Trips & Travellers

Seit 36 Jahren eine der gewichtigsten Stimmen in der Sparte Reisen und Tourismus hierzulande: Christoph Ammann. Alle Bilder: Jacqueline Vinzelberg

Christoph Ammann, wie hast du das geschafft?

Gregor Waser

Die berufliche Karriere als Angestellter geht für Christoph Ammann in diesen Tagen zu Ende. In den letzten zwölf Jahren bereiste der Reisejournalist die Welt als Blinder. Travelnews hat ihn über faszinierende Reiseziele, den Wandel der Medien und seinen persönlichen Weg befragt.

Am 22. Dezember 2022 feiert Christoph Ammann seinen 65. Geburtstag. Damit endet seine berufliche Karriere als Angestellter. Ammann gehört seit 36 Jahren zu den wichtigsten journalistischen Stimmen in der Sparte Reisen und Tourismus hierzulande. Und er hat in dieser Zeit viel erlebt und eine grosse persönliche Herausforderung gemeistert.

Aufgewachsen ist Ammann im Norden des Kantons Zürich, wo er heute wieder lebt, in Marthalen. Ursprünglich absolvierte er 1983/84 die Ringier-Journalistenschule und ein Volontariat bei den «Schaffhauser Nachrichten». Dann heuerte er 1986 beim «Sonntagsblick» an, zunächst als Nachrichtenredaktor, um wenig später die vakante Stelle als «Reisemensch», wie er sagt, zu übernehmen, dies ohne touristischen Background. 1996 wechselte er zur «SonntagsZeitung» und betreute ab dann bis heute die Reiseseiten, die letzten acht Jahre auch jene des «Tages-Anzeigers».

Der Wunsch, eines Tages Journalist zu werden, habe er schon als Teenager in Gymnasium-Zeiten gehabt. Bereits nach der Matura hat Ammann dann als freier Journalist für Lokalzeitungen etwa über Fussball geschrieben und war fünf Jahre Medienchef beim FC Winterthur auf der Schützenwiese.

Unglaubliche Entwicklung Dubais

Auf seine Karriere als Reisejournalist angesprochen, sagt Ammann, er habe das Privileg gehabt, an ganz tolle Ziele reisen zu können, er nennt die Mongolei, Safaris in Südafrika, eine Antarktiskreuzfahrt. Eine Destination, die ihn immer wieder verfolgt habe, sei Dubai. «Ganz am Anfang meiner Reisejournalisten-Laufbahn habe ich 1986 Dubai besucht. Damals war Dubai ein Städtli mit wenigen Hotels», erzählt er, einige Kamele seien zwischen verrosteten Autos herumgetrottet. Etliche Male habe er Dubai seither besucht und die unglaubliche Entwicklung der letzten drei Jahrzehnte verfolgt.

Der Reisejournalismus habe sich stark verändert in all den Jahren. In den 80er- und 90er-Jahren hätten die grossen Zeitungen bei Bedarf auch Mittel gehabt, um die Auslandreisen selber zu bezahlen, entsprechend kritischer sei die Berichterstattung damals ausgefallen. Heute erfolgen die Pressereisen auf Einladung, was den Spagat mit sich bringe, journalistisch zu arbeiten, aber dem Einladenden eine gewisse Leistung zu bieten, indem man die Destination vorstelle. Es sei ihm aber bis heute gelungen, hinter die Kulissen zu blicken und keine Hofberichterstattung zu betreiben.

Eine besondere Faszination übten die Länder Asiens auf Christoph Ammann aus: «Früher war ich sehr oft in Asien unterwegs, in Malaysia, Hongkong, Indonesien, Thailand. Diese Länder und Lebenswelten haben mich immer stark interessiert.» Und wenn man eine Destination besser kenne, gehe man auch gerne wieder dorthin, erweitere seine Kenntnisse und bereist diese Länder intensiver als andere, in denen man noch nie war.

