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Der gebürtige Deutsche Erik Karl betreibt seit 2015 sein eigene Unterkunft «Tower Bridge Hostel» im mexikanischen Puerto Escondido. Alle Bilder: zVg

Vom Investmentbanker zum Hostel-Besitzer

Nina Wild

Erik Karl hat sein Leben als Investmentbanker in Deutschland hinter sich gelassen, um an der Pazifikküste in Mexiko ein vernachlässigtes Hostel auf Hochglanz zu polieren. Heute ist der Deutsche mit dem «Tower Bridge Hostel» und allen Herausforderungen, welche eine eigene Unterkunft mit sich bringt, glücklicher denn je. Travelnews erzählt seine Geschichte.

Der gebürtige Deutsche Erik Karl lebt das Leben, von welchem viele träumen. Im Jahr 2015 hat er mit seiner damaligen Partnerin das heruntergekommene «Tower Bridge Hostel» im verschlafenen Städtchen Puerto Escondido im Süden von Mexiko erworben. Heute steht dort eine gesellige Unterkunft für Backpacker mit tropischem Ambiente, einem Pool, einer Küche sowie Bar und es werden naturbezogene Touren mit heimischen Anbietern für die Reisenden durch die Region organisiert. Aber von Anfang an.

Zum ersten Mal hat Karl das mittelamerikanische Land im Jahr 2003 eher zufällig bereist. Geplant war eigentlich ein Trip nach Bolivien, doch der damals wütende Bürgerkrieg machte ihm einen Strich durch die Reisepläne. Also ging es nach Mexiko: «Ich habe mich spontan sehr wohl gefühlt in diesem Land, in welchem die Menschen so gerne lachen. Besonders aufgefallen ist mir der grosse Respekt, mit welchem sich die Menschen im Alltag begegnen», beschreibt Karl seine Faszination für das Land.

In den kommenden Jahren kam der Abenteurer immer wieder zurück, entdeckte die verschiedenen Facetten des Landes und fand Freunde fürs Leben in Puerto Escondido. Seine ehemalige Partnerin teilte seinen Enthusiasmus. «Ich fühlte mich stets frei und zu Hause, wenn ich in Puerto Escondido war. So lernten wir auch den englischen Eigentümer des Tower Bridge Hostels gut kennen», erinnert sich Karl, «als er das Hostel doch arg vernachlässigt hatte und es verkaufen wollte, stiegen wir ein.»

Das wahre Glück

Dabei kommt Erik Karl beruflich aus einer Ecke, die gegensätzlicher nicht sein könnte, wie er erklärt: «Ich habe eine Ausbildung zum Bankkaufmann absolviert, BWL in Münster und Trier studiert, danach 17 Jahre im europäischen Finanzwesen im Investmentbanking gearbeitet.» Mit dieser Tätigkeit, bei der sich der ganze Tag nur um Geld dreht, machte der Deutsche nach und nach Schluss: «Zuerst lebten wir zwei Jahre lang im Winter in Mexiko und arbeiteten im Sommer in Europa. Dann trennten sich unsere privaten Wege, und ich entschied mich dazu, dauerhaft in Mexiko zu leben.»

Eine Entscheidung, welche sich als nicht immer einfach herausstellen sollte, aber dennoch so viel Gutes mit sich bringt: «Ein vernachlässigtes Hostel im laufenden Betrieb auf Hochglanz zu bringen bedeutet viel Schweiss und Beharrlichkeit. Doch anders als in der Corporate World der Banken empfand ich grosses Glück dabei, beispielsweise neue Pflanztöpfe auszusuchen, eine neue To-Do-Liste für die Bar zu schreiben oder Begrüssungs-Drinks für die Gäste zu erfinden», schwärmt Karl.

Besonders die Abwechslung im Alltag und damit einhergehenden kleinen und grösseren Herausforderungen schätzt der heutige Hostel-Besitzer an seinem neuen Leben in Mexiko. Täglich kümmert er sich um Gäste, Mitarbeiter, Steuern, Instandhaltung, Erweiterungen, Buchungsportale, Internetauftritte, Bewertungen und deren Beantwortung, Behördengänge oder Projekte - langweilig wird es ihm sicherlich nicht.

