Travel Tech

Die digitalen Möglichkeiten beeinflussen unser Leben immer mehr - auch auf Reisen. Bild: Fotolia

Kommentar Blockchain, AI, Reise zum Mars – die schöne neue Reisewelt

Jean-Claude Raemy

Reiseprozesse und -Erlebnisse werden zunehmend von revolutionären Technologien verändert. Sowohl die Reisebranche als auch die Konsumenten müssen klar definieren, was sie wollen und wie sie damit umzugehen gedenken.

«Die Tourismusbranche befindet sich im Umbruch» - diesen Satz hört man immer wieder, bei Präsentationen, Podien oder im Gespräch unter vier Augen. Eigentlich eine Binsenweisheit: Natürlich befindet sie sich im Wandel, und das ist auch gut so. Allerdings tendiert die Reisebranche dazu, diesen Wandel nur punktuell zu verstehen, «step-by-step» - neue Zahlungsprozeduren, neue Kundenvorlieben. Klar, die Technologie treibt den Wandel voran. Was oft fehlt ist der Blick auf das, was in zehn oder zwanzig Jahren sein wird. Gerade die Schweizer lassen sich wenig von Fantastereien begeistern.

Doch Vorsicht: Es gibt Visionäre, welche mit riesigen Geldsummen einen radikalen Wandel antreiben. Elon Musk zum Beispiel, der südafrikanische Unternehmer, der bereits PayPal oder Tesla weltbekannt gemacht hat. Aktuell baut er die weltweit grösste Batterie in Südaustralien um zu beweisen, dass Energielieferung ohne fossile Brennstoffe auch für grosse Projekte reicht. Die Airline-Branche schaut gespannt zu. Und mit seinem SpaceX-Projekt will er in weniger als einem Jahrzehnt Reisen auf den Planeten Mars anbieten können. «Weltraumtourismus» ist kein Wort aus der Science-Fiction mehr, sondern Realität.

Die «digitale Transformation» ist überall: Städte bauen Wifi-Netzwerke auf, um zu «Smart Cities» zu werden, also die Effizienz von Städten in vielerlei Hinsicht zu verbessern, wovon letztlich auch Reisende profitieren können. Flughäfen versuchen mittels Technologie, verkrustete Prozessstrukturen effizienter zu gestalten, ohne dabei an Sicherheit zu verlieren. Bei den SBB werden aktuell digitale Unterstützungssysteme für Lokführer getestet – bei den Airlines längst üblich: Den Piloten stehen zahllose computergesteuerte Hilfen zur Verfügung. Die Liste lässt sich beliebig erweitern. Eben: Der Wandel ist permanent.

Auch Maschinen wissen, was wir wollen

Ein weiteres Feld, das zurzeit viel Beachtung findet, ist die künstliche Intelligenz, oder «AI» (Artificial Intelligence), welche unter anderem im so genannten «Internet of Things» Anwendung findet. Stimmlich aktivierte Systeme wie Siri oder Alexa sind längst Alltag geworden, selbstfahrende Autos oder gar Flugzeuge sind überall in Entwicklung. Roboter übernehmen Tätigkeiten bis hin zur Reception in Hotels. Saudi-Arabien gab letzte Woche einem Roboter namens Sophia sogar das Bürgerrecht. Natürlich, eine geschmacklose PR-Aktion in einem Land, wo Frauenrechte quasi inexistent sind. Aber irgendwie doch faszinierend: Roboter haben Rechte?

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Nachricht, dass Apple das Startup Emotient gekauft hat. Dieses nutzt AI-Technologie, um Emotionen anhand der Analyse von Gesichtsausdrücken festzustellen. Oder dass am MIT in Boston bereits «wireless EKGs» durchgeführt werden können. Im Klartext heisst das: Ohne dass man es bemerkt, können Maschinen rund um uns unsere Emotionen ablesen – und uns möglicherweise darauf basierend Sachen zu verkaufen versuchen. Schnauze voll vom Schnee? Schon kommt unaufgefordert eine Nachricht aufs Handy, wo uns Reisen an die Sonne verkauft werden...

