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War fünf Jahre lang CEO der Thomas Cook Group: Peter Fankhauser. Archivbild: Thomas Cook

Peter Fankhauser: «Plötzlich ist man raus»

Nachdem der ehemalige Thomas-Cook-CEO Peter Fankhauser die Prüfung der britischen Insolvenzbehörden überstanden hat, äussert er sich ausführlich zum Kollaps im September 2019. Er spricht über den tragischen Schluss von Thomas Cook und seine persönlichen Learnings.

Dringende Hörempfehlung für Brancheninteressierte: die neuste Ausgabe des deutschen Reisepodcasts «Hin & Weg» hat es in sich (nach dem Vorgeplänkel wird es ab 09:38 spannend). Erstmals äussert sich Peter Fankhauser ausführlich und sehr offen zur Insolvenz von Thomas Cook und seinem persönlichen Scheitern.

Lange war es still um den Berner Oberländer und CEO der Thomas Cook Group der Jahre 2014 bis 2019. Am 23. September 2019 ging Thomas Cook Pleite. 600'000 Touristen strandeten. Über 21'000 Mitarbeitende verloren ihren Job. In den letzten 28 Monaten musste sich CEO Peter Fankhauser den strengen Untersuchungen des Britischen Insolvency Boards stellen. Vor einer Woche wurde er von den Vorwürfen möglicher Rechtsverstösse nun freigesprochen. So war der Berner Oberländer nun bereit, einen ausführlichen Rückblick zu halten.

Zum Freispruch sagt er: «Dies ist bestimmt kein Grund zu feiern, ich bin immer noch traurig, dass ich es damals nicht geschafft habe. Aber dass kein Fehlverhalten vorgelegen hat, ist natürlich eine grosse Erleichterung – und wie ein neuer Start». Er fühle sich immer noch sehr verbunden mit dem Unternehmen. In den letzten zwölf Monaten bis zur Insolvenz habe das Team einen enormen Aufwand betrieben und es am Schluss dann doch nicht geschafft – «mit wahnsinnigen Auswirkungen auf Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten».

Ob es ihn nicht ärgere, dass TUI und Lufthansa mit Milliardenhilfen am Leben erhalten worden sind und Thomas Cook am Ende «nur» 200 Millionen Euro fehlten? «Dass ich die 200 Millionen nicht gekriegt habe, hat mich damals schon geärgert. Und es wäre ja nur um eine Sicherheit gegangen, nicht um neues Geld. Wenn Gläubiger auf 1,7 Milliarden verzichten und Geldgeber bereit waren 900 Millionen einzuschiessen ... das war eine Herkulesarbeit, dies auf dem Tisch zu haben. Aber rückblickend mit dem Wissen um die Covid-Krise: die 900 Millionen wären relativ schnell wieder weggewesen, wenn auch ohne Schuld. Das wäre noch katastrophaler gewesen», blickt der heute 61-Jährige zurück.

Sein letzter Arbeitstag

Auf die Frage, wie denn sein letzter Arbeitstag bei Thomas Cook war, schildert Fankhauser offen: «Es war ein Sonntag. Ich verbrachte den Tag mit den beiden Hauptverhandlungspartnern und dem Chairman und versuchte mit spanischen Hoteliers und der spanischen und türkischen Regierung die fehlenden 200 Millionen noch auf den Tisch zu bringen. Auch mit Banken und Fosun wurde hart verhandelt. Um 17.30 Uhr kam dann der Anruf der Regierung: 'wir unterstützen euch nicht'.»

Schon tagsüber habe sich abgezeichnet, dass ihm die Situation aus der Hand gleite. «Die Piloten wollten zum Teil nicht mehr fliegen, weil sie Angst hatten, nicht mehr zurückzukommen. Die Presse schürte die Unsicherheit noch mehr mit Fällen von Hoteliers, die drohten, Kunden aus dem Hotel zu nehmen. Der Aufsichtsrat entschied dann um 2 Uhr morgens die Insolvenz anzumelden. Um 6.30 Uhr stand ich zum letzten Mal vor der Presse. Ich entschuldigte mich und verlieh meinem Bedauern Ausdruck, dass wir es nicht geschafft haben.» (siehe Video vom 23. September 2019)

Der erste Tag nach dem Ende sei schlimm gewesen, wie wenn man innerhalb eines Meters von 200 km/h zum Stillstand komme, «das war extrem hart, ich war auf den Knien. Man begreift es noch nicht ganz, plötzlich ist man raus, aber es ist die harte Realität und für die 22'000 Mitarbeitenden war es genauso hart».

Zur Covid-Krise sagt Fankhauser, dass es extrem traurig sei anzuschauen, wie die ganze Tourismusindustrie, aber auch die Gastronomie und weitere Industrien, gebeutelt werden. Zwar habe der Tourismus fast jedes Jahr eine Krise erlebt, ob Eyjafjallajökull oder Arabischer Frühling, aber eine solche noch nie.

Persönliche Resilienz

Auf einen Rat angesprochen, wie in der Touristik Krisen zu meistern sind, sagt Peter Fankhauser: «Das Krisenmanagement in der Touristik ist durch die vielen Krisen extrem gut ausgebaut». Dann spricht er auch darüber, wie man als Person mit solchen Krisen umgeht und wie man die perönliche Resilienz stärken kann: «In den Jahren 2018 und 2019 brach bei Thomas Cook der Überlebenskampf aus und für mich stellt sich schon die Frage, woher habe ich die Kraft geschöpft dies durchzustehen.»

Sein Rat: «Sie müssen sich vorbereiten, in welcher Situation auch immer, fit zu sind. Nicht nur eine physische Fitness dank Joggen und sich Sorge tragen, sondern eine umfassende Fitness. Dazu gehört auch die psychische Fitness, bei der es um Konnektivität gehen, um die Beziehungspflege mit Freunden und Familie – so, dass Sie in einem Netzwerk sind, das sie in einer solchen Situation auffängt.» Weiter gehe es um eine mentale Fitness: «Hören Sie nie auf zu lernen. Das musste ich auch, ich war ja kein Spezialist für Restrukturierung in englischem Recht.» Und viertens nennt er eine «spirituelle Fitness». Das töne jetzt abgehoben, aber er glaube, dies sei unheimlich wichtig, was oberhalb des Kopfes oder im Herz ist: «Dass man eine Zielsetzung hat, einen Zweck und Sinn für sich selber und die Firma, der einem zieht». Diese vier Dimensionen seien extrem wichtig und geben die Resilienz, durch solche Krisen zu kommen.

Weiter spricht Peter Fankhauser offen über Selbstzweifel und dass er sich wünsche, dass Selbstzweifel im Management zugelassen würden. Ebenso blickt er in die Tourismuszukunft und unterstreicht die Bedeutung von Qualität und Nachhaltigkeit. «Flugscham» sei zwar wieder in den Hintergrund gerückt, aber die Tourismusindustrie muss sich auf die Nachhaltigkeit einrichten – heute und nicht erst im Jahr 2035.

(GWA)