Trips & People

Zu Besuch beim weitgereisten Künstler Ted Scapa (links) im Berner Viererfeld – hier mit Emanuel Berger, über 30 Jahre lang Chef im Victoria Jungfrau in Interlaken. Bild: VB

Ein Reisender durch die Zeit und durch die Welt

Artur K. Vogel

Der wohl berühmteste Berner Künstler, Ted Scapa, im Januar 90 geworden, ist Anfang Jahr in eine Altersresidenz umgezogen. Doch die Erinnerungen und die Erinnerungsstücke an unzählige Reisen, Auslandaufenthalte und Freundschaften hat er mitgenommen.

Wenn er sich von seinen Wohnsitzen in der unteren Berner Altstadt, in Schönried im Berner Oberland, im Schloss Vallamand am Murtensee sowie in der Bretagne in eine Zweizimmerwohnung der Altersresidenz Burgerspittel im Berner Viererfeld zurückzieht, macht das Schlagzeilen: Der «Blick» hat berichtet, die «Berner Zeitung», die Gratiszeitung «Bärnerbär», das Nachrichtenportal «nau.ch». Denn Ted Scapa ist in Bern eine lebende Legende. Und er wohnt jetzt unter einem Dach mit einer weiteren Berner Berühmtheit, der noch ein Jahr älteren Schauspielerin Lilo Pulver.

Der grossgewachsene Mann mit der langen, weissen Mähne ist nicht einfach ein «Karikaturist», als den ihn einige bezeichnen. Geboren Mitte Januar 1931 in Amsterdam unter dem Namen Eduard Schaap, ist Ted Scapa quasi ein Einmann-Gesamtkunstwerk. In seiner neuen Wohnung verweist er auf moderne Leuchten, die er gestaltet hat. Auf einen Teppich mit vielfarbigen Elefanten, den er in Hongkong hergestellt hat und der jetzt unter dem Salontisch liegt. Auf Skulpturen, Swatch-Uhren, Briefmarken, Bücher und natürlich unzählige Bilder und Zeichnungen.

Einer ganzen Generation von Kindern war er in den 1960er- und 1970er-Jahren zudem als Moderator der Sendung «Spielhaus» im Schweizer Fernsehen bekannt. Und während dreissig Jahren leitete er den bekannten Berner Benteli-Verlag, der zuvor von seinem Schwiegervater geführt worden war, und verlegte dort als Erster die damals junge Garde der Schweizer Humoristen wie Franz Hohler, César Kaiser, Voli Geiler, Alfred Rasser, Hans Gmür und Werner Wollenberger.

Allgegenwärtige Kunst

Kunst ist in Scapas neuer Wohnung im obersten Stockwerk des Burgerspittel allgegenwärtig: Werke, ihm persönlich gewidmet, unter anderem von seinem langjährigen Freund Jean Tinguely und dessen Frau Niki de Saint-Phalle. Auch Werke seiner 2016 verstorbenen Frau Meret Meyer Scapa sind prominent vertreten. Auffällig sind auch Möbel der klassischen Moderne wie ein Barcelona-Sofa von Ludwig Mies van der Rohe und Lilly Reich und ein Lounge Chair samt Hocker von Charles und Ray Eames.

Aber etwas anderes ist noch augenfälliger als Bilder und Mobiliar: grosse Skulpturen aus Afrika, ein Reiter auf einem Riesenvogel zum Beispiel, oder aus Asien, etwa eine fast lebensgrosse, vergoldete Frauenstatue, exotische Tiere aus Bronze oder Terrakotta- und Holzfiguren aus China. Ein kleines, blaues Porzellanpferd aus Afghanistan, das Scapa sorgfältig präsentiert, war sein erstes Andenken.

«Andere kaufen Postkarten oder machen Fotos», sagt er, «aber ich wollte Sachen kaufen, die ich brauchen kann oder die einmalig sind.» Bevor er sich 1962 in Bern niederliess und Meret Meyer-Benteli heiratete, die auch fünf Jahre nach ihrem Tod noch immer gegenwärtig ist, führte Ted Scapa eine Art Nomadenleben. In Indien habe er geheiratet, aber das habe nicht lange gehalten, erzählt er lachend. Afghanistan war ein eindrückliches Erlebnis, Indonesien auch, in Hongkong herrschte ein freiheitlicher Geist, als die Briten noch da waren, und die chinesische Mauer war besonders eindrücklich.

Reisen und Abenteuer

Immer wieder erzählt Ted Scapa von Russland, von Sankt Petersburg, von Nischni Nowgorod. «Ich hatte immer Papier dabei», erläutert er. Auch auf Reisen zeichnete er unablässig. Das konnte zu spontanen Ausstellungen führen. Skurrile Erlebnisse wie eine Ankunft in Taschkent, der Hauptstadt Usbekistans, erheitern ihn noch heute: Dort hätten ihn russische Soldaten angehalten. «Ich sah mich schon im Gefängnis, aber sie fragten nur, ob ich zwei Eier oder drei Eier wollte.» Grosses Lachen. Er erinnert sich auch an den abenteuerlichen Flug über den Hindukusch nach Kabul.

Reisen sei ihm sehr wichtig gewesen, sagt Ted Scapa und bedauert, dass er sein Haus in der Bretagne – «seit Jahrzehnten mein Lieblingsort mit einem schönen Atelier» – wegen Corona schon lange nicht mehr besuchen konnte. Auf Reisen lerne man Menschen kennen, mache Freunde. Entscheidend sei aber, sagt der Künstler und spricht damit ein grosses Thema an: Entscheidend sei, dass man sich vorbereitet, bevor man reist. Nur so könne man die fernen Länder, ihre Geschichte und ihre Eigenheiten kennen und schätzen lernen.

Ted Scapa hat schon überall ausgestellt: In Museen, in Spitälern, in Kulturpalästen, im Luzerner KKL, im Teatro La Fenice in Venedig, in Shanghai, in St. Petersburg. Zu seinem 85. Geburtstag organisierte das Kunstmuseum Bern unter dem damaligen Direktor Matthias Frehner eine grosse Retrospektive. Und jetzt stellt er im Burgerspittel aus, seinem neuen Domizil. Die Vernissage am 1. Juli bewies, dass Ted Scapas Popularität ungebrochen ist: Die Laudatio hielt die Berner Finanzdirektorin Beatrice Simon. Auch Alt-Bundesrat Adolf Ogi gab sich die Ehre. Die neue Nachbarin Lilo Pulver war da, die Opernsängerin Martina Janková, der pensionierte Radiomann Roland Jeanneret. Die Ausstellung, die Burgerspittel-Direktor Eduard Haeni angeregt hatte, dauert bis 4. Oktober und steht unter dem Motto «Musik – Wein – Golf». Aber auch das Reisen spielt eine Rolle: Ein grosses Bild zum Beispiel zeigt Schiffe, ein kleineres eine Gondel in Venedig.