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Entfachte stets von neuem ein Feuer: Hanna Rychener Kistler, hier beim 25-Jahre-Jubiläum der IST, getragen von langjährigen Wegbegleitern. Bilder: TN

Mein 2020 «Auf Distanz war alles noch strenger als im Präsenzunterricht»

Zu ihrem letzten Arbeitstag und operativen Arbeitsjahr haben wir Hanna Rychener Kistler befragt, IST-Gründerin und Verwaltungsratspräsidentin.

Frau Rychener Kistler, heute ist Ihr letzter Arbeitstag als Direktorin der IST Höhere Fachschule für Tourismus. Wie fühlen Sie sich?

Hanna Rychener Kistler: Ich kann es eigentlich gar nicht richtig sagen, was ich fühle. Ich war bis zu diesem letzten Tag so voll auf Touren, wie ich es in den vergangenen beinahe drei Jahrzehnten war. Ich werde wohl im neuen Jahr dann erst einmal etwas runter fahren und durchatmen. Aber das ist gut so. So bin ich eben. In Bezug auf die neue Dreier-Geschäftsleitung hingegen, die zusammen mit meinem gesamten bestehenden Team das Ruder nun in die Hand nimmt, fühle ich mich sehr gut und freue mich, dass ich diese Truppe galoppieren lassen kann.

Wie wird der 4. Januar 2021, der erste Arbeitstag im neuen Jahr, ausschauen? In welcher Form treten Sie im 2021 bei der IST in Erscheinung?

Am vierten Januar werde ich wohl zum ersten Mal nicht um fünf Uhr aufstehen, sondern gemütlich mit meinem Mann, wie an den Sonntagen erst etwas später zum Kaffee gehen. Und dann werde ich den Tag einfach mal auf mich zukommen lassen. In der Folge werde ich aber schon noch an der IST auftauchen. Ich behalte ja das VR-Präsidium, sowie die Verantwortung in den verschiedenen Gremien der Bildungspolitik, insbesondere für die Tourismus- und Hotelfachschulen. Auch das Qualitätsmanagement (ISO) an der IST führe ich weiter. Und ich stehe natürlich der neuen GL jederzeit für Fragen und mit Rat und Tat zur Seite, wann immer sie mich brauchen.  Die IST ist neu auch vollumfänglich in die Vantage Education Group (eine Bildungsgruppe mit vier grösseren Höheren Fachschulen) integriert. Und da wird auch auf Gruppen-Ebene viel Spannendes geschehen.

«Nicht zu unterschätzen ist das Phänomen der Vereinsamung.»

Dieses Pandemie-Jahr hat die Welt auf den Kopf gestellt. Wie hat sich diese ausserordentliche Situation auf die IST und den Schulalltag ausgewirkt?

Es war im März ein Shock, als der erste Lock Down kam. Aber wir waren zum Glück schon etwas vorbereitet mit der Umstellung auf den digitalen Unterricht. So konnten wir ab dem ersten Tag und der ersten Lektion das Home Schooling sicher stellen. Dass dieser Zustand so lange andauern und vor allem in noch grösserer Heftigkeit im Herbst wieder über uns rollen würde, hatten wir wirklich nicht befürchtet. Es erforderte sehr viel zusätzliche Energie und Aufwand. Alles war auf Distanz einfach noch strenger, als im Präsenzunterricht, sowohl für die Dozierenden, für die Studierenden, und für das ganze IST-Team. Es hat aber unglaublich viel Verständnis und auch Dankbarkeit ausgelöst, und die Verbundenheit mit der IST hat sich noch mehr verstärkt.

Welche Stimmung haben Sie in den letzten Monaten bei den IST-Studierenden festgestellt?

Zu Beginn war es «cool». Die Studis fanden es lässig von zuhause aus, auf dem Balkon, auf dem Sofa, im Pyjama dem Unterricht folgen zu können. Vor allem auch für diejenigen in den berufsbegleitenden Lehrgängen war es teilweise eine grosse zeitliche Entlastung. Insbesondere diese Studierenden wünschen sich eine teilweise Fortsetzung dieser Form auch in Zukunft. Nicht zu unterschätzen ist aber das Phänomen der Vereinsamung. Die sozialen Kontakte fehlten fast gänzlich, und alle sehnten sich nach Begegnung und Präsenz. So waren die Studierenden nur schon dankbar, dass sie im Herbst wenigstens für die Prüfungen wieder an die Schule kommen durften. Ich glaube, dass sich unsere Studierenden noch nie so sehr auf jeden Prüfungstag gefreut haben, wie in diesem unsäglichen Jahr.

