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Markus Niggli hat in den USA seinen Traum vom eigenen Wein verwirklichen können. Bild: Borra Vineyards

Was macht eigentlich Markus Niggli?

Jean-Claude Raemy

Vor rund 11 Jahren vollzog der frühere Kuoni- und AA-Manager einen radikalen Wechsel und wurde zum Weinproduzenten. Diesen Schritt hat er bislang nicht bereut, auch wenn er dem Tourismus stark verbunden bleibt.

Eigentlich ist Markus Niggli schon ziemlich lange weg: Ganze elf Jahre schon sind es her, seit er letztmals im Tourismus tätig war. Beim Telefongespräch mit travelnews.ch – Niggli lebt inzwischen in Kalifornien – wird aber schnell klar, dass er noch recht gut auf dem Laufenden ist, was hierzulande im Outgoing-Tourismus abgeht, sowie dass er weiterhin gute Kontakte in der Branche hat.

Doch beginnen wir von vorne. Markus Niggli, in Weesen am Walensee aufgewachsen, hat nach einer Lehre bei den SBB den Sprung ins Retailing angestrebt und landete zunächst bei der damaligen Imholz-Reisen in Zürich, in der USA-Abteilung unter Romy Obrist (heute Bischofberger Info-Reisen). Damit war der Grundstein für seine andauernde USA-Verbundenheit gelegt. 1998 übernahm er den Job von Alain Chisari (heute Edelweiss Air) als Leisure Sales Account Manager bei American Airlines, wo er drei Jahre blieb. Damals war «AA» noch eng mit der Swissair verbunden – ein Umstand, der Niggli Freundschaften zu diversen früheren Swissair-Leuten beschert hat, die bis heute andauern.

Im Februar 2001 holte ihn dann Thomas Welti (heute Airline- & Tourism Center) zu Kuoni. Dort war Niggli als Senior Product Manager für den Ticketshop zuständig und baute mit dem späteren Ticketshop-Leiter Marc Zinniker den Carshop auf. «In dieser äusserst spannenden und lehrreichen Zeit bin ich viel gereist», erklärt Niggli, «wobei irgendwann in mir die Lust reifte, etwas völlig anderes zu versuchen. Ich setzte mir zum Ziel, mit 30 Jahren nochmals durchzustarten.»

2004 war es dann soweit: An seinem 30. Geburtstag kündigte Niggli bei Kuoni. Man versuchte ihn zwar zu halten, Jobmöglichkeiten hatte es genug («schon damals gab es stets Reorganisationen bei Kuoni», meint Niggli amüsiert), doch sein Entschluss war klar: Er wollte im Weinbau Fuss fassen.

Neue Karriere in der Weinindustrie

Gesagt, getan. Niggli zog nach Westaustralien, wo er in Perth das Weinbau-Geschäft «hands on» erlernte und auch studierte. Daraufhin zog er weiter nach Kalifornien, nach Santa Rosa nördlich von San Francisco. Und half während zwei Saisons bei der Ernte in der Napa Valley mit. «Ich habe wirklich nochmals ganz unten angefangen», erklärt Niggli. Für 10 Dollar pro Stunde mit allen anderen ausländischen Hilfskräften in den Rebbergen schuften, da muss man durch, doch war das natürlich nicht sein Endziel. Nachdem er durch Heirat seiner langjährigen Freundin, einer Amerikanerin, immerhin keine Probleme mehr mit befristeten Arbeitsaufenthalten mehr hatte, konnte er sich nach einem besseren Job umsehen.

Sein Glückstreffer kam schon bald: Die Boutique-Weinfirma Borra Vineyards in Lodi, nahe Sacramento, suchte online einen Kellermeister. Niggli erhielt den Job auf Anhieb und zog ins kalifornische Hinterland. Dort blieben seine Talente nicht lange versteckt: «Bei Thomi Welti hatte ich das Forecasting sauber gelernt. Der Inhaber von Borra Vineyards merkte bald, dass ich mehr drauf hatte als das damalige Verkaufsteam, so dass ich bald einmal an deren Stelle auch Verkauf und Marketing übernahm.»

Nur kurze Zeit später übernahm Niggli die Verantwortung für die gesamte Weinproduktion bei Borra Vineyards. Der Inhaber vertraute ihm so sehr, dass er es ihm erlaubte, mit eigenen Traubensorten zu experimentieren. Unter dem Label «Markus Wines» entstanden völlig neue Weine, bis auf Weiteres allesamt Weissweine. Niggli versuchte sich an Weine mit den Rebsorten Kerner, Riesling und Gewürztraminer – mit grossem Erfolg. Vor allem mit dem Kerner gelang ihm ein Coup: «In ganz Kalifornien werden vielleicht zehn Tonnen Kerner produziert, davon acht Tonnen von uns.» Darüber hinaus konnte Niggli für seine eigenen Weine moderne, «europäische» Labels kreieren. Auch das kam gut an. Niggli spielt seinen Erfolg aber etwas herunter: «Bei Borra durfte ich mit den Markus Wines frei experimentieren, auf Kosten des Unternehmens, das war ein Glück. Doch der Umsatz floss auch vollumfänglich zu Borra zurück.»

Neue Vertriebswege für seine eigenen Weine

2018 ist Markus Niggli dann dort angekommen, wo er ursprünglich hin wollte: Er wird den Borra Vineyard übernehmen; es wird dann nur noch die Firma Markus Wines geben. Er weiss bereits genau, wohin er die Firma führen wird: «Aktuell haben wir 17 Weinlabels und produzieren rund 4000 Kisten Wein mit Borra inklusive Markus Wines. Das sind zu viele Labels. Künftig wird die Markus Wines nur noch 1500 Kisten unter 9 Labels – vier Rotweine, vier Weissweine und einen Rosé – produzieren. Den Rest werden wir im Namen anderer Firmen anbauen und produzieren.»

