Trips & Travellers

Velo-Abenteuer: Diese vier Touren sind nicht von der (Fahrrad-)Stange
Christian HaasSoviel vorab: Ja, es wird auch Regen geben. Durchaus mal längeren. Und vermutlich auch Nebel, Kälte und Wind. Aber mit Sicherheit auch Rückenwind, Sonne und mystische Wolkenstimmungen. Kurz: Wer nicht nur für ein paar Stunden bei optimalen Bedingungen im Sattel unterwegs ist, sondern über Wochen, der kriegt in der Regel das volle Wetterprogramm ab.
Und nicht nur das. Ebenso sämtliche mentalen, körperlichen und ausrüstungstechnischen Höhen und Tiefen einer Langzeitreise. Damit sich Irrwege in Grenzen halten, helfen Karten, Gespräche und Wegweiser. Die grobe Richtung der Tour sollte man jedoch schon vor der Reise klären. Wir haben da ein paar Ideen für ausdauernde Radler…
Italien: Ab in den Süden!
Reiseziele erleiden zuweilen dasselbe Schicksal wie Miniröcke oder Schlaghosen. Eine Weile der Renner, kommen sie aus der Mode, nur um dann einige Zeit später ihre Auferstehung zu feiern. Ein bisschen so ergeht es auch der italienischen Adriaküste. Der lang als Teutonengrill geschmähte Küstenabschnitt zwischen Triest und Ancona hat in den vergangenen Jahren eine verstärkte Nachfrage erfahren, inklusive Imagewandel. Immer mehr Gäste merken, dass es auch abseits der klassischen Hot Spots etwas zu entdecken gibt, von kulturellen Kleinoden über charmante Dörfer bis hin zu unerwarteten Bergkulissen bis zum Meer, siehe Marken.
Am schönsten lassen sich all diese Aspekte auf zwei Rädern er-fahren, dachten sich italienische Velofreunde und kreierten vor wenigen Jahren gleich eine neue Route – in XXXL. Der Name: Ciclovia Adriatica. Dabei führten sie den «EuroVelo 8»-Radweg zwischen Triest und Venedig einfach gen Süden fort, immer mehr oder weniger am Meer entlang. Das war ordentlich Arbeit, sind es doch von der slowenischen Grenze über Venedig und Bari bis Santa Maria di Leuca am südlichsten Punkt des Stiefelabsatzes knapp 1800 Kilometer. Das Gute: Je südlicher Radler kommen, desto untouristischer und authentischer wird‘s. Und wärmer. Sommerfeeling schon im März und April!
Weitere Infos zur Route der Adria entlang gibt es hier.

Frankreich: Vom Atlantik zum Rhein
Auch wenn ein Flussradweg wahrlich nicht immer am Fluss entlangführt, sondern durchaus mal Umfahrungen und Steigungen bietet, lassen sich solche Fernwege doch im Grossen und Ganzen vergleichsweise leicht meistern. So gesehen ist der an Loire, Rhein und Donau entlangführende «EuroVelo 6» ein Top-Tipp für Freunde des relaxten Cruisens – und ein empfehlenswerter Einstieg für Langstreckenradler, zumal er vergleichsweise schnell erreichbar ist. Doch von allein fährt es sich eben auch nicht, es braucht Ausdauer und (viel) Zeit. Schliesslich verbindet Europas längster Radwanderweg den Atlantik mit dem Schwarzen Meer. Macht rund 4450 Kilometer!
Was aber tun, wenn Zeit und/oder Beinschmalz für die Durchquerung von zehn Ländern fehlen? Dann pickt man sich eines raus. Eine formidable Wahl stellt die Passage quer durch Frankreich dar, von Nantes in der Bretagne bis an die schweizerische Grenze; nicht nur wegen der abwechslungsreichen Landschaften, sondern ebenfalls wegen der Kulinarik. Auch nüchtern betrachtet berauschen insbesondere der Weg durch das Doubs-Tal und am ruhigen Rhein-Rhône-Kanal entlang. Richtig in Fahrt gekommen bleibt man einfach im Sattel.
Hinter Basel geht es entspannt weiter, erst bis zum Bodensee und dann die gesamte Donau entlang, vorbei an Budapest, Belgrad, Bukarest. Grosses Finale: das grandiose Donaudelta bei Constanta.
Weitere Infos zur Tour quer durch Europa gibt es hier.

