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Frank Spitzer im Viertel La Candelaria in Bogota, wo er wohnt und wo auch die Büros von Pelecanus angesiedelt sind. Bild: HO

Mail aus... Bogota – wie ein Schweizer Banker zum Reiseunternehmer in Kolumbien wurde

Frank Spitzer lebt seit fast drei Jahren in Kolumbien, wo er die Zielgebietsagentur Pelecanus aufgezogen hat. Diese bietet massgeschneiderte Touren durch das südamerikanische Trendland an.

20 Jahre lang hat Frank Spitzer aus Greifensee ZH im Bankensektor gearbeitet, hauptsächlich bei der Credit Suisse. Vor ein paar Jahren begann er, den Finanzsektor zu hinterfragen und er spürte das Verlangen, selber etwas auf die Beine zu stellen. Als er dann im Frühjahr 2015 im Rahmen einer Reorganisation freigestellt wurde, war dies für ihn der Startpunkt für eine Neuorientierung. Er flog nach Koh Phangan in Thailand, um sich den nächsten Schritt zu überlegen. Schon bald war ihm aber klar, dass er nach Lateinamerika gehen wollte - 2008 hatte er bereits sechs Monate in Peru verbracht und seitdem weitere Reisen durch Lateinamerika unternommen.  Nun sollte der Einstieg über ein MBA erfolgen, um somit gleichzeitig Sprache und Kultur kennen zu lernen und ein Netzwerk aufzubauen. Er berücksichtigte Faktoren wie Sicherheit, Ökonomie, Lebensqualität und mehr und entschied sich letztlich für einen MBA-Studiengang an der Universidad de los Andes in Kolumbien – ein Land, das er auch bereits zuvor besucht hatte.

«Ein bekannter Spruch hier ist, dass das einzige Risiko bei einer Reise nach Kolumbien darin besteht, dass man Kolumbien nicht mehr verlässt», erzählt Spitzer. Und so kam es dann auch: Er absolvierte sein MBA und blieb gleich im Land. Bereits im September 2016 gründete er die Pelecanus SAS, ein «Reisebüro», welches aber vor allem auf das Anbieten von massgeschneiderten Reisen quer durch Kolumbien spezialisiert ist, also eigentlich eher als Destination Management Company (DMC) aktiv ist.

Warum gerade einen Reiseanbieter gründen?

Obwohl Reisen schon seit Jahren Spitzers Passion war, gibt er zu, dass er sich bei seiner Ankunft in Kolumbien noch nicht sicher war, in welchem Sektor er genau arbeiten wollte. Ausgedehnte Reisen durchs Land in den Studienpausen schafften Klarheit: Es sollte eine touristische Aktivität sein. Auch hier machte sich Spitzer ökonomische Überlegungen, etwa zur Skalierbarkeit: «Ein Hotel oder Hostal zu betreiben wäre witzig gewesen, aber man ist dort sehr beschränkt.»

Also gründete er einen Reiseanbieter – weil dies eben skalierbar ist, aber auch aus Überlegungen zur Nachhaltigkeit. Spitzer will entlegene kolumbianische Regionen in seine Arbeit einbeziehen und diese davon profitieren lassen. «Ich habe genug über die heutige Hilfswerkindustrie gelesen um zu erkennen, dass der heutige Ansatz fatal ist und vom Input nur minimal etwas bei den eigentlichen Zielpersonen ankommt», analysiert er.

Um also das Land bis in jede Ecke zu kennen und ein Netzwerk aufbauen zu können, ging Spitzer zunächst auf eigene Faust auf Entdeckungstour durch Kolumbien. 15‘000 Kilometer legte er in den ersten 10 Monaten zurück, von Punta Gallinas im Norden bis zur Grenze Ecuadors. «Es gibt in Kolumbien kaum Autobahnen und Tunnels, dafür umso mehr Berge», erklärt Spitzer das viele Fahren.

Juristisch wurde Pelecanus wie erwähnt im Herbst 2016 gegründet; die eigentliche Aufbauarbeit startete dann im Januar 2017 mit Personalsuche, Büro, Homepage und mehr. Im November 2017 konnte Pelecanus dann am Markt loslegen und hat inzwischen auch schon ersten Kunden Reisen vermitteln können.

Partner gesucht

Aktuell hat Pelecanus noch keine Partner in Übersee. Zuerst will Spitzer Produkt und Prozesse verbessern sowie weitere Marken aufbauen. Sein Zielsegment sind Personen im Alter von 35+ Jahren mit gutem Einkommen; der Fokus liegt momentan auf Mitteleuropa, doch sei natürlich die ganze Welt im Visier. Was die weiteren Marken angeht, so ist dies eine für Gruppenreisen und eine für Vogelbeobachtung/Naturerlebnisse. «Es gibt in Kolumbien über 1900 verschiedene Vögel und die Biodiversität ist nach Brasilien die zweithöchste der Welt», bemerkt Spitzer. Es war daher naheliegend, dieses Segment aufzubauen, da die Nachfrage momentan höher sei als das Angebot. Die Marke für Gruppenreisen brauche Pelecanus dagegen vor allem für die Kollaboration mit ausländischen Reiseagenturen. 