«Wir achten darauf, mit Familienunternehmen zusammen zu arbeiten, so dass der Tourismus so weit wie möglich umweltbewusst bleibt und seine Erlöse in der Region bleiben»

Heute beschäftigt der ehemalige Investment-Banker acht feste Mitarbeiter sowie fünf Volunteers, also Reisende, welche im Hostel wohnen können und als Gegenzug bei verschiedenen Jobs unter die Arme greifen. Die Zusammenarbeit mit den Behörden verlaufe problemlos: «Man kennt sich, begegnet sich mit Respekt und – entgegen aller Mutmassungen – schiebt man kein Geld unter dem Tisch herüber», erklärt Karl. Die Lieferanten und Arbeiter für Unterhalts- und Umbauarbeiten kennt der Hostel-Besitzer schon jahrelang: «Mit dem Preis und der Qualität der Dienstleistungen bin ich sehr zufrieden.»

Es mag vielleicht überraschend klingen, doch die gegenwärtige Pandemie hat dem Ausgewanderten im positiven Sinne in die Karten gespielt. Während internationale Gäste fast auf dem ganzen Planeten ausbleiben, zeichnet sich im Tower Bridge Hostel genau das Gegenteil ab: «Durch die Corona-Pandemie verzeichneten wir einen wahnsinnigen Zulauf. Seit sechs Monaten sind wir ausgebucht», freut sich Karl. Als Begründung vermutet er, dass Mexiko als eines der einzigen Länder überhaupt Tourismus zulasse. Auch gäbe es kaum behördliche Auflagen. Das Leben fühle sich deshalb recht normal an.

Also reisen plötzlich Touristen aus aller Welt in das beschauliche Puerto Escondido, das übrigens auch bei Surfern aufgrund der Wellen sehr beliebt ist. 2003, als Erik Karl zum ersten Mal dort war, existierte neben ein paar kleineren Hotels und ein paar Wohnhäusern nichts. Heute findet sich am anderen Ende der Stadt eine grosse Partymeile mit elektronischer Musik. Die Umgebung des Tower Bridge Hostels ist ruhig und authentisch geblieben und die Badestrände sind rund einen Kilometer entfernt.

Mit diesem Wachstum in den vergangenen Jahren sind folglicherweise auch die Unterkünfte wie Pilze aus dem Boden geschossen. Die Reisenden haben die Qual der Wahl, wo sie ihren Aufenthalt verbringen können. Weshalb sollten sich Weltenbummler also für das Tower Bridge Hostel entscheiden? Karl fasst zusammen: «Wir sind ein sehr geselliges Hostel. Alle Unterkünfte sowie Küche, Bistro, Lobby, Rezeption sind rund um einen Pool innerhalb eines tropischen Gartens angelegt. Unser Fokus liegt auf Naturerlebnissen, weshalb wir viele Touren zu Fuss, zu Pferde, per Surfboard und per Pick-up-Truck anbieten. Etliche davon sind selbst ausgearbeitet. Wir achten darauf, mit Familienunternehmen zusammen zu arbeiten, so dass der Tourismus so weit wie möglich umweltbewusst bleibt und seine Erlöse in der Region bleiben.» Plastikflaschen wurden verbannt und durch eine moderne Trinkwasseraufbereitungsanlage ersetzt. Bald soll der Strom mit Solarzellen erzeugt werden.

«Ich bin eigentlich hierhergekommen, um auf Dauer etwas weniger zu schuften. Daher steht aktuell erst einmal Saxofon-Unterricht auf meiner Wunschliste»

Übrigens hat die Autorin dieses Artikels die Unterkunft während ihrer dreiwöchigen Mexiko-Reise Ende März selbst besucht. Ausschlaggebend für die Buchung waren für sie die knapp 2000, fast durchwegs positiven Bewertungen auf dem Buchungsportal «Hostelworld» und der gleichzeitig mehr als faire Preis für die Übernachtung. Dort angekommen machte sich sofort ein Gefühl des Dazugehörens breit und ein Wohlfühl-Effekt durch alle Annehmlichkeiten und die liebevolle Gestaltung der Unterkunft.

Neben der genannten Plattform kann das Hostel auch über die eigene Website oder Booking gebucht werden. Ausserdem ist eine Kooperation mit einer Sprachschule geplant, damit künftig Pakete für Unterkunft und Sprachkurs angeboten werden können. Und welche weiteren Projekte hat Erik Karl in der Pipeline? «Ideen habe ich, aber in diesem Jahr runde ich das jetzige Projekt erst einmal ab. Ich könnte mir Kooperationen mit Surf-Ho(s)tels in der weiteren Umgebung vorstellen. Ich bin eigentlich hierhergekommen, um auf Dauer etwas weniger zu schuften. Daher steht aktuell erst einmal Saxofon-Unterricht auf meiner Wunschliste», sagt Karl abschliessend.