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Bald schon reicht es, einen Sensor wie einen Kopfhörer in der Nähe des Gehirns zu befestigen – und flugs wandern diktierte Gedanken direkt ins Endgerät. Bild: Fotolia

Amadeus Blog Wenn der Computer Gedanken liest

Sascha Nau

Es ist schon heute möglich, bewegte Bilder auf einem Computer darzustellen, die eine Versuchsperson zuvor gesehen oder auch nur ausgedacht hat. Neurowissenschaftler tüfteln an Gehirn-Computer-Schnittstellen. Kann eines Tages das menschliche Hirn getunt werden?

Die Vorstellung ist fantastisch oder gruselig – wie man es nimmt: eine Verbindung direkt vom menschlichen Gehirn in den Computer. Ich denke mir ein Bild und der Bildschirm zeichnet es. Einen Text auf der Tastatur zu tippen, das wird bald Schnee von gestern sein. Bald schon reicht es, einen Sensor wie einen Kopfhörer in der Nähe des Gehirns zu befestigen – und flugs wandern diktierte Gedanken direkt ins Endgerät.

Textnachrichten aus den Gedanken diktiert

Kann dann mein Gegenüber Gedanken lesen, auch wenn ich das gar nicht möchte? «Keinesfalls», sagt Regina Dugan. Sie ist Managerin bei Facebook und leitet eine Forschungsgruppe, die intern einfach nur «Future» genannt wird und der 80 Naturwissenschaftler und ITler angehören. Während der Facebook-Entwicklerkonferenz F8 sagte Dugan, es gehe zum Beispiel um die Möglichkeit, einem Freund eine Textnachricht zu schicken, ohne zum Smartphone greifen zu müssen.

Ihr Ziel ist ambitioniert: Das Gedanken-Diktat bei Facebook soll auf eine Geschwindigkeit von 100 Worten pro Minute kommen. Trainer empfehlen Rednern eine Geschwindigkeit von 80 bis 120 Worten pro Minute, um verständlich zu sein. Angst, Gedanken von anderen Menschen zu lesen, müsse keiner haben, beschwichtigte Dugan. «Dazu ist niemand befugt, kein Mensch und keine Maschine», sagte die Facebook-Managerin.

Ausgewählte Gedanken teilen

Man könne nur solche Daten im Gehirn erkennen, die aktiv ans Sprachzentrum geschickt würden. Menschen, so sagt sie, hätten vielen Gedanken, teilten aber nur wenige davon auch mit anderen. Dugan verwies auf aktuelle Forschungen an der Stanford-Universität. Dort seien einer gelähmten Frau Elektroden in Bohnengröße ins Gehirn gepflanzt worden. Nun könne sie etwa acht Worte pro Minute direkt in den Computer schreiben.

Mikrochips gegen Alzheimer

Nicht nur Facebook beschäftigt sich mit der Technologie, Gedanken anzuzapfen. Bryan Johnson, Gründer des Start-ups Kernel, investiert 100 Millionen Euro in die Entwicklung von Mikrochips, die unser Gedächtnis aufpäppeln und Alzheimer stoppen sollen.

Künstliches Nervengewebe zum Verbinden mit Computern hält Tesla-Chef Elon Musk für eine wichtige Zukunftstechnologie. Gelänge es, eine Verbindung zwischen Hirn und Computer zu entwickeln, dann könnten sich biologische und künstliche Intelligenz vereinen. Das hofft Musk und lässt viel Kapital in sein Start-up Neuralink fließen. Sollte den Kaliforniern eine Gehirn-Computer-Schnittstelle gelingen, dann könnten Menschen mit Gedankenkraft Geräte steuern oder Erinnerungen teilen, wie heute einen Facebook-Post, sagte Musk in einem Vortrag, den das Wall Street Journal in Auszügen wiedergab.

Wortgewandter dank künstlicher Intelligenz

Natürlich spielt auf diesem Markt auch Google mit – und Ray Kurzweil. Auf seiner Visitenkarte steht nur, dass er als „Futurist“ bei Alphabet arbeitet, der Google-Holding. Sein Spezialgebiet: Künstliche Intelligenz. Kurzweil glaubt, wir könnten unsere natürlichen Körperteile nach und nach durch technologische Baugruppen ersetzen. Menschen könnten etwa künstliche Blutzellen entwickeln, die sich von selbst durch die Blutbahn bewegen. Das mache das Herz überflüssig.

Solche Fantasien brachte selbst Mary Shelley in ihrem Roman Dr. Frankenstein nicht auf. Aber Futurist Kurzweil geht noch weiter. In den 2030er Jahren würden Gehirne direkt mit einer Daten-Cloud verbunden werden und Gedanken dort abspeichern – oder neue intellektuelle Fähigkeiten herunterladen wie Apps. Kurzweil glaubt, die Menschheit könnte mithilfe von künstlicher Intelligenz ihre Kreativität steigern, die Wortgewandtheit vergrößern, unser Gedächtnis und unser Empathievermögen ausweiten.

Deep Image: Ein Film aus dem Gedächtnis abspielen

Wenn überhaupt, ist es bis dahin noch ein weiter Weg. Schon seit dem Jahr 2008 perfektionieren Hirnforscher immer weiter eine Methode, um die Gehirnaktivität ihrer Probanden abzubilden. Sie nehmen mit Magnetresonanztomografie (MRT) Hirnsignale auf. Damit können sie zuvor gesehene oder erdachte Bilder rekonstruieren. Die ersten Versuche klappten nur mit Standbildern, sehr unscharf.

Im Dezember vergangenen Jahres veröffentlichten japanische Wissenschaftler, dass sie mittels MRT nun auch Bewegtbilder aus dem Gehirn auslesen können. «Deep image reconstruction from human brain» nennen sie das Verfahren und ein wenig furchterregend ist es schon, was sie prophezeien: Damit könnten eines Tages Erinnerungen oder Träume visualisiert werden.