Konkret wird Niggli für Wein-Distributoren in Tennessee, Pennsylvania und North Carolina Weine in deren Namen produzieren. «Lodi ist das grössten Anbaugebiet der USA und wir verfügen selber über 7,5 Quadratkilometer Anbaufläche, doch haben wir nicht denselben Ruf wie die Napa und Sonoma Valleys», analysiert Niggli. Während seine Preise pro Flasche im Schnitt um die 24 Dollar liegen, ist der Schnitt für Napa-Weine deutlich höher; zudem ist der Konkurrenzkampf in Kalifornien, wo über 4200 Weinproduzenten zu finden sind, mörderisch. «Da lohnt es sich für mich eher, weniger eigene Weine zu produzieren und mehr Massenproduktion für andere Anbieter zu betreiben», erklärt Niggli, und schiebt gleich einen touristischen Vergleich nach: «Wenn mir der Partner in Pennsylvania 15‘000 Kisten abkauft, sind das wie Garantieplätze auf meinem Charter – ich muss nur produzieren, Vertrieb und Verkauf muss aber der Partner selber erledigen.»

Dass er überhaupt noch eigene Weine produziert, hat einerseits mit Herzblut, aber auch mit Image zu tun. Bei den Roten, wo Borra vor allem auf die Rebsorten Syrah und Zinfandel setzte, experimentierte Niggli erfolgreich mit Red Blends, also eigenen Traubenzüchtungen. Sein 2010 Red Fusion wurde vom Wall Street Journal zu einem «Top 20 Smart Buy» geadelt – gute Verkäufe und vor allem Prestige in der Weinbauszene waren ihm sicher.

Berührungspunkte mit dem Tourismus sind noch da

Markus Niggli bleibt aber schön auf dem Boden. «Weinbau ist wie Tourismus, da wird man in der Regel nicht reich», erklärt er, unterstreicht aber sofort, wie glücklich er mit seiner Arbeit und seinem Leben mit Frau und zwei Kindern in Kalifornien ist. Er hat nun bald sein eigenes Unternehmen, führt 2-4 Personen in der Winery und 4-12 im Rebberg, muss sich um diverse verschiedene Jobs kümmern, von Fragen zum Anbau über Abfüllung, Produktion, Vertrieb, Labelling, Repräsentation und sonst allem. Viel harte Arbeit, aber auch erfüllend. «Hätte ich nicht Schweizer Qualitäten wie Präzision und Zuverlässigkeit in die USA mitgenommen, hätte ich es auch nicht geschafft», so Niggli.

Trotz allem bleibt ihm die Zeit, gewissermassen touristische Mandate zu übernehmen. «Einmal im Tourismus, immer im Tourismus», scherzt Niggli, der trotz seiner neuen Weinbaukarriere den Bezug zum Tourismus nie ganz aufgegeben hat. Er ist zum Beispiel Gastgeber auf Flusskreuzfahrten. Die «River Cruises for Wine Lovers» werden vom US-Flusskreuzfahrtunternehmen Ama Waterways organisiert. Niggli begleitete bereits Flusskreuzfahrten auf dem Rhein oder in Portugal. Die nächste Reise, «Melodies of the Danube» mit der MS Amaserena, wird vom 20.-27. Juli 2018 auf der Donau von Budapest über Bratislava, Wien und Linz nach Vilshofen bei Passau führen. Niggli wird während der Fahrt wiederum Interessantes zum Weinanbau, zu Traubensorten und regionalen Weinen der Donauregion erzählen und die eine oder andere Degustation leiten.

Es geht aber auch umgekehrt. Marlise Eijking von der Kuoni-Kreuzfahrtenabteilung schickte neulich eine Gruppe von 30 Personen zu einem Ausflug in Niggli’s Winery in Lodi. Er empfing die Schweizer freudig und könnte sich vorstellen, mehr solche Aktivitäten durchzuführen.

Primär empfängt er aber private Freunde bei sich in den Rebbergen, Martin Massüger oder Urs Limacher (beide Swissair/Swiss) oder Julia Berg (Alamo) waren beispielsweise schon zu Besuch. So bleibt Niggli «in touch» mit der Tourismusbranche innerhalb Europas. Eine Rückkehr in die Schweiz ist für ihn allerdings kein Thema: «Ich habe in der Schweiz alles aufgelöst, ich habe nicht mal mehr ein Bankkonto.» Niggli hat zwar noch den Schweizer Pass und lediglich eine Green Card für die USA, und natürlich habe er sich schon überlegt, die Zelte in Kalifornien abzubrechen. Er fühlt sich aber mit seiner Familie wohl in Lodi, und seine Kinder, die nun 8 und 15 Jahre alt sind, sprechen ohnehin wenig Deutsch. Zudem spürt man eine gewisse Dankbarkeit gegenüber seiner Wahlheimat: «Ein solcher Neustart, ohne Abschlüsse, hätte in der Schweiz nicht funktioniert. In den USA habe ich mir diesen Traum dank harter Arbeit und etwas Glück erfüllen können.»

Die Weine gibt's bei Zweifel - oder direkt

In der Schweiz führt Zweifel Weine in Zürich einige Rotweine der Borra Vineyards. Weitere Infos finden sich auf der Website der Borra Vineyards. Dazu präsentiert Markus Niggli auf Englisch die Borra Vineyards, bald Markus Wines, im folgenden Video (ab Min. 1:43).