Vertiefte Kenntnisse hat sich Ammann in seiner Karriere auch über die Hotellerie angeeignet, er kennt viele Hoteliers, Veränderungen bei den Hotelketten und die neuen Konzepte. Jüngst aufgefallen ist ihm, dass die Hotellerie verstärkt segmentiere: «Viele Hotels fokussieren auf eine klare Kundschaft, richten ihre Konzepte etwa in den Bergen verstärkt auf jüngere Leute, Outdoor-Freaks und digitale Nomaden aus.»

«Nachdem ich den Anfangsschock überwunden hatte, stürzte ich mich in das neue Leben.»

Wegen der seltenen Erbkrankheit Retinitis Pigmentosa verlor Christoph Ammann ab 2005 schleichend, 2010 dann vollständig sein Augenlicht. Trotzdem schaffte er es, seine Karriere als Reisejournalist erfolgreich weiterzuführen. Wie hat er das hingekriegt, technologisch und bezüglich Motivation und Support? «Dank den heutigen technischen Möglichkeiten war das gar nicht so schwierig. Dabei vergesse ich manchmal, dass ich blind bin. Auf dem Notebook habe ich eine Anwendung, die mir alles vorliest. Ich schreibe nicht mehr über die Augen, sondern über das Gehör, das ist überhaupt kein Problem, auch die E-Mail-Kommunikation funktioniert gut.» Tiefgreifende, schwierige Internet-Recherchen seien weniger seine Sache, das Web sei noch nicht so barrierefrei, wie man sich das wünscht.

Psychisch sei er wohl eher einfach gewickelt, für ihn sei das Glas stets halbvoll. «Nachdem ich den Anfangsschock überwunden hatte, stürzte ich mich in das neue Leben.» Gleichzeitig habe er sehr viel Support erhalten. Die SVA bezahlte seinem Arbeitgeber Tamedia einen namhaften monatlichen Betrag für Assistenz, seine Familie unterstütze ihn sehr, auch Kolleginnen und Freunde.

Auf die Frage, wie das überhaupt gehe, ohne Augenlicht all die vielen Eindrücke auf einer Reise aufzufangen, antwortet Ammann: «Ich habe meine Berichterstattung anders fokussiert und statt über die Farben des Sonnenuntergangs zu schreiben, nehme ich mich Personen an, beleuchte Hintergründe und habe meistens jemanden dabei, der mir die Eindrücke und Details beschreibt.» Das funktioniere mit einigen Ausnahmen meist ganz gut, er habe es wohl geschafft, seinem Journalismus ein eigenes Gepräge zu geben.

«Heute habe ich viel weniger Vorurteile als früher.»

Neugierig macht auch eine frühere Aussage von Christoph Ammann, «Blindheit entbindet vor optischer Ungerechtigkeit» – wie er denn das gemeint habe? «Früher habe ich die Menschen eher nach ihrem Aussehen beurteilt und daran festgemacht, ob einem jemand sympathisch oder unsympathisch ist. Heute spüre ich die Aura eines Menschen oder wie sich jemand gibt. Da kommt sehr viel rüber. Insgesamt habe ich viel weniger Vorurteile als früher.»

Mit dem Karriereende als Angestellter per Ende 2022 stellt Christoph Ammann seine berufliche Tätigkeit aber nicht ein. Was hat er im neuen Jahr vor? «Bei der SonntagsZeitung übergebe ich in diesen Tagen die Leitung der Reiseseiten an Paulina Szczesniak, sie ist meine Nachfolgerin, ich scheide aus dem Tagesgeschäft aus, werde aber weiterhin fünf Reisebeilagen im Jahr im Mandat betreuen – wie auch weitere Aufträge annehmen, da bin ich offen.» Um dann anzufügen: «Es darf gerne etwas ruhiger werden, aber als Blinder muss ich schauen, dass ich beschäftigt bleibe. Meine Hobbys sind nicht zahlreich, über eine Modelleisenbahn verfüge ich nicht.» Der Journalismus fülle ihn weiter aus, langweilig werde es ihm nicht.