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Diskutierten in der Transa-Filiale Markthalle Bern über das Reiseglück, von links: André Lüthi (CEO Globetrotter Group), Antonia Merz (Social-Media-Managerin bei Fairunterwegs), Nadja R. Buser (Projektleiterin Ausstellungen, Helvetas) und Gregor Waser (Mitgründer und Journalist bei Travelnews). Bilder: Laura Sieber / Caroline Kirnbauer

Auf der Suche nach dem Reiseglück

Im Rahmen des Fernweh-Festivals kam es beim Fairunterwegs-Talk zu spannenden Aussagen, wie und wo wir das Glück auf Reisen finden und zur Definition, was nachhaltiges Glück ist.

Brauchen wir die Auszeit, um in den Ferien all das zu vergessen, was uns im Alltag nervt? Wann empfinden wir Glück beim Reisen? Eröffnet uns Reisen neue Perspektiven, die wir mit in unseren Alltag nehmen? Diese Fragen standen im Zentrum eines Talks vom Samstag anlässlich des Fernweh Festivals in Bern. Von Fairunterwegs organisiert, fanden gut 40 Gäste in die Transa-Filiale Markthalle Bern. Es diskutierten Nadja Buser (Helvetas), Antonia Merz (Fairunterwegs) und André Lüthi (Globetrotter), Gesprächsleiter war Gregor Waser (Travelnews.)

Ja was ist eigentlich Glück? Nadja Buser, Ethnologin und Projektleiterin Ausstellungen bei Helvetas ist eine Glücksexpertin. Sie hat die Wanderausstellung «Global Hapiness» vor zwei Jahren ins Leben gerufen und gastiert mit der Ausstellung ab dem 4. November im Aquatis in Lausanne. Es gelte zunächst zwischen Zufallsglück (eine Hunderternote auf dem Boden finden) und Wohlfühlglück, das der Lebensqualität entspreche, zu unterscheiden: «Und beim Wohlfühlglück handelt es sich um das langfristige Wohlbefinden.»

Nadja Buser (rechts) erklärt, wie es die Schweiz ganze vorne auf den Global Hapiness Index schafft.

«Eigentlich sind wir ja ziemlich glücklich in der Schweiz. Ich lebe in einem reichen Staat, wir haben gute Institutionen, es herrscht kein Krieg, ich bin gesund, lebe in einer guten Beziehung, habe einen guten Job». Diese Lebensqualität bringe die Schweizer regelmässig auf die vordersten Ränge des Global Hapiness Index. Weiter verwies sie auf den Happy Planet Index, bei dem auch die Nachaltigkeit, der Zusammenhalt und die sozialen Netzwerke berücksichtigt sind. Und darauf tauchen auch lateinamerikanische Länder wie Costa Rica ganz vorne auf, wo der Austausch unter den Leuten besser zu sein scheint.

Globetrotter-CEO André Lüthi, eben von seiner 50. Reise nach Nepal zurückgekehrt, verwies bei der Frage nach dem Glück auf ein Gespräch mit einem Lama, einem Mönch, der ihm sagte: «Das Glück findest du nur bei dir». Da spiele es keine Rolle, ob man im Wohlstand lebt oder als Nomade in Tibet.

Und wo hat Antonia Merz, die 2017/2018 ein Jahr lang mit dem Tandem von der Schweiz nach Indosien fuhr, das Reiseglück unterwegs gefunden?

Antonia Merz schildert ihre Glücksmomente auf der einjährigen Tandem-Fahrt.

«Die Begegnungen mit den Menschen haben mich glücklich gemacht. Obwohl wir nicht die gleiche Sprache redeten, haben wir uns unterhalten. Wildfremde Menschen fragten uns, wollt ihr bei uns schlafen?» Und sie dachte für sich, ich könnte ja ein Kinderfresser sein. «Aber nein, dieser Vorschuss an Vertrauen, statt dies <oh nein, ich will nicht mit dir zu tun haben, wir sind in Mitteleuropa>, diese Situation war für mich das grösste Glück auf Reisen.» Die Welt sei kein böser Ort. Klar, wenn man Pech habe, könne einem die Welt fies ins Gesicht schlagen. «Aber wenn man kein Pech hat, sind die Menschen da und wollen dir alles, was sie haben, geben. In Tadschikistan im Zelt übernachten und jemand kommt vorbei, bringt dir ein warmes Getränk, das ist Glück, diese Verbundenheit finden wir nicht nur auf Reisen.»

