Trips & Travellers
Relais & Châteaux: kulinarische Höhenflüge gepaart mit Nachhaltigkeit
Artur K. VogelDas Menü war verlockend: Saibling und Flusskrebs aus einer Zucht in Zweisimmen im Berner Oberland, Reh aus Samnaun, Weiderind vom Loohof in Regensberg ZH, Quitte aus dem Garten des Lenkerhof Gourmet Spa Resort, Trüffel, gepickelte Pfifferlinge, Zwiebeln, Birnen aus der Gegend.
Was da am Abend des 2. November im eleganten, aber familiären Rahmen der «Krone Regensberg» mitten im mittelalterlichen Städtchen aufgetischt wurde, war kein zufällig zusammengewürfeltes Abendessen. Denn erstens standen drei Spitzenköche am Herd: Alessandro Mordasini von der «Krone» selbst (15 Punkte Gault&Millau), Bernd Fabian von der «Chasa Montana» in Samnaun GR (16 Punkte Gault&Millau, ein Michelin-Stern) und Stefan Lünse vom «Lenkerhof» an der Lenk im Simmental (17 Punkte Gault&Millau).
Und zweitens sollte mit dem Event das Engagement von Relais & Châteaux für regionale Erzeuger, für Biodiversität und nachhaltige, regenerative Landwirtschaft demonstriert werden, wie Melanie Frey ausführte. Sie ist die Direktorin der Delegation Schweiz von Relais & Châteaux, der sowohl «Krone» als auch «Lenkerhof» und «Chasa Montana» sowie gut 20 weitere Häuser von Genf bis Samnaun angehören. Dazu folge man lokalen Traditionen und baue enge Beziehungen zu den örtlichen Landwirten, Jägern und Fischern auf, sagt Melanie Frey.
Regionalität wird dabei nicht stur ausgelegt, wie Bernd Fabian erklärte: «Wir kaufen regional ein. Aber Samnaun liegt am Rand der Schweiz, und Regionalität kennt keine Landesgrenzen.» So verarbeitet Fabian jeweils im Herbst 15 bis 20 ganze Wildtiere - Gams, Steinbock, Reh, Hirsch -, die ihm von lokalen Jägern geliefert werden. Die Äpfel hingegen stammen aus dem benachbarten Südtirol, Crevetten aus einer Zucht bei Innsbruck im ebenso nahen Tirol.
Stefan Lünse vom «Lenkerhof» erläutert die Story hinter den Quitten: «Sie stammen von sechs Bäumen im Hotelgarten; die Köche haben sie selber gepflückt, 150 Kilo, denn in diesem Jahr gediehen die Quitten prächtig.» In seiner Küche wurden die Früchte dann verarbeitet. Der Alpkäse, den Lünse von der Lenk mitbrachte, stammt ausschliesslich von Alpen im Berner Oberland. Dort wird der Käse im Sommer nach traditioneller Methode in Kupferkesseln über dem Holzfeuer hergestellt und im Herbst mit dem Alpabzug hinunter ins Tal gebracht, wo er dann weiter reift.
Schonend und verantwortungsvoll
Relais & Châteaux bemüht sich seit langem um Regionalität, Nachhaltigkeit und Natürlichkeit. Zum sechsten Mal schon hat sich die internationale Vereinigung von 580 hochstehenden Hotels und Restaurants in 65 Ländern diesen Herbst mit der Bewegung Slow Food für die jährliche Kampagne «Food for Change» zusammengeschlossen.
Edward Mukiibi, Präsident von Slow Food International, erläutert die hochgesteckten Ziele der Kampagne: «Regenerative Praktiken können unsere Lebensmittelsysteme verändern, die Integrität des Bodens wiederherstellen, unsere Gemeinschaften ernähren und den Klimawandel verlangsamen. Der Ansatz multinationaler Konzerne führt zur Zerstörung der biologischen Vielfalt und zum Verlust von Traditionen. Der richtige Ansatz hingegen ist differenziert und beruht auf den Erfahrungen lokaler Erzeuger und den umweltfreundlichen Entscheidungen und Verhaltensweisen der Menschen.»
