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Dario Cremona ist Gründer des Kreuzfahrt-Blogs «Cruiseexperience» und weilt derzeit fern ab von Corona auf der MS Europa 2 auf den Kanaren. Bild: Dario Cremona

Sieben Kreuzfahrten während einer Pandemiewie geht das?

Nina Wild

Dario Cremona hat in diesem schwierigen Jahr gleich sechs Kreuzfahrten unternommen – eine weitere Cruise ist über die Neujahrswende geplant. Er trotzt der globalen Krise. Im Interview mit Travelnews spricht der 21-jährige über seine Leidenschaft für diese Reiseform, seinen erfolgreichen Blog und weshalb er sich als Protagonist und nicht Feriengast sieht.

Dario Cremona weilt gerade auf der MS Europa 2 in den Kanaren, als wir ihn telefonisch für ein Interview erreichen. Dies ist die sechste Kreuzfahrt, die der junge Mann in diesem schwierigen Jahr unternimmt. Gegenüber Travelnews erklärt er ausführlich, wie das überhaupt möglich ist, weshalb er sich glücklich schätzen kann und was sein Blog «Cruiseexperience» damit zu tun hat.


Herr Cremona, Sie werden über Neujahr voraussichtlich Ihre siebte Kreuzfahrt in diesem Jahr absolvieren – und das während einer globalen Pandemie. Wie ist das möglich?

Dario Cremona: Zum einen spielen hierbei sicher die Schutzkonzepte eine grosse Rolle. In Europa wurden ziemlich schnell mithilfe der Behörden und Verbänden Schutzkonzepte erarbeitet, die auch zeitnah umgesetzt werden konnten. Wenn man hierbei beispielsweise mit den USA vergleicht, wo die Schiffe noch immer stillstehen, sind wir Europäer innerhalb von wenigen Wochen wieder an den Start gegangen. Zum einen verdanke ich meine Reisen also den involvierten Staaten Europas, aber auch der epidemiologisch günstigen Lage im Sommer. Die Fallzahlen wurden über die warmen Monate auf ein tiefes Niveau gebracht, sodass vereinzelte Reedereien wieder starten konnten. Meine erste Kreuzfahrt unternahm ich also Ende Juli mit der Mein Schiff 2 von TUI Cruises. Diese «Blaue Reisen» ohne Landgang wurden sehr kurzfristig aufgelegt und verkauft. Ich glaube 13 Tage vor Abreise. Ich weiss noch, dass ich damals mit meiner Chefin am spazieren war, als die Reisen am Mittag aufgeschaltet wurden - eine halbe Stunde später hatte ich bereits gebucht. Anschliessend folgten weitere Schiffsreisen mit Rivage Flussreisen, Costa Crociere, MSC Cruises, aktuell bin ich mit Hapag Llloyd Cruises auf den Kanaren unterwegs und wenn alles klappt, verreise ich über den Neujahrswechsel noch einmal mit einem Kreuzfahrt-Unternehmen. Meine erste Kreuzfahrt im 2020 war vor der Krise im Februar in Dubai, als Corona zwar schon ein Thema war, aber die Reisewelt noch nicht gross tangiert hat.

Wie hat sich das Kreuzfahrterlebnis durch die Pandemie verändert?

An Bord der Schiffe sind die Hygienemassnahmen natürlich nicht mehr wegzudenken. Dazu gehört das Social Distancing, Hygienemaskenpflicht, Kapazitätsbeschränkungen, Temperaturkontrolle, das Vorweisen eines negativen PCR-Testergebnis vor der Einschiffung und so weiter. Ich muss sagen, dass es zu Beginn des Restarts noch weniger kompliziert war als jetzt. Damals Ende Juli war es noch keine Pflicht, einen Coronatest zu machen um an Bord zu gehen. Als die Fallzahlen europaweit wieder gestiegen sind, wurden weitere Massnahmen eingeleitet, die nun nicht mehr wegzudenken sind. Dazu gehört eben das Testen vor der Abreise. Das erfordert viel Organisation und Planung im Voraus, einfach schnell eine Kreuzfahrt für Tag X buchen geht heute nicht mehr. Im Voraus befasst man sich also nun mit Einreisebestimmungen, Gesundheitsformularen, dem Suchen nach passenden Flugverbindungen, die ja ebenfalls stark reduziert sind. Durch die Veränderungen dauern manche Prozesse länger. Anstatt 30 Minuten dauert das Check-In heute zwei Stunden. Man muss wirklich an sehr viel denken, das hat sich grundlegend verändert durch die Epidemie.

