Rail & Road

Der Kampf um die Cityflitzer weitet sich aus

Womit reist man besser? Mit dem Flugzeug, der Bahn oder mit dem Reisebus? Ein Vergleich zeigt: Für näher gelegene Ziele lohnt es sich, am Boden zu bleiben.

Peter W.* pendelt jeden Morgen mit dem Auto von Cham nach Zürich, wo er für eine grosse Handelsfirma tätig ist. Dass er nach Feierabend auf dem Heimweg immer wieder mal im Stau steht, macht ihm nichts aus. Er zieht die private, gemütliche Reisevariante «dem Stress» mit der Bahn vor. Erst recht, weil die Strecke von Cham bis zum Zürcher Hauptbahnhof nicht ohne Umsteigen mit dem Zug zu bewältigen ist.

Umsteigen auf geschäftlichen Reisen musste nämlich Peter W. in Vergangenheit schon genug. Als Aussendienstmitarbeiter reist er seit Jahren regelmässig nach München, um Kunden zu besuchen. Hin und wieder per Flugzeug, aus Kostengründen meistens mit der Bahn. Weil er jeweils gleich mehrere Termine wahrnimmt und in München übernachtet, ist die kürzere Reisedauer des Flugzeugs kein prioritäres Argument für seinen Arbeitgeber.

Doch leider ist Zürich–München bahntechnisch alles andere als optimal erschlossen. Der deutsche Streckenabschnitt von Lindau nach München ist noch nicht elektrifiziert, wodurch sich die Reisezeit in der Regel auf deutlich über vier Stunden erstreckt. Auch sind Direktverbindungen alles andere als selbstverständlich. Oft musste Peter W. in Vergangenheit aus terminlichen Gründen Verbindungen mit zwei Umsteigestopps in Schaffhausen und Ulm nehmen. «Eher suboptimal, um die Fahrt für konzentriertes Arbeiten nutzen zu können.»

Erfolgreich Nische besetzt

Flug zu teuer, Zug zu umständlich. Den wachsenden Bedarf für kostengünstige Direktverbindungen zwischen europäischen Städten erkannt hat vor einigen Jahren die Busbranche. Vor allem im Geschäftsreisesegment spielte sich der Wettbewerb lange nur zwischen Flug und Zug ab. Billig-Fernbusse mischen inzwischen kräftig mit und bauen ihre Angebote laufend aus. Speziell in Deutschland, wo der inländische Linienbusverkehr Anfang 2013 liberalisiert worden ist, schiessen Anbieter mittlerweile wie Pilze aus dem Boden und unterbieten sich gegenseitig mit immer günstigeren Tarifen. Marktführer sind die beiden Anbieter «Mein Fernbus» und «Flixbus», die sich Anfang 2015 sogar zusammengetan haben und ihre Streckennetze neu miteinander koordinieren.

Ins Visier haben die deutschen Fernbusanbieter auch die Schweiz genommen. Als erste Destination hat «Mein Fernbus» Zürich ins Streckennetz eingebaut, von wo heute täglich rund 20 Fahrten vor allem nach Deutschland (Frankfurt, München, Stuttgart, Hannover, Hamburg etc.), aber auch Österreich (Salzburg) oder Italien (Mailand) starten. Auch die Busbahnhöfe in Lugano, Bellinzona, Chur, St. Gallen und Basel haben die Deutschen inzwischen an ihr Streckennetz geschlossen. Dies im Gegensatz zur Zentralschweiz. In die Bresche springt Expressbus, einer von bislang noch wenigen Schweizer Fernbusbetreibern. Die Strecke von Luzern nach Rimini und retour offeriert das Unternehmen mit Sitz in Weggis zum Beispiel im Juli für 280 Franken pro Person. Als einziger Schweizer Anbieter wagt sich Expressbus auch mit Angeboten für die hart umkämpften Strecken nach Deutschland in den Markt.