Sobald diese Marken live sind, will Spitzer aktiv Partner suchen. Momentan setze man noch auf reine Online-Vermarktung, mittels Homepage, Instagram, Facebook und neu Pinterest.

«Lokal ansässige Spezialisten sind die Zukunft der Branche», glaubt Spitzer, «mit der heutigen Vernetzung kann sich jeder innerhalb weniger Klicks den entsprechenden Spezialisten beschaffen. Die Hürde, dass sich Lieferanten und Käufer finden, bleibt jedoch bestehen. Ich bin jedoch überzeugt, dass uns bezüglich Qualität, Innovation und Authentizität kein Reisebüro, welches nicht selber in Kolumbien ansässig ist, das Wasser reichen kann. Wenn jemand als Schweizer mit einer Schweizer Reisegruppe und Schweizer Reiseführer nach Kolumbien reisen will, um hier eine Milchfarm eines ausgewanderten Schweizer Bauern zu besuchen, dann haben wir natürlich keinen Vorteil. Aber wenn jemand eine kolumbianische Erfahrung machen will, dann sollte er sich die lokalen Bräuche, Kultur, Geschichte und Essen auch von einem Kolumbianer erklären lassen.» Die meisten direkten Konkurrenten von Pelecanus vor Ort seien ausländische Unternehmen mit mehrheitlich ausländischen Angestellten. Spitzers Team besteht, bis auf ihn selber, ausschliesslich aus Kolumbianern – aktuell vier Personen, dazu eine Praktikantin, und es wird noch eine weitere Person für einen Multimedia-Job gesucht.

Spitzer ist übrigens alleiniger Eigentümer. Eine Partnerschaft kam für ihn nicht in Frage, dafür seien die lateinamerikanische und die schweizerische Unternehmenskultur zu grundverschieden.

Und so funktioniert Pelecanus derzeit

Was bietet Pelecanus denn zurzeit genau an? «Der Kunde kontaktiert uns und erhält eine persönliche Beratung über Skype, Telefon, Whatsapp oder über den Chat», holt Spitzer aus. Alle Mitarbeiter sprechen Englisch, dazu könne man auch auf Französisch, Portugiesisch oder Deutsch eine Beratung erhalten. Nachdem man die genauen Wünsche des Kunden kennt, erstellt Pelecanus einen Reisevorschlag, der angepasst wird, bis der Kunde zustimmt. Grundsätzlich sollte der Kunde den Flug nach Kolumbien selber buchen, doch könne dies Pelecanus auf Wunsch auch selber unternehmen. Ab der Ankunft des Kunden ist dann alles organisiert: Transport, Guides, Hotels, Inlandflüge und mehr.

«Grundsätzlich erfüllen wir jeden Wunsch, sofern vom Gesetz erlaubt und ethisch vertretbar», sagt Spitzer. Grundsatzfragen diskutieren man im Team, «da wir ein kolumbianisches Unternehmen sind und die Meinung der Kolumbianer wichtig ist», so Spitzer.

Von Serviceprovidern erhält Pelecanus Rabatte, in der Regel zwischen 10-20%. Auf Flügen verdiene man praktisch nichts. Mitarbeiter Sebastian ist Tourguide und betreue Kunden auch direkt. Schlussendlich macht Pelecanus eine Mischrechnung für das ganze Paket. «Den Kunden kostet es nicht viel mehr, als wenn er alles direkt buchen würde», behauptet Spitzer, «der Mehrwert, den der Kunde erhält, ist aber riesig.» Aufgrund der Sprache und unterschiedlichen Kultur wäre es für die meisten Kolumbien-Reisenden sehr schwierig, eine vergleichbare Tour zu organisieren.

«Natürlich haben wir hohe Investitionen; alle Destinationen, Guides, Services und Hotels kennen wir persönlich», sagt Spitzer, doch sei eben Qualität ist extrem wichtig: «Ich denke, dass sich dies mittelfristig wieder einspielen wird. Meine kolumbianischen Mitarbeiter ziehen gut mit und haben sich daran gewöhnt, dass ich teilweise sehr pedantisch bin.» Das alles sei natürlich auch nur möglich, weil die Löhne in Kolumbien sehr tief sind. «In der Schweiz wäre ich bereits nach drei Monaten pleite gewesen», schliesst Spitzer.

Man darf gespannt sein, wie es weitergeht. Wer mehr über Pelecanus erfahren will, kann sich die Firmen-Homepage anschauen.

Teamfoto in Villa de Leyva anlässlich des Firmen-Weihnachtsausfluges. Villa de Leyva befindet sich rund drei Autostunden nördlich von Bogota und soll eines der schönsten Städtchen Kolumbiens sein. Bild: HO

(JCR)