Das Erlebnis Kreuzfahrt an sich ist jedoch sehr ähnlich geblieben wie zuvor. Auf dem Meer sein und dem rauschen des Wassers zu lauschen oder das hervorragende Essen an Bord sind noch immer gleich. Beim Entertainment müssen aktuell noch Abstriche gemacht werden. Partys auf dem Pooldecks oder aufwändige Shows gibt es zurzeit leider nicht. Auch trifft man nicht hunderte Leute wenn man sich in eine Lounge in der Mitte des Schiffes begibt. Zurzeit ist das aufgrund der Situation schlicht und einfach nicht möglich. Das fehlt mir schon ein wenig. Es ist bedeutend ruhiger geworden auf den Schiffen, was die Reise aber wiederum auch entspannter macht.

Kreuzfahrt-Fans müssen also doch einiges in Kauf nehmen, um in der jetzigen Situation zu reisen. Sie haben die aufwändige und langwierige Planung in diesem Jahr gleich mehrere Male in Kauf genommen - was macht diese Faszination aus?

Als ich die erste Kreuzfahrt nach dem Lockdown mit TUI Cruises gebucht habe, war mein Ziel herauszufinden, wie es an Bord ist. Ich wollte den Leuten zeigen, dass die Schutzkonzepte greifen und funktionieren. Ich sah mich also in erster Linie als Protagonist und nicht als Feriengast. Die Kreuzfahrten dienten dazu, um den Leuten das Vertrauen zurückzugeben, dass diese Reiseform auch in Coronazeiten möglich und noch viel wichtiger auch sicher sind. Das war und ist noch immer meine Motivation. In der Schweiz, Deutschland und Österreich sind wir sehr privilegiert, dass wir überhaupt auf die Schiffe gehen dürfen. Viele Europäer werden bis heute ausgeschlossen.

Hand aufs Herz Herr Cremona - Sie sind erst 21 Jahre jung und das Durchschnittsalter auf den Schiffen deutlich höher. Trotzdem brennen Sie für diese Reiseart. Woher kommt diese Begeisterung?

Ich denke - und ich weiss, dass das total kitschig klingt - ich diese Kreuzfahrt-Euphorie in meinem Blut habe. Meine Grosseltern und wiederum auch deren Eltern und Grosseltern lebten immer schon am Meer. Meine Grosseltern stammen aus Italien. Meine Grossmutter ist in La Spezia und mein Opa in Palermo aufgewachsen, er war in seinen jungen Jahren Fischer. Als ich mit zehn Jahren zum ersten Mal auf ein Schiff ging hätte es natürlich sein können, dass mich das wenig oder gar nicht beeindruckt. Aber dadurch, dass ich das in meinen Genen trage und die ganze Familie einen Bezug zum Meer hat, war diese Reiseart wie für mich geschaffen. Und das wusste ich bereits im Jahr 2010. Es war immer wieder das gleiche: Meine Mutter wollte unbedingt ein Wellness-Weekend verbringen, aber nicht die ganze Familie zuhause lassen. Also hat uns eine Freundin vom Reisebüro eine Kreuzfahrt empfohlen. Auf dem Schiff hat man All-Inclusive, sie kann im Spa entspannen und die Kinder können sich auf dem Schiff austoben. Zudem stimmt das Preis-Leistungsverhältnis. Das haben wir dann auch gemacht. Ich war hin und weg von diesem imposanten Schiff und es hat mich sofort gepackt! Und heute, jedes Mal wenn ich eine Reise plane, baue ich noch eine Kreuzfahrt mit ein. Ohne kann ich nicht leben.

Teilweise verstehe ich die Vorurteile, die manche Menschen oder auch Familien mit Kindern an den Tag legen, nicht. Eine Kreuzfahrt ist so eine tolle Reiseart. Und es gibt ja auch nicht nur 6000-er Schiffe sondern auch solche für 180 Personen. Die Spannbreite ist riesig und für jedes Klientel lässt sich etwas passendes finden. Ich glaube nicht einmal in der Hotellerie ist die Vielfalt so gross wie in der Kreuzfahrt-Industrie.

