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Joachim Weber (rechts) und Thomas Schmitt haben ihren Restaurant-Traum verwirklicht – in einer alten Metzgerei. Bild: HO

Was macht eigentlich Joachim Weber?

Jean-Claude Raemy

Fast 16 Jahre lang war Joachim Weber das Gesicht der Luxushotelkette Mandarin Oriental. Heute leitet er ein Restaurant in Mannheim – und hat damit seine Erfüllung gefunden.

Joachim Linus Weber war während über 15 Jahren eine prägende Figur bei der beliebten Luxushotelgruppe Mandarin Oriental, zuletzt als Regional Director of Sales Zentral- und Osteuropa. Der gross gewachsene, joviale Deutsche mit der direkten Art lud alljährlich zu hochkarätigen Events in Zürich und anderswo ein und hatte viel Präsenz im Schweizer Markt. «Ich war Mandarin Oriental und Mandarin Oriental war mein Leben», bringt es Weber auf den Punkt.

Eigentlich ging er bis vor zwei Jahren davon aus, bei Mandarin Oriental in Rente zu gehen. Doch Weber sah Veränderungen kommen und versuchte ab 2014, ein zweites Standbein neben seinem Job bei Mandarin Oriental aufzubauen. Weber hörte auf seine innere Stimme, vertraute auf sein Gespür für Veränderungen, liess sich von seinem Bauchgefühl beeinflussen. «Das hat immer meinen Führungsstil ausgemacht und mich erfolgreich agieren lassen», erklärt Weber diesen frühen Wunsch nach einer weiteren Einnahmequelle, der sich als gute Initiative erweisen würde.

Der Stein kommt ins Rollen

Weber und sein Mann, Thomas Schmitt, hatten bereits 2008 ein Wohn- und Geschäftshaus in Mannheim gekauft, in dem bis 1981 eine Metzgerei beheimatet gewesen war. Zum Zeitpunkt des Kaufs war in den alten Räumlichkeiten der Metzgerei eine Buchbinderei zuhause. «Schon damals beim Notar wurde eine Idee gesät, weil man nicht nur von einem Wohnhaus sprach, sondern auch von einem Geschäftshaus», erklärt Weber, wobei zunächst nicht klar war, welche Geschäfte er und sein Mann in diesem Haus tätigen würden.

Als sich das Hotelgeschäft weiter veränderte und die Mieterin der Buchbinderei und der dazugehörigen Wohnung in Mannheim auszog, war plötzlich klar: Der Grundstein für ein Restaurant war gelegt. «Da ich gelernter Hotelfachmann bin und mein Mann, der heute Purser bei Lufthansa ist, gelernter Koch, war es nahe liegend, unser eigenes Ding zu machen. Ich beschloss, in Anlehnung an alte Zeiten, ‚Die Metzgerei‘ als Restaurant zu erfinden», führt Weber aus. Da das Haus denkmalgeschützt ist, dauerte der Umbau zwar über sechs Monate. Doch am 1. November 2014 war es endlich soweit: Das Restaurant Die Metzgerei konnte eröffnet werden. Damit war Weber sowohl in einer Kaderposition bei Mandarin Oriental als auch Besitzer einer Immobilie mit 10 Wohnungen und einem Restaurant.

Einsparung als Befreiung

Die Fokussierung aufs Restaurant-Business ergab sich aber letztlich aus drastischen Veränderungen bei Mandarin Oriental. Weber holt weit aus: «Bei Mandarin wurden Budgets meines stationären Vertriebs gekürzt, Mitarbeiter nicht mehr ersetzt und für Events und Kundenbindungsprogramme Gelder genommen, welche fortan in die Online-Welt investiert wurden, also für Google Ad-Words, Expedia, Booking.com, Apps und mehr. Leider hat dieser Vorgang nicht parallel verlaufend stattgefunden, sondern das eine wurde durch das andere ersetzt. Hinzu kam, dass statische Raten für das klassische Veranstalter-Business, wie es zum Beispiel Dertour oder TUI betreiben, nicht mehr im Fokus standen. Dynamic Rates und das Revenue- und Pricing-Management rückten bei Mandarin Oriental in den Fokus, die Arbeit des Vertriebs wurde nicht mehr unterstützt. Dieses neue Zeitalter, aber auch Probleme in Paris und London, oder in europäischen Städten im Allgemeinen, sowie in der Türkei, in Marokko und in Hong Kong haben dazu geführt, meine Position nach 16 Jahren ‚redundant‘ zu machen. Ich wurde also entfernt, oder eingespart.»

