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Jeff Katz sagt, er habe noch viele Freunde in der Schweiz, verfolge aber das Geschehen rund um Swiss nicht mehr gross. Bild: HO

Was macht eigentlich Jeff Katz?

Jean-Claude Raemy

Der einzige ausländische CEO der ehemaligen Swissair ist weiterhin stark in der Reisebranche aktiv. Travelnews.ch hat den früheren Airline-Topshot in San Francisco ausfindig gemacht.

Der Amerikaner Jeff Katz war von April 1997 bis Juni 2000 CEO der Swissair. Er war der erste und aufgrund des Swissair-Groundings im Oktober 2001 auch der einzige ausländische CEO des damaligen «Nationalheiligtums». Nach seinem eher abrupten Abgang hörte man in der Folge nicht mehr viel von ihm in der Schweiz. Dabei hat er noch viel Spannendes zu seinen aktuellen Tätigkeiten wie auch zu den Vorkommnissen um die Jahrtausendwende zu erzählen.

Herr Katz, Sie haben anno 2000 die Swissair eher überraschend verlassen, um beim amerikanischen OTA Orbitz anzuheuern. Können Sie darlegen, was die damaligen Beweggründe für Sie waren?

Jeff Katz: Ich habe wie alle anderen Mitarbeitenden auch die Gesellschaft Swissair geliebt. Es war eine fantastische Marke und ein Team, wo wir viel Respekt füreinander hatten. Dass ich Teil der Swissair-Community sein durfte, hat mich mit so viel Stolz erfüllt, wie ich es bis heute in keiner anderen Gesellschaft mehr erlebt habe. Ich vermisse die «Swissairler» – diese zu verlassen, war für mich sehr hart. Es war ein Privileg, fast vier Jahre für Swissair arbeiten zu dürfen und vier Jahre mit meiner Familie in der Schweiz zu verbringen. Ich habe heute noch gute Freunde in der Schweiz, welche in meinem Leben eine wichtige Rolle spielen. Ausschlaggebend für meinen Austritt war die Chance, eine neue «Internetgesellschaft» zu gründen und zu leiten, hinter welcher alle grossen US-Airlines mitsamt deren CEOs standen. Orbitz war in jenem Jahrzehnt, als sich Internetgesellschaften erst zu etablieren begannen, ein grosser Erfolg. Diesen verdankt es auch den tollen Mitarbeitern und einer gewissen Portion Glück.

Waren die sich abzeichnenden Probleme bei Swissair nicht auch ein Grund?

Viele der Aufgaben, welche ich bei Swissair zu erledigen hatte, drehten sich um die Adaptierung der Airline an einen weitgehend deregulierten europäischen Flugmarkt. Ich musste neue Methoden implementieren, um die Fluggesellschaft konkurrenzfähiger zu machen. Als ich über einen Abgang nachdachte, waren viele dieser Initiativen bereits implementiert oder aufgegleist – wobei dies natürlich ein Prozess ist, der nie zu Ende ist. Deshalb war das Timing meines Abgangs aus meiner Sicht in Ordnung.

Es ist aber wahr, dass die Strategie der SAirGroup die Marke Swissair auf viele Arten unterordnete – sogar die Blinden und Gehörlosen wussten, dass mir das Sorgen bereitete. Ich versuchte, den Gang der Swissair in andere Bahnen zu lenken, aber an der Gruppenstrategie wurde unerschütterlich festgehalten.

Ich hatte eine klare Meinung in Bezug auf unsere Marke, unser Netzwerk, unsere Allianzen oder auch dazu, wie wir als Konzern aufgestellt sein sollten. Einige dieser Ansichten ärgerten die Konzernleitung – das konnte ich beobachten. Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich die Swissair primär für eine gute neue Geschäftsgelegenheit verlassen habe. Obwohl die Arbeit bei Swiss und der SAirGroup nicht nur Glückseligkeit hervorrief, war es dennoch ein schwieriger, trauriger Entscheid. Es war aber für mich sowie für meine Familie der richtige Entschluss.

«Einige meiner Ansichten ärgerten die damalige SAirGroup-Konzernleitung»

Sie haben dann 2006 auch Orbitz und letztlich die Reisebranche verlassen – wobei sie noch bis 2009 im Verwaltungsrat von Nothwest Airlines sassen. Wieso unternahmen Sie diesen Schritt ausserhalb des bisherigen Karriereweges?

Ich verliess die Reisebranche für ein paar Jahre, um im Einzelhandels-Sektor zu arbeiten. Ich wollte etwas anderes erleben, eine neue Herausforderung annehmen. Ich war aber auch im Einzelhandel sehr stark in der Technologie- und Internet-Welt involviert. Heute bin ich wieder zurück in der Reiseindustrie, immer noch mit starkem Fokus auf Technologie.

Sie arbeiten jetzt unter anderem bei RR Donnelley. Können Sie kurz darlegen, was diese Firma macht?

Ich bin Verwaltungsratsmitglied bei RR Donnelley. Diese Firma setzt 7 Milliarden Dollar im Kommunikationsbereich um – Print, Kommunikationslösungen, Daten, Logistik. In diesem Bereich ist es die grösste Firma der Welt. Die Mission des Verwaltungsrats ist, eine sehr grosse Firma in einer sehr traditionellen Industrie durch die digitale Transformation zu begleiten. Des Weiteren bin ich im Verwaltungsrat einer sehr grossen Firmensoftware-Firma namens CA Technologies, mit Sitz in New York.

