Travel Tech

Phocuswright-Moderator Douglas Quinby befragt Paul English (rechts). Der Kayak-Co-Gründer verkaufte den Metasearcher an Priceline für zwei Milliarden Dollar. Mittlerweile hat er die Messenger-App Lola ins Leben gerufen – und fährt sporadisch für Uber. Bilder: TN & Eugene Ko

«Investiert mehr Zeit ins Rekrutieren des Kernteams»

Phocuswright-Serie (4/4): Das sagen Gilles Despas (Thomas Cook), Paul English (Lola) und Joan Vilà (Hotelbeds) zur digitalen Zukunft der Tourismusindustrie – und nennen mögliche Erfolgsrezepte.

Online Travel Agencies (OTAs) stehen bei der Phocuswright Europe naturgemäss im Mittelpunkt. Bei der Travel-Tech-Konferenz, die letzte Woche in Amsterdam über die Bühne ging, haben Airbnb, Expedia oder Booking ein Heimspiel. Überraschend deshalb war der Auftritt eines Vertreters der alten Welt, von der Thomas Cook Group.

Dass Thomas Cook in der Online-Welt äusserst agil unterwegs ist, erfuhren die Zuschauerinnen und Zuschauer beim Auftritt von Gilles Despas, Chief Digital Officer seit Februar 2016. Nachdem Despas vor zwei Jahren Holidaycheck verlassen hatte, buhlte Thomas-Cook-CEO Peter Fankhauser erfolgreich um ihn und holte ihn nach London als Digital-Chef.

Im Interview mit Phocuswright-Präsident Simon Lehmann gab er Einblicke, wie weit die Online-Aktivitäten, insbesondere auch die mobile Präsenz, bei Thomas Cook schon fortgeschritten sind:

  • «In Grossbritannien erfolgt der Online-Traffic heute bereits zu über 50 Prozent über mobile Geräte, 40 Prozent der Online-Buchungen erhalten wir über Smartphones und Tablets.»
  • «Der Vertrieb variiert je nach Land sehr stark. In Skandinavien haben wir zu 100 Prozent direkten Zugang zum Endkunden. In Grossbritannien verfügen wir über 750 eigene Shops. In Kontinentaleuropa spielen die Fremdagenten eine sehr wichtige Rolle.»
  • «Die Virtual-Reality-Präsentation unserer eigenen Hotels wird immer wichtiger. Weil wir im Vergleich zu einem OTA nur rund 1000 Objekte vertreiben, können wir bei der inhaltlichen Präsentation viel weiter und mehr in die Tiefe gehen. Wir haben viele Learnings hinter uns. Eines ist: wenn man Virtual Reality anbietet, dann sollte man dies nur mit höchster Qualität tun.»
  • «Der grösste Konkurrent? Vorerst noch TUI. Booking und Expedia rücken aber immer mehr in den Fokus. Aber auch die Low-Cost-Carrier wie Ryanair, die dynamische Packages anbieten.»

Erst Kayak, nun eine Messenger-App

Als eigentlicher OTA-Superstar vorgestellt, kam Paul English auf die Bühne. Der Co-Founder von Kayak – der Metasearcher gehört heute zu Priceline/Booking.com – hat schon fünf Firmengründungen hinter sich, über ihn wurde schon ein Buch geschrieben und vor gut einem Jahr startete er mit Lola in ein neues Projekt, bei dem er Travel Agents und künstliche Intelligenz in einer Messenger-App kombiniert.

Im Bereich Business Travel, bei den very frequent Flyers, stosse Lola auf sehr gute Resonanz, sagte English. «Heute Morgen als ich von Boston her in Amsterdam ankam, nutzte ich vom Uber-Fahrzeug aus die App, suchte über die App nach einem Hotel, bei dem ich frühzeitig einchecken kann, der angeschlossene Travel Agent erledigte den Fall sogleich.»

Auf sein Erfolgsrezept als Firmengründer angesprochen, gab Paul English diesen Tipp: «Das Core-Team ist entscheidend. Die Zeit, die du fürs Leute rekrutieren benötigst – verdopple sie.» Und weiter sprach er von Primary Research: «Marktkenntnisse musst du aus eigener Hand erfahren. Ich suche im Flugzeug oder an Flughäfen regelmässig das Gespräch mit Reisenden, um über ihre Präferenzen und ihr Buchungsverhalten zu lernen.» Zudem fährt English mit seinem Tesla auch für Uber Fahrten, auch das dürfte er wohl unter Marktforschung abhaken.

Herr der Betten

Mit Joan Vilà wiederum nahm ein Gast aus einer anderen Ecke auf der Phocuswright-Couch Platz. Der Exexutive Chairman von Hotelbeds ist der Herr über die Hotelbetten dieser Welt, erst recht nachdem Hotelbeds auch Tourico Holidays und GTA übernommen hat. Der Erfolg von Hotelbeds habe vor mehr als 10 Jahren so richtig begonnen. Ausschlaggebend seien gewesen: die aufkommenden Low-Cost-Carrier, die das Bedürfnis hervorruften nach Hoteldatenbanken, aus denen man ergänzend zur Flugleistung das Hotel buchen kann.

Heute verfügt die in Palma domizilierte Bettenbank Hotelbeds über 120‘000 Hotels im Portfolio und 5000 Mitarbeiter. Je einen Viertel des Volumens vertreibt Hotelbeds über OTAs, Touroperators, Reisebüros und Weitere (wie Loyalty Clubs).

Neben den Ausführungen von Peter Verhoeven, dem Eröffnungsspeech von Simon Lehmann, den Präsentationen der Start-ups und den Interviews mit Exponenten wie Despas, English und Vilà standen weitere spannende Diskussionen auf dem Programm, etwa über die schwierigen rechtliche Rahmenbedingungen innerhalb der EU – und zum finalen Abschluss erfolgte ein Interview mit Olivier Gremillon, dem EMEA-Chef von Airbnbn.

Im nächsten Jahr findet die Phocuswright Europe wiederum in Amsterdam statt, am 16. und 17. Mai 2018.

(GWA)