Travel Tech

Not OK: Wer einen Flug nach London sucht, sieht prominent die Resultate der Google Flight Search und nur Links weiter unten zu Metasearchern wie Skyscanner. Bild: Screenshot google.ch

Kommentar Der Wettbewerb muss auch online spielen

Jean-Claude Raemy

Google muss, wenn es nach der EU geht, über seine Algorithmen. Das könnte auch die Reisebranche nachhaltig beeinflussen.

Google hat Ende Juni eine enorme Busse von der EU aufgebrummt bekommen: 2,4 Milliarden Euro muss der Tech-Gigant wegen «Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung» hinblättern. Konkret geht es darum, dass in Suchresultaten die Resultate aus firmeneigenen Preisvergleichstools konsequent höher gelistet waren als jene von Konkurrenten. Damit seien der faire Wettbewerb und die freie Produktwahl der Kunden ausgehebelt gewesen.

Google bekam 90 Tage Zeit, um zu erklären, wie man in Zukunft vorgehen wolle, damit solche wettbewerbsbehindernden Praktiken nicht mehr vorkommen. Wird Ende September kein vernünftiges Resultat präsentiert, wird Google pro Tag mit 10,6 Millionen Euro gebüsst – das entspricht rund 5% des Tagesumsatzes der Google-Muttergesellschaft Alphabet.

Google hat natürlich die Busse der EU-Kommission angefochten mit dem Hinweis, dass Konsumenten schnell und einfach Antworten auf ihre Suche haben wollen, und dass sich andere Unternehmen wie Amazon auch etablieren konnten. Öffentlich wurde der EU bald «Anti-Amerikanismus» vorgeworfen. Die EU stellt sich aber klar auf den Standpunkt, dass EU-Wettbewerbsrecht gebrochen wird – eine Untersuchung von 1,7 Milliarden Suchen im Google habe klar gezeigt, dass der Google-Algorithmus Google-eigene «Produkte» bevorzuge. Oder anders gesagt: Die Dominanz bei der Suche führt auch zu einer Dominanz beim Kaufprozess.

Unfairer Wettbewerb mit den Metasearchern

Obwohl sicherlich mit einer langwierigen juristischen Auseinandersetzung zu rechnen ist, also Google nicht alle Prozesse schnell ändern wird, so ist der Vorstoss der EU doch bemerkenswert. Es geht nicht darum, dem Konsumenten das Leben zu erleichtern, sondern im Gegenteil eben darum, ihm aufgrund von mehr und fairem Wettbewerb echte Auswahlmöglichkeiten zu bieten.

Das hat natürlich auch auf Googles Aktivitäten im Reisesektor einen Einfluss. Im Reisebereich laufen bislang keine EU-Verfahren gegen Google. Es gibt aber Beschwerden von Reiseunternehmen, die von der EU geprüft werden. Google bietet zwar keine Reiseprodukte an sich an, also Flüge und dergleichen, dominiert aber den Suchprozess – und damit eben auch den Kaufprozess.

Beispiel: Die «Flight Search». Geben Sie einmal «Flüge nach London» in die Google-Suchleiste ein. Nach 2-3 bezahlten Anzeigen kommt, zuoberst im freien Ranking, das Resultat von Google Flights – an sich ebenfalls eine Anzeige. In übersichtlicher Tabellenform, modulierbar nach anderen Ab-/Zielflughäfen, mit Kalenderfunktion, mit differenzierter Anzeige von Nonstop- oder Multistopflügen.

Dieses Resultat ist ein «Shopping-Erlebnis» – obwohl Kayak und Skyscanner innerhalb ihrer Seiten vergleichbare oder, je nach Betrachtung, sogar bessere Flugvergleichsportale sind. Warum sollte ein Suchender aber jetzt noch weiter scrollen zu den Resultaten der Metasearcher Kayak oder Skyscanner, welche tiefer unten in der Resultatliste und dort nur als Links angeführt sind?

Die Metasearcher sind also in einer deutlich schwächeren Position. Die beiden genannten Firmen erhalten Geld, wenn ein potenzieller Flugpassagier über sie auf die Airline-Buchungsplattform gelangt. Das ist bei Google nicht anders, wo das Geld als Cost-per-Click bei der Airline eingeholt wird. Es dürfte aber klar sein, wer innerhalb einer Suche im Google viel mehr Geld so generiert: Google selber.

Wie weiter?

Letztlich manifestiert sich in der Auseinandersetzung zwischen der EU und Google auch der Versuch, die Wirtschaft der Zukunft zu regeln. In den USA lässt man den Giganten der Silicon Valley freie Fahrt; so dominieren die USA, so werden Arbeitsplätze vor Ort geschaffen. Was vergessen geht: Die Dominanz von Google ist letztlich auch ein Verlust von Produktivität. Wer will schon investieren in einen Kampf gegen ein derart dominantes Unternehmen? Google selber produziert aber nichts «Fassbares», nur eine Kanalisierung von Kaufentscheiden (siehe auch Google AdWords). Eigentlich muss man froh sein, wenn sich mal eine grössere Instanz wie jetzt die EU gegen den «Laissez-faire Kapitalismus» aus den USA stemmt und versucht, auch längerfristige Konsequenzen dieser Marktdominanz im Auge zu behalten.

Damit wird vielleicht verhindert, was die Reisebranche hinter vorgehaltener Hand längst befürchtet: Dass Google dereinst der einzige «Reise-Marktplatz» im Netz sein wird, ein Data-Silo unvorstellbaren Ausmasses, worüber alle Suchen laufen und wo teuer bezahlt werden muss, um noch überhaupt wahrgenommen zu werden.