Trips & People

Was macht eigentlich Markus Küttel?

Jean-Claude Raemy

Wie ein Kuoni-Reiseleiter aus Bern zum FC St. Gallen 1879 stiess – ein weiterer faszinierender Lebensweg in unserer Serie.

Markus Küttel hat ingesamt 12 Jahre bei Kuoni Reisen verbracht. Dies in zwei Etappen: Von 1995 bis Ende 2003 als Reiseleiter und «Head of Destination Management & Airport Services», und dann von 2008 bis 2012 nochmals als «Head of Customer Services». Heute arbeitet der gebürtige Berner in der Ostschweiz, genauer gesagt als Head of Merchandising bei der FC St. Gallen Event AG. Wie kommt ein Berner über die Reisebranche in Zürich zum Fussball in St. Gallen? Wir gehen dieser spannenden Lebensgeschichte auf den Grund.

Die Goldenen Zeiten bei Kuoni miterlebt

Markus Küttel kommt im Gespräch mit Travelnews.ch über seine Zeit als Kuoni-Reiseleiter ins Schwärmen: «Toll waren vor allem die ersten Edelweiss-Flüge, damals, als ich in Ibiza stationiert war, sowie 1997 die legendären Red-Eye-Flüge. Aus dieser Zeit sind viele tolle Kontakte geblieben – mit damals aktiven Reiseleitern, von Kuoni, aber auch von Esco, Hotelplan und anderen Reiseunternehmen.» Zum Aufgabenbereich gehörten nebst der klassischen Reiseleitung auch Coachings oder Qualitätssicherungskurse mit Reiseleitern vor Ort, im ganzen Mittelmeerraum. Oder Projekte wie die Neu-Uniformierung oder der Pikettdienst beim gefürchteten Jahrtausendwechsel oder beim Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull: «Gerade bei Letzerem war viel los am Pikett-Handy, bis samstags dann endlich die Abteilungen mit Call Centers eingerichtet waren. Das war cool, aber so einen Einsatz wünschst du Niemandem.» Einzigartige Erlebnisse, die aus heutiger Sicht eine Ewigkeit her zu sein scheinen.

Denn die schöne Zeit war Anfang 2004 zu Ende. «Auf Entscheid der Geschäftsleitung von Kuoni Schweiz wurden ab dem Sommer 2004 alle Kuoni-Reiseleiter im Mittelmeerraum lokal angestellt, und nicht mehr über die Schweiz eingeteilt», erklärt Küttel, «für mich hätte das wieder sehr viele Reisen für Coaching und Ausbildung vor Ort mit sich gebracht. Dazu war meine Tochter im Februar 2003 zur Welt gekommen.» Küttel verspürte den Wunsch nach weniger Auslandreisen, und wollte auch seine Ausbildung zum Betriebswirtschafter HF, die er berufsbegleitend von 1999-2002 zu Ende gebracht hatte, mehr einsetzen. Deshalb kündigte er und ging zur Salewa Sport AG, deren Sitz in Herisau war.

Die Ehefrau im Job kennengelernt

Hier muss beigefügt werden, dass dies auch einen kürzeren Arbeitsweg für Küttel bedeutete. Denn der Berner hatte sich inzwischen in der Ostschweiz niedergelassen, der Heimat seiner Frau. Diese hatte er auf einem seiner letzten Einsätze als Reiseleiter auf Kos kennengelernt, «in einer lauschigen Taverne in Zia». Für einen Reiseleiter-Coach keine unkomplizierte Sache: Wie sollte er schliesslich angehenden Reiseleitern in der Ausbildung erklären, dass Gäste eher nicht für Flirts oder gar Beziehungen geeignet sind, wenn er selbst seine Frau so kennengelernt hatte? «Ich habe versucht, es so zu erklären: Man soll stets zurückhaltend sein, aber wenn es sicher der oder die Richtige sei, solle man bitte zugreifen», schmunzelt Küttel.

Trotz aller Vorteile hinsichtlich Arbeitsweg und Jobsicherheit liess die Reisebranche Küttel nie ganz los. Die Kontakte mit den rund 100 Reiseleitern, welche plötzlich keine weiteren Einsätze mehr hatten, waren noch da. In Diskussionen wurde der Frust bewältigt, dass alles mit den Reiseleitern aufgebaute – der Teamspirit, die professionelle Qualität – aufgegeben werden musste. Der Frust wurde zu Wehmut, und plötzlich, 2008, kam eine Anfrage seines ehemaligen Vorgesetzen Thomas Burkart: Er konnte die Stelle als Leiter Kundendienst haben, als Nachfolger der «Kundendienst-Legende» Jörg Müller. Küttel schlug zu und war somit wieder an der Neuen Hard.