«Ich sah mich also in erster Linie als Protagonist und nicht als Feriengast. Die Kreuzfahrten dienten dazu, um den Leuten das Vertrauen zurückzugeben, dass diese Reiseform auch in Coronazeiten möglich und noch viel wichtiger auch sicher sind.»

Mit derselben Leidenschaft betreiben Sie nun seit fünfeinhalb Jahren Ihren Kreuzfahrt-Blog «Cruiseexperience» und tragen damit Ihre Begeisterung und Ihr Wissen in die Welt hinaus. Auf dem Instagram-Account zählt der Kanal knapp 28'000 Follower, das ist schon eine beeindruckende Menge für ein Nischen-Produkt wie Kreuzfahrten. Wie kam es dazu und was ist Ihr Erfolgsrezept?

Am 3. Juli 2015 war ich mit Freunden draussen und es war der Abschlusssommer der Sekundarschule, bevor die Ausbildung losging. Ich hatte dann plötzlich den Gedanken, dass ich unglaublich viele Bilder von vergangenen Kreuzfahrten habe, die ich gerne mit der Welt teilen will. Also tat ich das und wartete ab, wie sich das Ganze entwickelt. Schon immer haben mich die Sozialen Medien begeistert und ich finde es beeindruckend, wie viele Personen man erreichen kann. Und die Umsetzung für Unternehmen ist kein grosser finanzieller Aufwand, wenn man mit anderen Marketing-Instrumenten vergleicht. Also dachte ich, ich will es versuchen. Am besagten 3. Juli eröffnete ich ein Instagram-Konto und innerhalb von einem Jahr verzeichnete ich 10'000 Abonnenten. Ich war damals einer der ersten Kreuzfahrt-Blogger, deshalb vielleicht auch das schnelle Wachstum.

Schwierig zu sagen, was mein Erfolgsrezept ist. Ich glaube es ist wichtig, dass man nicht stehen bleibt und immer wieder etwas Neues bietet. Zwischen meinen Anfängen und jetzt liegen Welten, ich bin viel professioneller im Auftritt geworden. Ich konnte mir in den Vergangenen Jahren ein Bewusstsein bei den Reedereien aufbauen als Kreuzfahrt-Blogger. Immer häufiger schicken mir die Reedereien Kooperationsanfragen, die mir meinen Status bestätigen. Das wiederum hat meine Abonnentenzahl sicherlich auch noch einmal in die Höhe schellen lassen. Ich hatte vielleicht auch Glück, dass ich bei der Lancierung einen guten Zeitpunkt erwischt habe. Vor etwa eineinhalb Jahren habe ich begonnen, mich vermehrt auf meinem Account erkennbar zu machen. Meine Follower schätzen meine Persönlichkeit und authentische Art. Sie konnten dadurch noch mehr einen Bezug zu meiner Person aufbauen. Meine Follower kontaktieren mich auch, wenn sie Fragen haben zu Kreuzfahrten. Ich glaube meine Fans sehen mich schon ein wenig so wie «den besten Freund von nebenan». Ich bin eben keine Werbung im Fernsehen, sondern der Dario, der ehrlich ist und sagt wie es ist.

Unter den Kreuzfahrt-Fans sind Sie also kein Unbekannter. Wurden Sie während einer Reise schon einmal erkannt und nach einem Autogramm gefragt?

(lacht) Nein, nach einem Autogramm wurde ich noch nie gefragt. Aber wenn ich jeweils auf eine Kreuzfahrt gehe, kündige ich dies im Voraus auf meinen Social-Media-Kanälen an. Die Leute lesen das dann und manchmal ergibt es sich, dass auch Followers auf der gleichen Reise sind. Letztes Jahr auf einer Kreuzfahrt in Amerika kam das vor und auch auf der Neustart-Reise der MSC Grandiosa haben mich die Leute angesprochen. Ich werde also schon wahrgenommen. Das ist manchmal etwas komisch, weil ich mich selber ja als Dario wahrnehme und nicht als Social-Media-Star. Die Reaktionen der Leute zu beobachten ist aber dennoch witzig. Es ist auch schon vorgekommen, dass mir Personen, welche mich gesehen haben, erst geschrieben haben, als die Reise schon vorbei war. Das finde ich schade, weil ich ein offener Mensch bin und mich gerne mit anderen über Kreuzfahrten oder Gott und die Welt austausche.

