Trips & Travellers

Völlig unnötig: das ewige Gerangel und Gestresse um die Gepäckablage. Bild: TN

Einwurf Weg mit dem Handgepäck!

Kurt Metz

Warum, fragt sich Kurt Metz, findet bei jedem Flug mit einer traditionellen Fluggesellschaft ein Passagier-Gewusel statt, wenn doch jeder seinen Platz garantiert hat? Sein Flug mit einem Low-Cost-Carrier hat neulich besser geklappt.

Es war der Verzweiflung nah, das ältere korsische Ehepaar, das in Bastia für den Flug nach Basel am Einchecken war. Sie verstanden die Welt nicht mehr: Der kleine, bisher kostenlos als Handgepäck in der Kabine mitgereiste Rollkoffer soll nun für seine Mitreise kosten! EasyJet hatte kurz vor dem Wiederaufschwung des Flugreisens nach der Pandemie die Spielregeln geändert. Im Basistarif ist nur noch ein Handgepäck enthalten, das unter dem Vordersitz Platz findet.

Ein Grund zu diesem Wechsel ist wahrscheinlich die Optimierung der Einnahmen. Ein weiterer, nicht zu unterschätzender, ist das Einhalten der kurzen Standzeiten der Maschinen am Boden, die mithelfen, die Flugpreise tief zu halten. Kaum etwas kostet eine Fluggesellschaft mehr als verspätete Abflug- und Ankunftszeiten, verfehlte Anschlüsse, unzufriedene Passagiere und gestresste Mitarbeitende am Boden wie in der Luft, deren Arbeitszeiten über Gebühr strapaziert werden.

Ganz anders ging es bei unserem Hinflug auf die «Insel der Schönheit» an einem Samstag im Mai zu und her. Gewarnt vor dem medial hochstilisierten Gedränge an den Flughäfen, fanden wir uns früher als sonst am EuroAirport ein. In Erwartung des Passagieransturms war der Anstehbereich bestens organisiert, alle Schalter für die Gepäckabgabe mit freundlichen Mitarbeitenden besetzt. Selbst das Team der französischen Sicherheitsbeamten und -beamtinnen arbeitete aussergewöhnlich speditiv. Im eh und je etwas eng geratenen Wartebereich für die meisten EasyJet-Flüge herrschte zwar Hochbetrieb. Aber wie gewohnt war der Einsteigeablauf gut organisiert.

Zuerst wurden die Passagiere mit Sitzen im vorderen Teil des Fliegers aufgerufen – jene also, die für ihre Platzwahl etwas mehr bezahlt und das klassische Handgepäck dazugebucht hatten. Wer meinte, er könne sich da mit einem günstigeren Tarif vordrängeln, wurde zurückgeschickt. Und das Personal hatte ein scharfes Auge auf die mitgeführten Köfferchen. Im Zweifelsfalle wurden sie in einen dreidimensionalen Rahmen gesteckt, der die korrekten Masse aufwies. Passte eines nicht, dann wurde es etikettiert im Bauch der Maschine transportiert. So war diese dann im Nu abflugbereit, weil es kein Gerangel beim Einstieg und im Gang gab. Wir flogen im gut ausgelasteten Airbus – 138 von 150 Sitzen waren belegt – pünktlich ab gen Süden.

«Den Vogel schoss eine fünfköpfige, schwer beladene, drängelnde Familie ab.»

Ganz anders dann einen Monat später in Hamburg. War der Hinflug von Zürich noch mehr oder weniger störungsfrei verlaufen, so sollte es auf dem Rückweg nicht mehr «Ruckruck-Zackzack» gehen. Die Gepäckabgabe verlief beinahe verdächtig speditiv. Dafür waren die Warteschlangen bei der Sicherheitskontrolle um so länger. Einmal waren nicht alle Durchleuchtungsanlagen in Betrieb. Dann gesitteten sich die Passagiere alles andere als kooperativ.

Den Vogel schoss eine fünfköpfige, schwer beladene Familie ab, die sich mit ihrem Kinderwegen quer durch die Wartenden drängelte. Was Papa dann alles aus seinen Hosen- und Kitteltaschen klaubte und so den Kontrollfluss minutenlang blockierte, ging auf keine Kuhhaut. Noch schlimmer dann beim Einsteigen: Die Mitarbeiterin am Mikrofon versuchte zwar den «geschätzten Fluggästen» klarzumachen, dass es eine Einsteigereihenfolge gebe und die entsprechende Zahl auf dem Ticket stehe. Aber da kümmerte sich keiner und keine drum. «Catch as catch can» – auf gut Hochdeutsch «Ellbogen raus, ich komme!» – hiess das Motto. Für eine Kontrolle des Handgepäcks – wie viele und wie grosse? – gab’s keine Chance.

Warum frage ich mich bei jedem Flug mit einer traditionellen Fluggesellschaft dieses Gewusel, wenn doch jeder seinen Platz garantiert hat? Ganz einfach: Um das (meist zu grosse) Handgepäck möglichst oberhalb seines Sitzes zu verstauen! Den Rekord auf diesem Swiss-Flug nach Zürich dürfte eine Twen innegehabt haben: Tramper-Rucksack für eine Weltreise, Rollkoffer und eine überdimensionierte Handtasche um den Körper geschlungen. Aus der ursprünglich schon per SMS angekündigten Abflugverspätung wurde dann mehr als eine Stunde, bis alle und alles verstaut waren. Der geplante Abflugslot hatten wir dank dem Einsteigechaos längst verpasst: «Handgepäck» sei Dank!