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Ist dem Outdoor-Tourismus auch im Pensionsalter treu geblieben: Ruedi Jaisli. Bild: TN

Was macht eigentlich Ruedi Jaisli?

Gregor Waser

Vor 40 Jahren Mitgründer von Eurotrek, ist der Mister-Outdoor-Tourismus auch heute noch aktiv. travelnews.ch hat Ruedi Jaisli getroffen – draussen, versteht sich.

Wir treffen uns in der grünen Oase der Zürcher Innenstadt, dem Platzspitz, der Parkanlage zwischen Sihl und Limmat. Schliesslich war die Natur stets das Elixier von Ruedi Jaisli – und ist es immer noch. Denn Jaisli ist zu seinen Wurzeln zurückgekehrt und arbeitet heute wieder für Eurotrek, jener Outdoor-Firma, die er vor rund 40 Jahren mitgegründet hat.

Der Oberaargauer hat eine bewegte Tourismuslaufbahn hinter sich und beantwortet die Frage, wieso er denn heute noch mit 74 Jahren beruflich tätig sei, so: «Als ich mit 60 Jahren die Firma SwissTrails gründete, musste ich meine Pensionskasse plündern. So gehe ich heute weiterhin – neben den AHV-Einkünften – noch einer Arbeit nach. Und zwar jener, die ich schon immer gemacht habe, dem Outdoor-Tourismus.» Dass es zu einem Eurotrek-Comeback kam, geschah 2016, als seine Firma SwissTrails von Eurotrek übernommen wurde. Doch der Reihe nach – zu seinen Anfängen im Tourismus.

Als Ruedi Jaisli in den 60er-Jahren an der Universität Zürich Slavistik studierte, sah er einen Aushang: ein Reisebüro namens «Hans Imholz» suchte einen Studenten als Bürohilfe. Jaisli heuerte an, stempelte zunächst Versicherungsformulare und fragte eines Tages Hans Imholz, ob er nicht mal eine Moskau-Reise leiten dürfe, schliesslich spreche er Russisch. Imholz blickte auf und sagte: «Eine Reise leiten können Sie schon – aber dafür müssen sich nicht Russisch können».

Kurz darauf wurde Jaisli auf seine erste Reise geschickt: nach Bukarest, ans Schwarze Meer und nach Istanbul. Und in den Folgejahren entdeckte er als Reiseleiter die ganze Welt.

«Die Hinterland-Faszination hat mich nie mehr losgelassen»

«Ein Schlüsselerlebnis war, als ich in einem Flugzeug nach Lima sass und unten der Amazonas mit den weiten Flussläufen vorbeizog – und ich dachte: ich wäre lieber dort unten.» Diese Hinterland-Faszination habe ihn nie mehr losgelassen.

Mittlerweile arbeitete er bei SSR Reisen in der Sportabteilung. Tennis-Ferien seien damals in den 70er-Jahren hoch im Kurs gestanden. Wie heute Golf, wollten damals alle Tennis spielen, nur gab es noch kaum Plätze. «Wir organisierten Tenniskurse etwa in Leysin, Tennis gespielt wurde auf dem Pausenplatz des Schulhauses. Später, sehr erfolgreich, kamen Tennis-Ferien in England dazu, gepaart mit einem Sprachaufenthalt.»

Und auch an einen Flop erinnert er sich: «Kanada war nach Jahren erstmals wieder an einer Eishockey-WM dabei, Mitte der 70er-Jahre in Wien. Ich witterte das grosse Geschäft und kaufte Ticket-Kontingente ein und schnürte Pauschalreisen. Doch die Nachfrage blieb aus. Ich stand in Wien vor dem Hockeystadion und verscherbelte die Tickets, erst zum halben Preis, zehn Minuten nach Matchbeginn verschenkte ich sie.»