Universelle Blockchain-ID macht aus uns den gläsernen Menschen

Und dann ist da noch die Blockchain – in aller Munde, von wenigen verstanden. Ursprünglich wurde sie für die Kryptowährung Bitcoin entwickelt, aus Protest gegen zentralisierte Banksysteme. Blockchains sind sichere, dezentrale Datenbanken. Dabei werden bei jeder Transaktion Datenblocks erzeugt, welche bei der Erstellung mit einer Zeitangabe versehen und anschliessend nicht mehr verändert werden können. Zugang zu den einzelnen Datenblocks haben nur der Anbieter und von ihm definierte Rezipienten. Das erhöht die Sicherheit und Zuverlässigkeit von Transaktionen.

Die TUI Group beispielsweise setzt voll auf diese Technologie, welche Quasi-Monopole brechen soll, wie sie aktuell etwa Booking.com oder Uber haben. TUI-CEO Fritz Joussen erklärte es in einem Interview mit dem «Manager Magazin» so: « Mit Blockchain liegt das gesamte Wissen im Netz. Jeder kann alle Informationen einsehen und sicher Werte übertragen, also zu Beispiel direkt eine Ferienwohnung oder einen Fahrer bezahlen. Die Aggregatoren fallen als Mittelsmänner weg. »

Mit 1600 Reisebüros, sechs eigenen Airlines, 16 Kreuzfahrtschiffen und über 300 Hotels bieten sich für TUI in der Blockchain-Technologie enorme Möglichkeiten. Die Rede ist von Einsparungen von 100 Millionen Euro pro Jahr – indem das eigene Angebot zugänglich und sicher gemacht wird und somit auf direktem Weg mit dem Endkunden interagiert werden kann. Auch Airlines verfolgen die Entwicklung im Bereich Blockchain und haben sich teils auch schon für eine universell akzeptierte «Blockchain ID» ausgesprochen, welche die Prozesse beim Reisen einfacher und sicherer macht, nur über den Gebrauch eines mit Biometrie-Daten versehenen Smartphones.

Natürlich heisst dies alles auch, dass der Endkunde mehr und mehr seiner Identität im Netz preisgibt. Wenn Blockchain mit AI verkettet wird, ergeben sich endlose Möglichkeiten. Beispiel: Das Auto fährt uns von allein zum Flughafen, wo wir ungestört im Durchgehen eingecheckt werden, bevor wir uns an der Bar einen Kaffee gönnen, der ohne ein Wort genau nach Wunsch serviert wird. Das Hotel wird uns aufgrund bekannter Vorlieben von allein gebucht und dort angekommen wird unsere Lieblings-Musik gleich eingespielt. Die universelle Blockchain ID würde unsere unverwechselbare Identität nicht nur speichern, sondern auch stets aktualisieren. Und wenn wir mal nicht gut drauf sind, wird etwas andere Musik gespielt, schliesslich weiss ja die Maschine, wie ich mich gerade fühle.

Neue Technologien adaptieren und zum eigenen Vorteil nutzen

Zugegeben, das klingt auch beängstigend. Schliesslich gibt man immer mehr Entscheidungen aus der Hand. Und während viele Reiseprozesse automatisiert werden – so wie schon jetzt Google Trips unsere Reisepläne anhand unseres E-Mail-Verkehrs erstellt – so wird es sicherlich auch noch jene geben, welche die menschliche Interaktion bevorzugen. Wir brauchen ja schon «Digital Detox»-Ferien und Reisen, wo Authentizität (also das Leben ausserhalb der Cloud) erlebbar wird. Vermittelt von Personen, welche unsere Vorlieben und Emotionen aus menschlicher Erfahrung kennen. Nur befindet sich diese etwas archaische Reisewelt bereits in der Nische.

Das eine schliesst dabei das andere nicht aus: Technologie agiert primär als «Enabler», also zur Vereinfachung von Prozessen, wie eben der Erstellung von Reiseplänen oder dem möglichst hindernisfreien Reiseerlebnis, an dessen Ende aber das persönliche Erlebnis beim lokalen Handwerker in Irgendwostan steht. Die Verquickung aus Computer und Mensch – wie beim Airline-Piloten – lässt sich auch im Reisevertrieb anwenden. Die Reisebranche muss einfach erkennen, dass zahlreiche Prozesse anders geartet sein werden, und zwar bald, und sich gut überlegen, welche Rolle man dabei selber noch spielen kann und wo man Werte schafft, die Geld wert sein können. Auch für die robotergesteuerte Reise zum Mars braucht es ja künftig wohl noch Beratung.