Trips & Travellers
Venedig im Winterzauber
Prächtige Paläste, romantische Gondeln und Strassen aus Wasser - Venedig ist zu allen Jahreszeiten eine Reise wert. Der einzigartige Reiz der Lagunenstadt zeigt sich bereitwillig jedem Besucher, jeder Besucherin, ob für eine Tagesvisite oder auch länger. In den Wintermonaten aber gewährt die Stadt einen kleinen Einblick in ihr Innerstes, in den Teil, den sie normalerweise verborgen hält vor den Massen der Tages- und Rucksacktouristen. Wir haben die fünf schönsten Winteraktivitäten zusammengestellt.
Eine Winterrundfahrt durch die Kanäle
Warm glänzt das rötlich-braune Holz des Bootes in der tief stehenden Sonne. Hat es vielleicht schon George Clooney zum Lido gebracht? Hübsch genug wäre es. Galant reicht Fahrer Gianni die Hand zum Einsteigen. «Geht nach hinten und schiebt das Verdeck auf», brummt er freundlich. Er weiss, was Touristen mögen, auch wenn er selbst sich lieber hinter die schützende Plastikplane zurückzieht; er kennt seine Kanäle ja. Ein kurzes Nicken und dann: Leinen los. Venedig zu Fuss ist schon beeindruckend und vom Traghetto, dem Wasserbus aus, bietet es eine andere Perspektive. Aber ein Boot für sich alleine zu haben, das durch die vergleichsweise ruhigen Kanäle, die Rii gleitet, ist ein Erlebnis für alle Sinne.
Gondeln mit fröhlich kichernden Asiatinnen ziehen vorbei, die Gondolieri natürlich mit schwarz-weissen Ringelpullovern. Einige singen alte italienische Gassenhauer oder sind das dann Kanalhauer? Die Luft riecht nicht wie in den Sommermonaten leicht faulig, sondern meerig und frisch, Möwen segeln kreischend umher und die Sonne im Kanalwasser spiegelt fahl glänzende Wellen auf die Häuserfassaden. Beim ruhigen Gleiten durch den Canal Grande präsentieren die prachtvollen Fassaden ihre ganze Schönheit. Für die Wasserseite sind sie erbaut worden, die Hintereingänge nutzte nur das Personal. Gesellschaftlicher Besuch wurde in Gondeln und Booten gemacht.
Viel zu sehen gibt es in den schmalen Seitenkanälen. Da ist ein Krankenhaus mit Ambulanzbooten und die Polizeiwache, deren Einsatzfahrzeuge an Masten schaukeln, sogar eine Krippe mit lebensgroßen Figuren ist noch auf einem Wasserbalkon zu erspähen. Bäckereien pusten verlockende Backdüfte übers Wasser und überdecken den Geruch der Müllabfuhr. Diese vollbringt wahre Wunder an Balance und Logistik beim Beladen der flachen Boote.
Linkerhand wird in einer Gondelbauwerkstatt fachmännisch das Material für eine neue Gondel geprüft. Aus sieben verschiedenen Hölzern werden sie hier originalgetreu gefertigt. Die typischen Gondolieri-Hüte früherer Kunden hängen wie Trophäen an den dunklen Holzwänden. Freundlich winken die Squeraroli, wie die Gondelbauer heißen, Gianni zu und fast fühlt man sich ein bisschen dazugehörig.
Gegen das Wintergrau: Ein Besuch in Burano
Ein farbiges Kontrastprogramm zu Venedigs morbidem Charme ist die Insel Burano östlich von Venedig. Natürlich kann man sich auch mit dem Wassertaxi fahren lassen, jedoch sind die öffentlichen Verkehrsmittel zeitnah aufeinander abgestimmt und gerade im Winter eine lohnende Alternative. Warten muss um die Jahreszeit niemand, im Gegenteil, Fahrer und Schaffner kennen ihre Gäste, fragen nach der Familie und halten gerne kleine Schwätzchen oder helfen beim Ein- und Aussteigen. Angekommen in Burano erwarten den Besucher neben einem schiefen Turm, der Pisa alle Ehre machen würde, Häuser in kräftigen Regenbogenfarben. Die sind keineswegs farblich aufeinander abgestimmt, sondern im wahrsten Sinne des Wortes bunt gewürfelt.
Bei einem Bummel entlang der ruhigen Kanäle gewinnt man den Eindruck, dass die Bewohner die Farbigkeit ihrer Häuser noch durch liebevolle Details in Fensterrahmen oder vor den Haustüren ergänzen und hervorheben möchten. Selbst die Wäsche, die zum Trocknen aushängt, fügt sich in die Farbenpracht.