Influencer werden für ihr Dasein manchmal belächelt. Dabei geht vergessen, wie viel Arbeit hinter der Content-Produktion steckt. Sind Ihnen solche Vorurteile auch schon begegnet und wie beeinflusst Ihre Arbeit die Reisen?

Ja, viel Zeit um auf dem Schiff zu faulenzen gibt es nicht. Ausser es ist eine Ausnahme und eine Reederei bietet dir an, dass du gleich zehn Tage auf eine Reise gehen kannst. Kleinere Reedereien lassen einem meistens die Wahl, wie lange man auf dem Schiff sein möchte. Das ist natürlich toll, weil man die Reise nach den eigenen Wünschen gestalten kann. Dann gibt es wiederum Unternehmen die zwei oder dreitägige Reisen anbieten, auf welchen man einen Einblick an Bord gewinnt. Es ist sehr anstrengend, wenn ich innert kürzester Zeit das Schiff kennenlernen und auch noch guten Content produzieren muss. Es ist also sicherlich eine falsche Vorstellung zu denken, dass Blogger an Bord gehen um einfach ein bisschen die Sonne und das Schiff zu geniessen. Es ist eine tolle Arbeit, aber es steckt auch viel Aufwand dahinter. Schlussendlich bin ich ja quasi ein Werbeträger. Das heisst aber nicht, dass ich nur die schönen Seiten beleuchte. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass die Reedereien Kritik auch sehr gerne annehmen.

«Ich glaube meine Fans sehen mich schon ein wenig so wie ‹den besten Freund von nebenan›. Ich bin eben keine Werbung im Fernsehen, sondern der Dario, der ehrlich ist und sagt wie es ist.»

Das Jahr neigt sich langsam dem Ende und es macht den Anschein, als sei es für Sie zum Glück nicht schlecht gelaufen. Wie haben Sie das 2020 erlebt und wo vielleicht sogar Chancen für sich entdeckt?

Ich kann mich wirklich sehr glücklich schätzen. Ich gebe zu, dass ich mich manchmal selber ertappe, wie ich nach noch mehr strebe und noch öfter gerne unterwegs wäre. Dann muss ich kurz innehalten und mir bewusst machen, dass ich im Vergleich zu anderen ein super Jahr hatte. Für das bin ich unglaublich dankbar - meiner Familie, Freunden und Followern, die mich immer Unterstützen.

Neue Chancen haben sich für mich in der Zusammenarbeit mit den Reedereien ergeben. Diese konnte ich durch die Krise noch mehr intensivieren. Offensichtlich und aufgrund der Krise mussten viele Unternehmen im Tourismus das Budget enger schnüren. Gerade im Marketing blieb nicht mehr viel Geld übrig. Dennoch wollen die Reedereien natürlich ihre Schutzkonzepte publik machen und Kreuzfahrten bewerben. Ich glaube deshalb sind wir Blogger wieder in den Fokus gerückt - wir produzieren guten Content für vergleichsweise tiefe Kosten. Mir folgen auf meinen Accounts rund 28'000 Menschen, die sich genau dafür interessieren. Das ist eine Chance, die ich in der Pandemie genutzt habe - und ich bin optimistisch, dass diese neuen Zusammenarbeiten auch in Zukunft Bestand haben werden.

Angenommen Corona würde über Nacht verschwinden und sie könnten eine x-beliebige Kreuzfahrt in einem Land nach Wahl unternehmen - welche wäre es?

Das ist schwierig zu sagen, wenn man plötzlich wieder so viele Optionen hat (lacht). Ich möchte schon lange auf die Seychellen mit Ponant. Eigentlich habe ich für dieses Jahr noch eine Japan-Kreuzfahrt geplant. Diese würde ich auch sofort nachholen wollen. Aber dann gibt es da auch noch Alaska oder eine Expeditionskreuzfahrt, die ich im Kopf habe...