Mit welchen Learnings geht die IST aus der hoffentlich bald beendeten Krise hervor?
Wir haben sehr viel gelernt mit diesen neuen, digitalen Unterrichtsformen, die wir auch in Zukunft einsetzen werden. Es wird sich bestimmt eine hybride Unterrichtsgestaltung durchsetzen. Trotzdem ist und bleiben der direkte Kontakt und auch der Präsenzunterricht ein zentraler Bestandteil des Schulbetriebes. Die Bildung und insbesondere auch unsere Branche sind und bleiben ein «people’s business».

Ist zu befürchten, dass der Tourismus in diesem Jahr an Attraktivität verloren hat und sich künftig junge Menschen weniger für eine Ausbildung in diesem Gebiet interessieren?

Bis jetzt mussten wir diese Erfahrung nicht machen, ganz im Gegenteil! Die jungen Menschen halten an der «Faszination Tourismus» fest. Und wir geben ihnen die Perspektive «rüste dich jetzt, so bist du bereit für nach der Krise, wenn es mehr denn je gut ausgebildete Fachkräfte brauchen wird». Und dieses Argument besticht. Anders wird es wohl sein, sollte sich die Krise zu lange nicht erholen. Dann könnte dieser Optimismus kippen. Hoffen wir, dass dies nicht eintreffen wird und sich die Lage ab 2021 zu entspannen beginnt.

Was spricht dafür, dass eine Tourismusausbildung künftig noch bedeutungsvoller ist?
Unter den neuen Vorzeichen, in denen sich der Tourismus in der Zukunft weiter entwickeln wird, wird es noch besser ausgebildete Fachkräfte brauchen, welche neue und weitere Kompetenzen ausweisen – insbesondere in der gesamten digitalen Welt. Dies ist die prioritäre Aufgabe der Bildungsstätten, diesen Ansprüchen gerecht zu werden. Die IST rüstet sich dazu weiter auf.

«Ich wünsche meinen Nachfolgern viel Durchhaltewillen und eine grosse Portion Optimismus und Zuversicht.»

Sie legen die operative Führung in die Hände des Trios Thomas Jenzer, Nicole Diermeier und Andréanne Kohler. Welche Wünsche richten Sie an Ihre Nachfolger?

Ich wünsche ihnen, dass sie mit ebenso grosser Freude, mit ebenso viel Herzblut und mit ebenso grosser Erfüllung ihre Aufgaben anpacken können. Ich wünsche ihnen viel Durchhaltewillen und eine grosse Portion Optimismus und Zuversicht. Ich wünsche ihnen aber auch, dass sie weise zuhören und zuschauen, dort wo es weiter zu lernen gibt. Und ich wünsche ihnen den Spirit «go the extra mile».

Sie haben vor 28 Jahren die IST gegründet und viel erlebt. An welche Momente denken Sie besonders gern zurück?

Oh, da gibt es so viele, dass ich wohl ein Buch schreiben könnte. Aber ich versuche einige hervor zu heben: Da war der Mut und dann der Moment der zur Eröffnung unserer IST Lausanne im 2008. Da war die Kooperation mit KUONI India, als wir plötzlich ganz viele indische Studenten in unseren Schulräumlichkeiten empfingen und alles anders, aber spannend und lustig war. Da war das «Best of IST» anlässlich des 20-Jahre-Jubiläum im Verkehrshaus Luzern. Da war der grosse 25-Jahre-Jubiläums-Anlass mit Nationalratspräsident Dominique de Buman am Zürich Airport. Und da war für mich die Krönung mit der letztjährigen Milestone-Auszeichnung für mein Lebenswerk im Bern mit der Laudatio von Prof. Hansruedi Müller und im Beisein von Bundesrat Guy Parmelin.

Bundesrat Guy Parmelin überreichte 2019 Hanna Rychener Kistler den Milestone für ihr Lebenswerk.

Aber vor allem erinnere ich mich auch an jede einzelne der 58 Diplomfeiern, die ich zelebrieren durfte und die jede einmalig und einzigartig war. Und last but not least an die vielen Momente mit meinem wunderbaren Team – täglich verteilt über beinahe drei Jahrzehnte! Ich sage aus tiefem Herzen DANKE!


(TN)