Montenegro: Balkan, Berge, Bilderbuch-Buchten
Die Filmszene, als James Bond in Montenegro erst im Casino Royale pokert und dann die Schönheiten der Küste erkundet, ist weltbekannt. Vor allem Letzteres taten etliche Reisende 007 gleich. Die Folge: ein Boom von Badehotels und Super-Marinas. Der grösste Teil des Adria-Landes aber ist ein einziges, kaum entdecktes Trail-Traumland. Outdoor-Enthusiasten haben da die Lizenz zum Austoben, insbesondere Biker mit Hang zum Hang. Mehr als 150 wenig erschlossene Zweitausender beheimaten knackige Pisten und entlegene Almwege, die Adrenalinjunkies Freudentränen in die Augen und Schweiss aus den Poren treiben.
Auf ihrem Weg durch den Durmitor-Nationalpark und vier weitere sollten sie sich indessen um genug Wasser und Foto-Speicherkarten kümmern sowie mitunter um Unterkünfte in den verschlafenen Dörfern (Tipp: die «Montenegro Bed & Bike»-Betriebe). Autarke Abenteurer haben eh ihr Zelt dabei, die «Wilderness Biking Montenegro»-Karte sowieso. Die kombiniert fünf Strecken des 3000-Kilometer-MTB-Trailnetzes zu einer Top-Runde. Auf der liegen mit der Tara-Schlucht Europas tiefster Canyon sowie der grösste See des Balkans, der Skutarisee. Von dem ist es nicht weit zu herrlichen Adria-Buchten. Ein Quantum Trost für alle, die sich nach den Bergetappen etwas Entspannung wünschen. Oder eine Runde Pokern.
Weitere Infos für die Tour durch Montenegro gibt es hier.

Chile: Ans schönste Ende der Welt
Wenn es etwas weiter weg sein darf, empfiehlt sich (erst recht, wenn in Europa noch kühlere Temperaturen vorherrschen) ein echter Dauerbrenner unter Globetrottern: Feuerland. Vor allem weil es der Weg dorthin in sich hat. Für Segler gilt Kap Hoorn als Inbegriff stürmischer Abenteuer, bei Auto- wie Radfahrern hingegen lautet das Zauberwort «Carretera Austral». Bei dem in den 70er-Jahren unter dem chilenischen Diktator Pinochet begonnenen Mammutprojekt handelt es sich um eine weitgehend unbefestigte Fernstrasse, die den Grossen Süden Chiles durchquert.
Um ganz nach Feuerland im Süden Südamerikas zu gelangen, muss man zwar mangels Strassenfertigstellung auf die argentinische Seite wechseln, doch ganz ehrlich: Die rund 1300 Kilometer lange Strecke zwischen den Ortschaften Puerto Montt und Villa O'Higgins bringt mehr als genug spektakuläre Eindrücke mit sich. Schliesslich radelt man an zerklüfteten Fjorden, Gletschern und rauchenden Vulkanen vorbei, ergötzt sich an einer fantastischen Seenlandschaft und schneebedeckten, rauen Gipfeln, überquert reissende Flüsse und pedalt durch Regenwälder sowie die patagonische Pampa.
Und wer dann immer noch nicht genug hat, hängt noch den XL-Abschnitt bis Ushuaia auf Feuerland dran oder zumindest eine Hike-and-bike-Exkursion in den Nationalpark Torres del Paine. Chiles bekanntester Park setzt mit seinen hoch aufragenden Felsnadeln und den blau leuchtenden Eisbergen, die sich immer wieder von den Gletschern abspalten, noch eins drauf.
Weitere Infos für die Tour durch Chile gibt es hier.