Ist Murano für sein Glashandwerk bekannt, so gibt es in Burano besonders schöne Spitzenweber- und Klöppelarbeiten. In der Fussgängerzone reihen sich Geschäfte mit Handarbeitswaren und Aquarellen aneinander, dazwischen gibt es einladende Trattorien und Bars. Genau der richtige Ort, um einen Cappuccino in der Wintersonne zu geniessen.
Ein Strandspaziergang am Lido
Auf dem Rückweg nach Venedig bietet sich ein Halt am Strand von Venedig an. Der Lido di Venezia ist vor allem für zwei Dinge bekannt: die Filmfestspiele und die luxuriösen Strandhotels. Bei einem Bummel durch Europas älteste Strandbäder, vorbei an der beeindruckenden Fassade des Hotel Excelsior, flaniert im Geiste Marlene Dietrich in ihren berühmten weiten Hosen vor einem über den Strand und Thomas Mann hält kurz mit dem Schreiben des 'Tod in Venedig' inne, um zu winken. Fans von George Clooney können sich immerhin vorstellen, dass auch er hier gewandelt sein könnte, während er zu Gast im Excelsior war.
Wem das alles zu romantisch ist oder das Meer mit seinen Winterwellen zu wüst, der findet in der Hauptstrasse, der Gran Viale Santa Maria Elisabetta Boutiquen, Restaurants und Bars, alles in gemächlicher und gemütlicher Stimmung. Aber aufgepasst: Hier dürfen Autos fahren.
Schatten im Winter: Venedigs Bàcari
Ombra, Schatten braucht es bei einem Winterbesuch in Venedig zwar nicht, weil es aber der Kosename für die kleinen Gläser mit Wein in den Bàcari, den typischen venezianischen Bars ist, sind sie dennoch hoch willkommen. Sollte das Wetter tatsächlich mal nicht so schön sein, ist genau der richtige Zeitpunkt für einen oder mehrere Besuche in den traditionellen Weinbars. Gemütlich bei einem Glas einfachen Rot- oder Weißwein schmecken die Cicchetti, kleine Happen, belegte Toasts oder Frittiertes besonders gut. Jede Bar hat da ihre ganz eigenen Rezepte, oft noch von der Nonna und fast immer geheim. Die venezianische Spezialität Sarde in saor, eingelegte Sardinen mit Zwiebeln, Rosinen und Pinienkernen stehen aber fast überall auf der Karte und sollten unbedingt probiert werden. Ombra und Ciccetti haben nichts mit einem Mittag- oder Abendessen zu tun, eher mit einem ausgiebigen Aperitif. Die beste Zeit ist zwischen fünf und acht Uhr abends. Bàcari, abgeleitet vom Weingott Bacchus gibt es viele, jedes der sechs venezianischen Viertel, der Sestieri, schwört auf seine eigene Bar und es ist ein ausgesprochen angenehmes Unterfangen, herauszufinden, welche einem am besten gefällt.
Harrys Bar in der Calle Vallaresso fällt zwar nicht in die Kategorie der bàcari, jedoch ist der weltberühmte und liebevoll zubereitete Bellini, durchaus ein schöner (und nicht ganz günstiger) Einstieg oder Abschluss einer solchen Schattentour.
Kultur ohne Anstehen: Der Dogenpalast und San Marco
Wer hat bei vierzig Grad schon Lust auf Kultur und langes Stehen in der Sonne? In den Wintermonaten sind die Sehenswürdigkeiten zwar nicht leer, jedoch deutlich einfacher zugänglich als zu jeder anderen Jahreszeit. Also los: Der Dogenpalast verdeutlicht mit seinen immensen Raumdimensionen, Gemälden und Ausschmückungen den früheren Reichtum der freien Lagunenstadt. Wer nicht unter Klaustrophobie leidet, sollte sich die berühmten Kerker und den Gang durch die Seufzerbrücke nicht entgehen lassen. Wie nahe Prunk und Pein beieinander liegen, wird hier auf beeindruckende Art und Weise klar
Und weil Macht und Kirche sich ebenfalls lieben, liegt der Markusdom, San Marco auch direkt neben dem Dogenpalast. Wer glaubt, der Petersdom oder der Dom zu Florenz seien reich geschmückte Kirchen, wird in Venedig eines Besseren belehrt. Beide Baudenkmäler wetteifern, den Spruch über Glanz und Gold zu widerlegen: Dort ist alles, was glänzt, aus purem Gold. Und es glänzt eigentlich überall.
Nach so viel Pracht und Geschichte ist eine heiße Schokolade im berühmten Caffè Florian am Markusplatz der ideale Abschluss. Bei den Preisen kann sich fast ein jeder wie ein Doge fühlen.