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«Es geit eifach nid, in Phuket für 20 Dollar Zimmer in Viersterne-Hotels einzukaufen. Dann stimmt etwas nicht mehr bei den Löhnen»: Globetrotter-Chef André Lüthi am Donnerstag auf «Tele Züri». Bild: TN

Kommentar Das schafft nur ein André Lüthi

Gregor Waser

In einem ausführlichen Interview auf «Tele Züri» sprach der Globetrotter-Chef über sich, erfolgreiche Berufswege, abenteuerliche Reisen und die Verantwortung der Reiseveranstalter.

Gidor Coiffure hiess der Sponsor am Donnerstag im «Talk Täglich» von «Tele Züri» – passend zum Interview-Gast André Lüthi, der mit seiner vollen Haarpracht dasass. Eine halbe Stunde lang sprach der Globetrotter-Chef über seinen Werdegang, seine olympischen Träume, sprach sich für die Berufslehre aus, schilderte kritische Situationen auf Reisen und brachte die Faszination von fernen Entdeckungen und Begegnungen in die Stuben von Schlieren und Dübendorf – etwa die Anekdote, dass seine allererste Reise vor dem Berner Wankdorf-Stadion begann, beim Autostopp mit einem «Los Angeles»-Schild in der Hand. Und er appellierte an alle Reiseveranstalter, inklusive Globetrotter, die soziokulturelle und ökologische Verantwortung stärker wahrzunehmen.

Andere Reisemanager reiben sich die Augen. Wie schafft das Lüthi nur? Er ist Chef von 14 Firmen mit über 250 Millionen Franken Umsatz, führt die viertgrösste Reisegruppe der Schweiz. Gleichzeitig reist er gefühlt das halbe Jahr irgendwo in der Welt herum, schwimmt durch den eiskalten Blausee, campiert mit seinen Kindern, wo sich Löwen ums Zelt herumtreiben, wirbelt als SRV-Vorstand im Politbern herum und wenn man ihn zum Bier trifft, ist der 57-Jährige gelassen wie nach einem mehrwöchigen Aufenthalt in einem buddhistischen Kloster.

Und er ist ein Medienstar. Wenn andere Reisefirmen sich mit der gängigen Marketingklaviatur abmühen, tingelt der CEO der Globetrotter Group von Medientermin zu Medientermin – auch wenn es wie gestern überhaupt keinen aktuellen Anlass dazu gab. Und wenn mal kein Medientermin stattfindet, postet Lüthi schon mal ein verjährtes Interview zum wiederholten Mal auf Facebook oder Linkedin. Seine Präsenz in den traditionellen Medien und auf Social Media ist jedenfalls eindrücklich.

Dann stürzt er mit dem Kanu den Wasserfall runter, schleppt sich bei minus 42 Grad durch die Arktis.

Lüthi ist ein Selbstvermarkter, unter dem Strich ein Vermarkter seiner Firmengruppe. «Reisen statt Ferien» lautet ja deren Motto. Dieses brachte er gestern auf den Punkt. Er schilderte im Interview die Begegnung mit einem Lama, einem tibetischen Mönch, wie dieser ihm Glück und Selbstreflexion erklärte. Dann stürzt er mit dem Kanu den Wasserfall runter, schleppt sich bei minus 42 Grad durch die Arktis, findet auf einem dreimonatigen Himalaya-Trip seinen Nachfolger – um sich fortan als Globetrotter-Ambassador zu bewegen. Und er fordert Badetouristen auf, sich mal von der Liege zu erheben und sich mit dem Land und den Leuten auseinanderzusetzen.

Kunststück ist er umstritten, Lüthi polarisiert mit seinen Ausschweifungen und Provokationen. Gleichaltrige Männer ertragen es wohl nicht, dass dieser Lüthi auch noch in der Damenwelt punktet. Andere nehmen ihm seine permanente Medienpräsenz und Selbstdarstellung wohl übel. Verständlich aus rein helvetischem Blickwinkel heraus: hier, wo alles, was sich nicht in der plus-minus-fünf-Prozent-Bandbreite des Mittelmasses bewegt, als suspekt gilt.

Ist mir egal, wird sich Lüthi sagen. Denn er geniesst ganz offensichtlich die Medientermine und kennt vor allem deren Effekt auf seine Firmen, die von ihm als Anchorman und von seinen Botschaften und dem Zelebrieren des Reisens profitieren. Uns gefiel das erfrischende Interview abseits von abgedroschenen Marketingphrasen jedenfalls. Coiffeur Gidor – «Hairstyle inspired by Nature» – sicherlich auch.