Trips & People

Das erneut gebuchte Zimmer 16 bietet Meerblick, viel Schatten zum Lesen und ermöglicht den Kontrollblick zum Pool. Bild: TN

Einwurf Die Stunde der Repeater

Gregor Waser

Bloss keine Experimente, sagen sich Ferienwillige nach pandemiebedingter, zweijähriger Reisepause – und buchen das gleiche Hotelzimmer wie schon einmal. So auch unser Autor.

Die Sommerferien der letzten beiden Jahre auf dem Balkon und in der Badi sind abgehakt. Jetzt müssen wieder richtige Ferien her – mit Sand zwischen den Zehen, Salzwasser im Haar und Tsatsiki oder Paella im Strandrestaurant.

Doch wohin geht der Ferientrip in diesem Jahr? 2022 dürfte von vielen Wiederholungstätern geprägt sein. Oder wie es seitens Hotelplan Suisse neulich hiess: «Viele unserer Kundinnen und Kunden werden sich für eine Destination entscheiden, die sie bereits kennen. Denn in unsicheren Zeiten reisen die meisten dorthin, wo sie sich bereits auskennen».

Tönt langweilig. Und hatten wir uns nicht früher über diese Klientel lustig gemacht? Hinter dem Reisebüro-Schalter witzelten wir nämlich Ende der 80er-Jahre unter Lehrlingskollegen über jene Kunden, die zum wiederholten Mal dasselbe Mallorca-Hotel und dieselbe Zimmernummer reservierten – und fürs Folgejahr bereits eine Option für die gleiche Zimmernummer hinterlegten. «Mein Gott, wollen die nie etwas Neues erleben? Diese Ferien werden ja völlig absehbar», schüttelten wir unsere Köpfe und buchten auf Kundenwunsch hin das Zimmer 327 in der Colonia Sant Jordi samt Vollpension.

Die Vorstellung immer gleicher Ferienaufenthalte war für uns schmerzhaft. Eine Reise war schliesslich gekoppelt mit der Erwartung neuer Begegnungen, mit wildfremden Eindrücken und unverhofften Abenteuern. Und wir fragten damals öfters mal am Freitagnachmittag bei Kuoni, Hotelplan oder Airtour Suisse an, ob es am Wochenende eventuell noch freie Chartersitze nach irgendwohin gäbe. Klar, morgen nach Kreta, kommt mit, hiess es damals grosszügig, schliesslich galt es die Lehrlinge bei Destinationskenntnissen zu unterstützen. Tags darauf fanden wir uns unverhofft in Kreta an der Hafenpromenade von Agios Nikolaos, unbeschwerte, abenteuerliche Tage vor uns.

«Bitte buchen Sie uns wieder Zimmer 16!»

Drei Jahrzehnte später sieht die Reisewelt, auch meine, anders aus. Die Pandemie hat in den letzten zwei Jahren fast alle Reisepläne auf den Kopf gestellt oder verunmöglicht. Der Trip, vor allem wenn er auch noch durch mehrere Länder führen soll, wird kompliziert. Die Reisehürden, Einschränkungen und Massnahmen vor Ort waren bisher unübersichtlich und verschwinden erst allmählich. Die Planung für die nächsten Ferien ist von Fragezeichen geprägt. Dabei ist die Lust gross, endlich wieder mal ausgelassene Strandtage und unbeschwerte Ferien zu erleben, in denen alles wie am Schnürchen klappt.

So kam es neulich beim Familiengeplauder über die nächsten Sommerferien zu einem erstaunlichen Entscheid: «Ach, lasst uns doch diese tollen Sommerferien von 2019 wiederholen». Damals kamen nämlich für einmal alle unisono auf ihre Rechnung – ausgiebiges Planschen und etliche gleichaltrige Gspänlis hier, Seafood vom Feinsten und spontanes Eintauchen in den lokalen Markt da, morgendliches Tennisstündchen und chilliges Lesen im Schatten dort. Nicht wie in den Vorjahren, wo es bei ihr («bloss keine Campingplatztoilette …»), dann bei ihm («bloss kein Museumsbesuch …») und dann bei ihm («bloss kein stundenlanger Stau im heissen Auto …») zu Abstrichen und einem Lätsch in den Ferien kam.

Nun ertappte ich mich vor einigen Tagen beim Tippen: «Bitte buchen Sie uns wieder das Hotel Laguna, Zimmer 16!» – und zuckte leicht zusammen, ob des Bünzlihammers, der in meinen vermeintlichen Abenteurer-Nacken einschlug. Ich überstand den Moment mit der Einsicht, dass ich nicht mehr 20 Jahre alt bin. Nun macht sich die Vorfreude breit auf das absehbare Vergnügen.

Ob das Leben als Stammgast («Hola Juan, como estas este año?») und der identische Meerblick auszuhalten sind oder ob einem am zweiten Ferientag das Gesicht einschläft, erfahren Sie nach den Sommerferien.