Das klingt noch nicht nach Reisebranche…

Doch, ich bin weiterhin stark in der Reisebranche involviert. Mein Fokus liegt auf Daten, welche ja die neue «Währung» in der Business-Welt sind. Ich bin noch in zwei weiteren Firmen involviert. Eine davon ist Journera, wo ich als CEO agiere. Mit Journera entwickeln wir eine so genannte «Experience Management Platform». Unsere Unterstützer und Geldgeber sind American Airlines, United Airlines, Marriott Hotels, Hilton Hotels, Hyatt Hotels, die Intercontinental Hotel Group und die Boston Consulting Group. Es geht hier um ein sehr modernes Konzept, welches sich in der Reiseindustrie erst noch durchsetzen muss. Ich bin überzeugt, dass dies der Fall sein wird.

«Mit Journera entwickeln wir eine so genannte 'Experience Management Platform'»

Verfolgen Sie denn noch, was bei Swiss oder in der Schweiz läuft?

Nein, ich verfolge weder Swiss noch Europa spezifisch. Ich bin zufrieden und ausgelastet mit meiner aktuellen Tätigkeit in der Reisebranche. Was wir mit dem Big-Data-basierten Startup versuchen, ist für die Branche wichtig – nicht nur für Airlines, sondern auch für Hotels, Transportbetriebe und mehr. Die Airline-Industrie ist interessant, aber die Zukunft des Reisens hat immer weniger mit Flughäfen und Flugzeugen zu tun, dafür mehr und mehr mit der technologischen Verbundenheit der gesamten Welt. Das klingt jetzt vielleicht futuristisch. Die Veränderung in der Branche wird aber getrieben von Information, von selbstfahrenden Transportmitteln – Autos, Schiffe, Drohnen, Flugzeuge - sowie von der Sharing-Economy mit AirBnB und weiteren ähnlichen Unternehmen. Die Reisebranche ist ein unendlich grosses und unendlich spannendes Tätigkeitsfeld. Ich bin froh, weiterhin darin involviert zu sein. Allerdings darf ich sagen, dass für mich Swiss eine der weltbesten Airlines ist. Wenn es irgendwie möglich ist, fliege ich mit Swiss. Ich glaube auch, dass die Zugehörigkeit zur Lufthansa-Gruppe und deren Allianz-Strategie eine Stärke der Swiss darstellen.

Wie sind Sie denn eigentlich als Chef? Viele ehemalige Swissair-Angestellte sagen, Sie seien sehr umgänglich und offen gewesen.

Das freut mich, wenn sich einige frühere Mitarbeitende in positiver Weise an mich erinnern. Ich denke, ich bin primär ein guter Zuhörer. Wie viele andere Manager habe ich natürlich auch eine klare Meinung, aber ich bin überzeugt, dass grosse Dinge nur erreicht werden, indem man auch zuhört, lernt und kooperiert. Ich war allerdings nie ein Diplomat. Ich fürchte mich nie zu sagen, was ich denke – gestützt auf alle möglichen mir zur Verfügung stehenden Daten und Fakten – und ich kann schnell vernunftbasierte Entscheidungen treffen.

Was würden Sie als Ihren grössten Erfolg bei Swissair bezeichnen?

Dass wir gebrandete Kaffeetassen auf allen Swissair-Flügen eingeführt haben! Spass beiseite: Wir waren ein tolles Team und alle meine Erfolg darin, eine tolle Marke und eine tolle Airline an die sich schnell ändernde Welt der Luftfahrt zu adaptieren, waren primär das Verdienst meiner Kollegen.

«Es gab auch in den schwierigsten Swissair-Zeiten viele Mitarbeitende, die ihr Bestes gaben. Das darf man nicht vergessen.»

Haben Sie noch ein paar abschliessende Bemerkungen zu dem, was letztlich mit der Swissair 16 Monate nach Ihrem Abgang passierte?

Im Gefolge der unvorhersehbaren Terroranschläge vom 11. September 2001 und den damit verbundenen Schockwellen in der Finanz- und Geschäftswelt hatte die Strategie der SAirGroup den Konzern massiv überschuldet hinterlassen – der Rest ist bestens dokumentiert. Die Zeit vor, während und nach «9/11» war extrem schnellebig, voller dramatischen Veränderungen und stellte ein unglaublich harsches Geschäftsklima für die weltweite Luftfahrtindustrie dar. Man darf nicht vergessen, dass alle ausser eine US-Fluggesellschaften seit 2001 entweder unter Gläubigerschutz gestellt werden mussten oder ganz von der Bildfläche verschwanden.

Die Umstände vor «9/11» waren schon schwierig und im Anschluss an dieses Ereignis gab es weltweit tragische Konsequenzen. Ich will nicht alles kommentieren, was damals vor sich ging. War die Gruppenstrategie verfehlt, wurden falsche Entscheidungen getroffen? Das wird man nie wissen und es hilft meiner Ansicht nach nicht, über Richtig und Falsch bei der Swissair während dieser turbulenten Zeit zu diskutieren. Man kann immer argumentieren, dass vieles falsch gelaufen ist, aber es gab auch zahlreiche gute Mitarbeitende, welche ihr Bestes gaben während dieser dramatischen Zeit für die Airline-Industrie. Das darf man nicht vergessen.