Zweiter Abgang bei Kuoni

«Das hat bis 2011 viel Freude gemacht», erinnert sich Küttel. Dann setzten die wiederholten Restrukturierungsprozesse ein, mitsamt Abbau-Pflicht aufgrund der Probleme in Zusammenhang mit dem Arabischem Frühling, welcher erstmals zu deutlichen Rückgängen der Reisenden bei Kuoni führte. «Ich war nicht ausgelastet und wollte mehr Aufgaben übernehmen, allenfalls auch zusätzliche Abteilungen wie etwa die Agentenbetreuung», erklärt Küttel. Aus verschiedenen Gründen sei dies nicht möglich gewesen – «wir einigten uns auf eine Trennung, da ich alternative Angebote von Kuoni nicht annehmen wollte.»

Küttel ging damals davon aus, dass er schnell wieder arbeitstätig würde. Dies erwies sich aber als Irrtum. Ein ganzes Jahr lang war er als junger, mittlerweile schon zweifacher Vater (2005 kam sein Sohn zur Welt) auf Jobsuche. Über einen engen Freund gab es bereits losen Kontakt zum FC St. Gallen  in dieser schwierigen Zeit – doch es ergab sich noch nichts Konkretes. Dafür wurde Küttel über dieselbe Person in ein Projekt im Ausbildungs- Coachingbereich für die Mobilezone eingebunden. Daraus resultierte eine Anstellung bei der Mobilezone als Projektleiter Training & Coaching. Bis dann der FC St. Gallen 1879 wieder Kontakt aufnahm, weil man einen Leiter Merchandising und Lizenzen suchte. «Das eine führte zum anderen und heute bin ich glücklich, Teil dieses stolzen und tollen Vereins zu sein», erklärt Küttel.

Emotionen sind der Schlüssel – im Tourismus wie im Fussball

Mit seinem Team kümmert sich Küttel heute um alles, was mit Fanartikeln und Lizenzprodukten zu tun hat: Von Gestaltung über Einkauf, Lager, Verkauf inklusive Online-Shop bis hin zur Zusammenarbeit im Grosshandel mit Ochsner Sport und anderen Fachhändlern. «Hier kann ich meine ganzen betriebswirtschaftlichen Erfahrungen einbringen und sogar die erlernten Sprachen mit Lieferanten auf der ganzen Welt einsetzen», sagt Küttel. Auch die Entwicklung von Matchtrikots und die Zusammenarbeit mit der Profi-Mannschaft im Bereich Ausrüstung sei ein grosser Teil seiner Arbeit. Mit Sponsoren und Partnern werden gemeinsame Projekte für Mitarbeiter-Kleidung, gemeinsame Fanartikel oder Teamausrüstungen für Grümpelturniere erarbeitet. Auch Firmenfussballer wurden schon ausgerüstet.

Die Reisebranche vermisst Küttel nur noch selten - «wenn ich Kerosin rieche oder ein Kuoni-Logo sehe». Sonst gebe es wenig zu vermissen: «Die Kollegialität, die Hektik und die Vielfalt der Aufgaben habe ich hier auch.» Das Geschäft und die Marke seines aktuellen Arbeitgebers sei mitunter sehr emotional – ebenso der ganze Eventbereich am Spieltag. In Sachen Emotionalität bewege man sich also ähnlich wie im Tourismus.

Die Kontakte zur Reisebranche sind aber noch da. Küttel schmunzelt: «Ich habe heute viele Kontakte zu Hotelplan, da sind ja mittlerweile viele frühere Kuoni-Mitarbeiter.» Er habe aber auch noch immer Kontakt zu ehemaligen Weggefährten und Freunden in Norwegen, Griechenland, Spanien, Singapur, Thailand, auf den Malediven und in weiteren Ländern.

Ist das Kapitel Reisebranche denn nun definitiv abgeschlossen? Küttel sagt ja… und wird doch wankelmütig: «Wenn ich Kerosin rieche… dann...» Den Satz beendet er nicht mehr.

[Im nachfolgenden Video spricht Markus Küttel im breiten Berndeutsch über seine Tätigkeit in St. Gallen - ab Minute 4:00]