Busreise zum Spottpreis

Das Resultat sind Angebote, die für Kunden wie Peter W. richtig attraktiv sind. Von Zürich nach München und retour kann er sich von Fixbus heute zum Spottpreis von 30 Euro transportieren lassen. Ab 40 Franken aufwärts ist die gleiche Strecke online bei Expressbus buchbar. Und zwar ohne Umsteigen und mit einer Fahrzeit von unter vier Stunden pro Weg. «So schnell war ich mit dem Zug nie.» Die Fahrzeit kann er ungestört nutzen, um mit seinem Notebook dringliche Geschäfte zu erledigen sowie Meetings vorzubereiten. Die WLAN-Verbindung funktioniert nach anfänglichen Kinderkrankheiten heute in der Regel in allen Fernbussen tadellos.

Der übrige Service an Bord ähnelt dem Angebot der Bahn. Sowohl «Mein Fernbus» als auch Expressbus offerieren den Passagieren gegen separate Bezahlungen Snacks und Getränke. Luxuriöser als im Zug sind zusätzliche Angebote wie Media-Center mit DVD, TV- und Soundanlage, die Expressbus den Gästen der Comfort Class bietet. Sitzplatzreservationen offeriert das Unternehmen aus Weggis hingegen nur für lange Strecken aus der Schweiz nach Berlin, Tschechien, in die Slowakei oder Ungarn.

Fernbusse kommen im Markt gut an. Laut einer aktuellen Umfrage in Deutschland haben von 800 Kunden deren 30 Prozent bestätigt, vom Bahnangebot auf den Bus umgestiegen zu sein. Auffällig ist, dass das Fernbus-Publikum sehr jung ist. Knapp zwei Drittel der zufällig befragten Kunden waren zwischen 18 und 29 Jahre alt.

Einer zunehmenden Abwanderung der Geschäftsreisenden vom Perron zum Busreiseterminal wollen die Bahnunternehmen indes nicht tatenlos zusehen. Seit einem guten Jahr offerieren die SBB zusammen mit der Deutschen Bahn (DB) für die Strecke Zürich–München einen sogenannten Intercity-Bus und attackieren damit ganz direkt die Billigbusanbieter. Preislich sind die beiden Angebote praktisch identisch, wobei es bei den Bahn-Bus-Tickets Abweichungen gibt zwischen dem Euro- und Frankentarif. Zu Ungunsten der Buchenden in der Schweiz.

Wo das Flugzeug attraktiv bleibt

Das Beispiel München zeigt, wie sich der Wettbewerb um den Transport von Städtereisenden für kürzere Verbindungen verschärft hat. Zu den Argumenten Zeit und Kosten mischte sich immer stärker das Thema der Nachhaltigkeit in die entsprechenden Entscheidungsprozesse von Unternehmen. Dies vor allem zu Gunsten der Bahn, die sich jetzt aber mit der neuen Mitbewerberin Bus arrangieren muss.

Reiseexperten raten sowohl Firmen auch als Privatreisenden, den Entscheid für das eine oder andere Transportmittel nicht in zu hohem Masse nur vom Kosten- und Zeitfaktor abhängig zu machen. «Gerade Ferienreisende dürfen es auch mal etwas gemütlich nehmen, weshalb für Distanzen bis etwa 800 Kilometer die Bahn oft eine gute Alternative zum Flugzeug darstellt», sagt zum Beispiel Roland Schmid, Leiter des Nachhaltigkeitsmanagements bei TUI Suisse. Eine intakte Umwelt bleibe in Zukunft die Voraussetzung für die Ferien. Lasse sich der CO2-Ausstoss für die Transportmittel nicht reduzieren oder vermeiden, könne dieser vollständig oder teilweise über seriöse Anbieter wie myclimate.org kompensiert werden, so Schmid.

Für Peter W. spielen solche Themen auch eine Rolle. Dass er auf seinem Arbeitsweg von Cham nach Zürich sowie mit den Kundenbesuchen via Fernbus in München eine ganze Menge CO2 produziert, ist ihm bewusst. «Ich lasse es mir aber nicht nehmen, alle meine Kilometer via Myclimate sauber zu kompensieren.» *Name von der Redaktion geändert.

(RW)