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Airlines reichern verstärkt ihr Basisangebot «Flug» mit unzähligen Extraleistungen an. Bild: Fotolia

Expert Mit NDC vermeiden die Airlines den Preisvergleich

Wilfried Kropp

Was hat es mit dem Projekt «New Distribution Capability» auf sich? Technologie-Experte Wilfried Kropp über die Beweggründe der Airlines, die Rolle der GDS und den neuen, harten Kurs der Lufthansa.

War da was? Niedergang der Global Distribution Systems? Tod der Reisebüros? Übermächtige Airlines? Als die IATA im Jahr 2012 begann, das Projekt «New Distribution Capability», kurz NDC genannt, vorzustellen, tauchten sofort Untergangsszenarien im klassischen Reisevertrieb auf. Denn mit dem Projekt NDC, da machten die Airlines keinen Hehl daraus, sollten neue, unkonventionelle Angebotsformen für Airlines entwickelt werden, die auf den ersten Blick disruptiv und damit gefährlich für die klassischen Vertriebsstrukturen aussahen.

Die Airlines waren vor allem daran interessiert, eine direkte, persönliche Kommunikation zu Kunden aufzubauen – sei es durch personalisierte Angebote, sei es durch verstärkte Promotion von Zusatzleistungen – und zu steuern, was wo an wen verkauft wird. Beide Ziele sahen Reisebüros als Angriff auf ihre Kundenbeziehungen.

Das Thema ist komplexer als anfänglich gedacht

Wie ist die Situation heute? NDC ist ein XML-basierter Übertragungsstandard. Airlines und IT-Unternehmen arbeiten heute kontinuierlich und schrittweise an den NDC-Standards. Doch die Entwicklung dauert länger als prognostiziert, das Thema ist komplexer als anfänglich gedacht. Gut zu wissen: Die Zusammenarbeit beispielsweise zwischen Airlines und GDS läuft jetzt zukunftsgerichtet. Uta Martens, Geschäftsführerin von Amadeus Germany, blickt positiv gestimmt auf den derzeitigen Status: «Am Anfang des NDC-Projektes war die Diskussion teilweise schwierig, heute entwickelt Amadeus NDC aktiv mit, partnerschaftlich mit den Airlines.»

Der Mitbewerber Travelport ist stolz darauf, von der IATA gegen Jahresende das höchste Zertifikat als Aggregator erhalten zu haben. Amadeus Airline IT besitzt das Level-3-Zertifikat als IT-Provider. Als Aggregator wird Amadeus den Level 3 im Jahr 2018 umsetzen. Im externen Vertrieb, den Reisebüros, Online-Portalen und Veranstaltern, sind NDC-Level-3-Lösungen allerdings noch sehr spärlich angekommen. Aber Ruhe bedeutet nicht Stillstand.

Mit NDC entwickeln sich neue Vertriebsformen, die das Zeug haben, viele Gewohnheiten im Vertrieb von Flugtickets zu ändern. In erster Linie sind es Ancillaries, also Zusatzleistungen, die für die Airlines eine enorme Auswirkung auf ihre Profitabilität haben. Mit dem NDC-Standard werden Airlines individuellere Angebote machen können als heute und sie werden sie gezielter und direkter vermarkten und vertreiben können: Nicht nur bei der Suche nach passenden Flügen, sondern auch bei der Buchung und im Zeitraum zwischen Buchung und Flug.

Was die Airlines nicht so deutlich sagen:

Mit NDC wollen sie dem direkten Preisvergleich ausweichen, denn NDC setzt eine Airline in die Lage, ihr Basisangebot «Flug» mit unzähligen Extraleistungen anzureichern, die es fast unmöglich machen, ihr Angebot mit dem der Konkurrenten 1:1 zu vergleichen. NDC setzt auch voraus, dass mehr Profildaten von Kunden verwendet werden, damit Angebote stärker personalisiert werden können. Wie diese Notwendigkeit mit der neuen, besonders restriktiven europäischen Datenschutzverordnung in Einklang zu bringen ist, haben bis jetzt weder IATA noch IT-Unternehmen dargelegt.

Reisebüros beurteilen die neuen NDC-Standards zwiespältig: Sie eröffnen Chancen, weil auch Reisebüros ihren Kunden personalisierte und damit massgeschneiderte Angebote unterbreiten können, und zwar im gleichen Umfang wie die Airlines im Direktvertrieb. Dazu werden allerdings einige Umstellungen in den Prozessen nötig werden. Aber sie bringen auch Mehrarbeit, weil die Flugangebote komplexer und damit erklärungsbedürftiger werden. Dass sich Reisebüros auf neue Zeiten einstellen müssen, zeigt schon die Aussage von British Airways, dass Reisebüros und direkt buchende Unternehmen bevorzugt werden, wenn sie NDC-Angebote nutzen.

Einen noch härteren Kurs fährt Lufthansa: Nur Direct-Connect-Partner, die über eine NDC-Schnittstelle mit Lufthansa vernetzt sind, sowie der LH-Eigenvertrieb kommen in den Genuss von Preisabsenkungen. Damit erhöht sich der Abstand gegenüber Reisebüros, die GDS-Buchungen vornehmen, auf 36 Euro pro Hin- und Rückflug. Und somit wird es für Reisebüros schwerer werden, wettbewerbsfähige Preise anbieten zu können.