In Vorderasien bei der Velotour um die halbe Welt einen Stopp einlegen, sei das eine, wandte Moderator Gregor Waser ein, die Realität sehe aber für viele Ferienreisende wie ihn – zumindest in den letzten zehn Jahren – so aus: aus Zeit- oder Geldmangel reichts für einwöchige Pauschalferien auf Mallorca, inklusive Ellbögeln am Hotelbuffet und Anstehen bei der Wasserrutsche. Die Suche nach dem Glück, zumindest jenem der Familie, suche man dann halt so... Sich sechs, sieben Wochen Zeit nehmen für eine lange, intensive Reise, sei für die meisten schwierig.

Der Fairunterwegs-Talk mit rund 40 Zuhörerinnen und Zuhörern wurde live auf Radio Rabe übertragen.

Nadja Buser schob ein, dass es weiter zwischen individuellem Glück und nachhaltigem Glück zu unterscheiden gelte. Der Ansatz des rein individuellen Glücks stimme in Zeiten des Klimawandels nicht mehr. Und sie zitierte dabei die kanadische Forscherin Catherine O'Brien, deren Ansatz sie bei der «Global Hapiness»-Ausstellung als Devise einfliessen liess:

«Nachhaltiges Glück ist Glück, das zu persönlicher, gemeinschaftlicher und globaler Zufriedenheit und Wohlbefinden beiträgt und nicht andere Menschen, die Umwelt oder kommende Generationen schädigt.»

Sie finde: bei der heutigen Auseinandersetzung über unsere Zufriedenheit, sei klar, es könne kein Ego-Trip mehr sein. «Wir können uns nicht mehr nur um uns kümmern. Denn mit jedem Entscheid, egal welchen Kaffee ich trinke, welche Schuhe ich kaufe, bin ich mit der weiten Welt verbunden. Und jeder Entscheid hat Auswirkungen auf andere Menschen.»

Wenn jeder Mensch sein Glück bei sich sucht und es findet, sagte André Lüthi, dann geht’s auch der Welt gut. Wie er das genau meine? «Ich sags mal so: Wir Menschen im Westen haben die Tendenz, unzufrieden und frustriert zu sein. Wir meinen, wir können bei vielen Dingen, mit denen wir nicht zufriden, mit konsumieren kompensieren. Bisschen shoppen am Samstag oder alle drei Jahre ein neues Auto kaufen, dann geht’s uns gut. Aber das alles hat Konsequenzen für den Planeten.»

«Geht raus, begegnet Menschen, lernt von der Welt, kommt mit anderen Augen nach Hause», beschreibt André Lüthi die Message in Richtung der Kunden in den Globetrotter-Filialen.

Diese Überlegungen seien auch von der Forschung unterlegt, sagte Nadja Buser. Weil man da sehr schnell mit der Frage konfrontiert sei, wieviel Geld benötige ich denn, um zufrieden zu sein. Und da gehe es nicht um etwas Esoterisches, wie man so oft meine, wenn es um das Thema Glück geht.

«Es gibt Wissenschaftler, die das beziffern, irgendwo bei einem mittleren-unteren Einkommen liegt die Zufriedenheit. Wenn man dann mehr verdiene, habe dies keine Auswirkungen mehr auf die Zufriedenheit.» Have it oder do it, sei ein weiterer Ansatz. Beim Reisen etwa stelle sich die Frage, kaufe ich etwas vor Ort oder bringe ich Erfahrungen nach Hause.

Auf die Frage, ob und wie denn in den Globetrotter-Filialen auf nachhaltiges Glück und nachhaltiges Reisen hingewiesen werde, sagt André Lüthi: «Wir sind nicht päpstlicher als der Papst. Aber wir versuchen schon mitzugeben: geht raus, begegnet Menschen, lernt von der Welt, kommt mit anderen Augen nach Hause. Diesen Spirit versuchen wir zu vermitteln, dass Reisen mehr ist als Ferien. Nichts gegen deine Rutschbahn, aber drei Wochen Pakistan ist schon was anderes. Und ein weiteres Kredo lautet, versuche so lange wie möglich unterwegs zu sein und mach nicht zu viele Dinge miteinander. Drei Wochen Südindien, statt das ganze Land bereisen zu wollen, das führt auch zu einer bewussteren Vorbereitung und Verarbeitung.» Dies könne der Beitrag von Globetrotter sein. «Dem Kunden verbieten, fünf Länder in drei Wochen zu besuchen, können wir nicht.»

Und wichtig für Globetrotter sei, wie ein Touroperator einkaufe. «Für 990 Franken eine Woche Halbpension nach Phuket, aber das Fischerdorf hinten dran hat kein Wasser mehr, weil wir duschen können, das geht nicht. Da haben alle eine Verantwortung, kritisch einzukaufen, wenn es auch ein wenig mehr kostet.»

(TN)