Jetzt zahlte sich für Weber aus, dass er den richtigen Riecher mit seinem eigenen Restaurant hatte. Doch nicht nur das: Weber ist heute glücklicher denn je: «Rückblickend bin ich Mandarin Oriental dankbar, mir eine Entscheidung abgenommen zu haben.» Sein neues Leben sei «ganz ehrlich, besser!» Er sei heute frei und lebe ein erfülltes Leben, während die letzten zwei Jahre bei Mandarin Oriental nicht mehr erfüllend gewesen seien.

Eigentlich hat Weber die Hotelkette bereits vor einem halben Jahr verlassen. Zum «Vollzeit-Gastronomen» ist er aber erst jetzt, im April 2017 geworden, nachdem nun die letzten Bänder zu Mandarin Oriental durchgeschnitten sind. Weber blüht förmlich auf: «Die unternehmerische Freiheit und Kreativität zu haben, um das Beste für seine Firma zu erwirken, ist eine Erfüllung.» Sein Arbeitsalltag sei zwar genauso zeitintensiv wie früher – nur anders, «weil alles, was ich tue, nun für mein eigenes Business und für meinen Geldbeutel ist.» Weber hat laut eigener Einschätzung zwar auch Mandarin Oriental «wie meinen eigenen Laden» geführt und von daher auch schon immer unternehmerisch gedacht. Aber dass er nun in seine eigene Kasse wirtschaftet, völlig entscheidungsfrei ist und niemanden fragen muss, ob das Budget reicht oder nicht, einstellen darf, wen er will, das sei schon ein enormer Unterschied zu früher.

Was macht nun «Die Metzgerei» aus?

Laut Weber ist sein bei Mandarin Oriental aufgebautes Know-how im ganzen Restaurant spürbar. «Ich konnte sogar einige Dinge besser machen», lacht Weber und fügt gleich Beispiele an. Etwa kostenloses W-LAN mit der schnellsten Internetgeschwindigkeit. Oder dass Hunde im Restaurant immer willkommen sind, «auch grosse». Die Metzgerei unterscheide sich von allen anderen Restaurants in Mannheim, etwa durch den Verleih von Picknick-Körben oder ausschliesslich hochwertiger Ausstattung. Weber präzisiert: «Das Besteck leiste ich mir von Robbe und Berking, das Porzellan kommt aus dem Hause Dibbern. Die Metzgerei ist ein Ort, der auch in Mailand, Paris oder Berlin sein könnte. Weltoffen, nicht abgehoben, aber edel und schick.» Die Hochwertigkeit, etwa im Design, bei den Lampen, den Fliesen und Kacheln, den Stühlen und Tischen, hat bestimmt mit der Vergangenheit in der Luxushotellerie zu tun. Auch, dass Personal und Gast im Mittelpunkt stehen. «Das ist bei Mandarin Oriental ähnlich», so Weber.

Im Restaurant gibt es vier Themen: Frankreich, Italien, Wellness und die deutsche Region Kurpfalz. So werden nur Pfälzer Weine angeboten, von Winzern, die Weber persönlich kennt. Die Picknick-Körbe werden mit Decken und Kissen, Porzellan und allem verliehen, was es für ein Dinner unter fremdem Himmel braucht.

Das Rheinufer und die Rheinweisen sind schliesslich nur eine Gehminute vom Restaurant entfernt. Die Metzgerei kennt keinen Ruhetag und ist täglich ab 9 Uhr geöffnet, mit durchgehend warmer Küche bis 21.30 Uhr. Das Konzept soll laut Weber alle ansprechen, «von Jung bis Alt, von Vegan bis Fleischliebhaber, von Vegetarisch bis Süss.»

Dieses Konzept geht auf und Weber heimst, wie früher mit Mandarin Oriental, wieder reihenweise Auszeichnungen ein. Das Frühstück der Metzgerei wurde bereits mehrfach vom Gourmetmagazin «Der Feinschmecker» als bestes Frühstück in Mannheim gekrönt. Und der Restaurantführer «Espresso» adelte Die Metzgerei mit einem Platz unter den Top-100 der Metropolregion Rhein-Neckar. Hier finden sich noch weitere Infos zu Webers Restaurant.

Kontakte zur Reisebranche sind noch da

Weber mag mit seinem neuen Leben glücklich sein, Kontakte in die Reisebranche pflegt er trotzdem weiter. In erster Linie zu seinem Team bei Mandarin Oriental, welches ihm «jahrelang die Treue gehalten» hat. Viele frühere Kunden fühlen sich freundschaftlich mit Weber verbunden und halten regen Kontakt. Erst gerade am letzten Samstag (8. April) sei eine Delegation von Kuoni-Zürich, inklusive dem ganzen Concierge-Team, bei ihm im Restaurant gewesen. Weber freut sich schon jetzt auf weitere Besuche früherer Branchenpartner, aus der Schweiz oder von anderswo, in seinem Etablissement.