabschiedung, weil sie merkten, dass wir wirklich interessiert an der Geschichte ihrer Vergangenheit waren.

«Sehnen wir uns nicht alle ein wenig nach dieser echten Herzlichkeit?»

Als ein Dorfbewohner hörte, dass wir aus der Schweiz kamen, wurden wir kurzerhand in ein sehr sympathisches Gespräch verwickelt. Ein Secondo war freudig überrascht, plötzlich schweizerdeutsch in seiner Gasse zu hören, so dass er uns kurzerhand zu einem Kaffee in sein Restaurant einlud. Daraus wurde ein veritabler Apéro, der uns die Zeit vergessen liess.

Auch der Besitzer eines Hotels liess es sich nicht nehmen, uns grosszügig zu bedienen, nachdem er uns seine Zimmer gezeigt hatte. Verschiedene Prosecchi mussten degustiert werden. Dazu servierte er feine Oliven, Mandeln, Panini mit frischem Ricotta und weiteren Spezialitäten der Provinz Basilikata. Er wollte uns einfach nicht gehen lassen.

So kamen wir auf dieser Reise ständig zu spät. Und niemand störte es. Selbst wir pflichtbewussten und stets pünktlichen Schweizer genossen diese Gastfreundschaft so sehr, dass uns Termine und Pünktlichkeit für einmal zweitrangig erschienen. Ein schönes Gefühl, wenn man sich wieder einmal so treiben lassen kann, weil man sich einfach gut aufgehoben fühlt.

Sehnen wir uns nicht alle ein wenig nach dieser echten Herzlichkeit? Nach Menschen, die sich noch Zeit nehmen für Gäste, besonders im Ausland? Welche uns überraschen? Sind wir auf Reisen nicht alle irgendwie auf der Suche nach genau diesen Erlebnissen und möchten von Einheimischen herzlich willkommen geheissen und in ihre Welt entführt werden? Mit dem Trend Slow Tourism sollen solche Erlebnisse wieder möglich werden. Ich bin gespannt. Oder reise einfach wieder in die Basilikata.