Regionalität grossgeschrieben
Um die Umsetzung dieser Ansprüche konkret zu erfahren, bin ich ins Berner Oberland gereist und haben die drei Hotels besucht, die dort der Vereinigung angehören: die zwei 4*-superior-Häuser «Waldhotel Doldenhorn» in Kandersteg und «Bellevue Parkhotel & Spa» in Adelboden sowie das schon erwähnte «Lenkerhof Gourmet Spa Resort», ein 5*-superior-Hotel.
Alle drei Betriebe bestechen durch ihr qualitativ überzeugendes kulinarisches Angebot. Und in jeder Küche wird Regionalität gross geschrieben. Die erste Nacht verbringen wir im «Doldenhorn» in Kandersteg. Dass das rustikale, aber elegante und idyllisch am Waldrand weitab vom Dorf gelegene Haus im Chaletstil einst ein Ferienheim, später eine Pension war, als es die Familie Maeder 1976 übernahm, sieht man ihm nicht mehr an. Soeben ist die Führung des Hauses offiziell von Anne und René Maeder auf ihren Sohn Patric übergegangen.
Am nächsten Tag geht es, ganz auf Nachhaltigkeit erpicht, mit E-Bikes hinunter nach Frutigen. Im dortigen Tropenhaus, das Coop gehört, werden wir über die Zucht von Stör und die Gewinnung von Kaviar informiert, alles nach umweltschonenden Prinzipien und praktisch ohne Verbrauch von Fremdenergie. Danach geht es 16 Kilometer und 800 Höhenmeter hinauf nach Adelboden, wobei man sogar auf dem E-Bike ausser Atem gerät.
Gute Küche, perfekter Service
Franziska Richard führt das «Bellevue Parkhotel & Spa» mit Blick über Adelboden und die Berner Oberländer Bergwelt in dritter Generation. Es gehört erst seit kurzem zu Relais & Châteaux. «Schon meine Grossmutter, die das Hotel lange alleine führte, wusste, dass sie den Gästen eine gute Küche mit perfektem Service bieten musste», sagt Franziska Richard. «Diesem Konzept sind wir treu geblieben.»
Kulinarische Höhenflüge erwarten einen ebenfalls im «Lenkerhof». Was das konkret bedeutet, erläutert Stefan Lünse (diesmal in seiner «Lenkerhof»-Küche, die soeben neu gebaut wurde) am Beispiel einer Frau, die in früheren Jahrhunderten vielleicht als Hexe gebrandmarkt worden wäre: «Sie hat ein unglaubliches Wissen und liefert uns Kräuter, von denen wir nicht einmal wussten, dass es sie gibt.» Ausserdem ist der «Lenkerhof» exklusiver Abnehmer sämtlicher Eier ihrer Wachteln.
Lünse arbeitet, wie Bernd Fabian in Samnaun, in der Wildsaison eng mit Jägern aus der Region zusammen. Da kommt es auch vor, dass ihm eine frische Rehleber geschenkt wird, aus der er prompt einen Gang komponiert. Denn der Küchenchef muss die fast unmögliche Aufgabe bewältigen, pro Abend 15 verschiedene Speisen zu komponieren, die täglich wechseln müssen, und damit bis zu 180 Gäste zu verpflegen.
Jan Stiller, der Direktor des «Lenkerhofs», führt das Haus zusammen mit seiner Frau Heike Schmidt seit zwölf Jahren. Daneben präsidiert er auch die Delegation Schweiz und Liechtenstein von Relais & Châteaux. «Relais & Châteaux beschäftigt sich schon seit zwei Jahrzehnten mit Nachhaltigkeit», betont Stiller: «Lange bevor das Thema so aktuell wurde, wie es heute ist.»