Zusammen mit den damaligen SSR-Leuten Oskar Laubi und Herbert Baumann entstand dann Ende der 70er-Jahre die Idee von Eurotrek. «Entscheidend für mich war der Besuch der Fachmesse Rendez-vous Canada und die anschliessende Post-Conference-Tour. Auf dem Fraser-River mit dem Schlauchboot unterwegs, im Zelt am Lagerfeuer, wurde mir klar, diese Reiseart muss auch in Europa funktionieren.» Jaisli informierte sich, woher die grossen Schlauchboote kommen, erfuhr von einer Firma Avon in Südwales und stand wenige Wochen danach in der dortigen Fabrik – und bestellte drei Schlauchboote für die Schweizer Flüsse. Wenige Jahre später waren 50 Avon-Schlauchboote in der Schweiz im Einsatz.

«Wir waren damals mit unbegrenzten Kompetenzen ausgestattet»

Auf das damalige Reisebusiness angesprochen, sagt Jaisli: «Reglementiert war damals praktisch noch nichts. Bei Imholz waren wir mit unbegrenzten Kompetenzen ausgestattet, einzige Bedingung war: die Kasse musste stimmen, mit dem Verkauf der fakultativen Ausflüge; und die Kunden mussten – nachprüfbar per zurückgeschicktem Fragebogen – umfassend zufrieden sein.»

«Damals wurden intelligente, selbstbewusste und selbstsichere Leute mit weitgehenden Kompetenzen und Vertrauen ausgestattet – das hat sie nicht selten zu fast schon übermenschlichem Engagement mit der Firma motiviert. Heute dagegen hat man Mitarbeiter, die durch eine Vielzahl von Reglementen gesteuert und kontrolliert werden – und die sich dann weigern, auch mal an einem Wochenende ausserhalb der vertraglich reglementierten Arbeitszeit ein Piketttelefon zu betreuen oder einem Velogast bei einer Panne zu helfen – und so auch nie zu richtigen Touroperators werden.»

Entscheidend für den Erfolg von Eurotrek – damals wie heute – ist neben den Touren-Kenntnissen die Logistik, etwa bei der Unterstützung beim Gepäcktransport; und der Ansatz, dass Wildwasser-Fahren, Segeln, Biking und Hiking in der touristischen Version etwas für Jedermann ist. «Wenn nun die Kundin aus Hongkong in Kloten ankommt und ab Disentis eine mehrtägige Wanderung gebucht hat, ist es wichtig, dass wir sie betreuen und hinbringen – wenn sie allein mit Bahn und Bus dieses Disentis finden müsste, wäre sie schon mal gestresst», gibt Jaisli Einblick in den Eurotrek-Alltag, nur um wenig später einen Handy-Anruf eines israelischen Touristen entgegenzunehmen, der von unterwegs eine Frage hat.

Ob er noch im Kontakt stehe mit ehemaligen Berufskollegen? «Kaum noch», sagt Jaisli. Die meisten seien längst pensioniert – und spielen wohl Golf in Florida oder Jassen im «Wilden Mann». Regen Kontakt habe er noch mit einigen langjährigen Wegbegleitern, etwa dem Fotografen Christof Sonderegger oder dem Hotelier Giancarlo Torriani in Bivio. In der Freizeit spielt er zusammen mit Gattin Prisca, die ebenfalls bei Eurotrek tätig ist – und mit ihr hat er auch SwissTrails aufgebaut –, viel Musik, sein Instrument ist die Panflöte.

Und wohin führen ihn seine Reisen heute? «Am häufigsten zum Flughafen – ohne dann aber abzufliegen. Viel mehr nehme ich dort Eurotrek-Gäste aus aller Welt in Empfang, die auf eigene Faust, unterstützt nur von unseren «Services», die Schweiz zu Fuss oder mit dem Rad oder Mountainbike durchqueren.» Da er diese Gäste nicht nur empfange, sondern auch auf ihre bevorstehende Reise «briefe» und so recht persönlich kennenlerne, gefallen ihm diese Reisen zum Flughafen – «ab und zu werde ich dazu aufgeboten, die Reisenden persönlich zu begleiten, was – wie etwa in den nächsten Tagen mit Radlern aus Hongkong – kein Problem ist, da ich natürlich meine Funktionen mit einem E-Bike wahrnehme.» Mit dem Wandern habe er es nicht mehr so, leider sei der E-Schuh noch nicht erfunden, sagt er mit seinem Berner Schalk und schlendert gemächlich durch den Park.