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Pricecoach-Gründer Eddy Zürcher erklärt, seine Firma sei angegriffen worden – und plant derweil ein neues Pricecoach. Bilder: ADNG/Pixabay

Pricecoach-Aus: Jetzt nimmt Eddy Zürcher Stellung

Die XSS Solutions ist offiziell in Liquidation und juristische Auseinandersetzungen tauchen am Horizont auf. Pricecoach-Gründer Eddy Zürcher plant derweil einen neuen Pricecoach-Release.

Dass die Motorhome-Buchungsplattform Pricecoach Geschichte ist, war längst im Raum. Nun ist zumindest der Konkurs der Betreibergesellschaft amtlich: Am 19. Mai wurde der Konkurs über die Betreibergesellschaft XSS Solutions AG mit Sitz in Baar (ZG) publiziert. Bereits am 9. Mai hatte der Einzelrichter am Kantonsgericht Zug den Konkurs eröffnet und die Gesellschaft de facto aufgelöst. Dieser Konkurs erfolgt nur gerade 19 Monate nachdem bereits über die Vorgängerfirma XSS AG mit Sitz in Menzingen der Konkurs eröffnet worden war. Damals hatte sich die XSS in die neue Firma «hinübergerettet».

Die primär Geschädigten sind einerseits frühere Mitarbeitende, andererseits aber auch Kuoni und Knecht Reisen, welche als letzte Schweizer Veranstalter noch mit Pricecoach arbeiteten. Im Netz war Pricecoach bereits seit Ende 2016 nicht mehr aktiv, d.h. es konnten keine Motorhomes mehr gebucht werden und die Reservationsteams mussten manuell einbuchen; viele potenzielle Bucher wandten sich aber an Veranstalter mit anderen, leistungsfähigeren IT-Lösungen. Bei Kuoni und Knecht werden längst neue Lösungen geprüft und bestimmt bald gefunden. Doch der Schaden ist angerichtet: Travelnews.ch weiss, dass sowohl Kuoni als auch Knecht nur wenige Monate vor «Lichterlöschen» bei Pricecoach kleine bis mittlere fünfstellige Beiträge einbezahlten – bei Pricecoach wurden jeweils im Voraus Pauschalbeträge für Dienstleistungen vereinbart und bezahlt.

Noch schmerzhafter sind indes die Verluste, welche durch die «Nicht-Buchbarkeit» mitten in der Buchungssaison entstanden sind. Bei Kuoni und Knecht gibt man sich in Sachen Pricecoach noch bedeckt – dass gegen XSS Solution und/oder Pricecoach-Gründer Eddy Zürcher juristisch vorgegangen wird, ist aber kaum auszuschliessen.

Pricecoach sei angegriffen worden

Gestern konnte Travelnews.ch seit langem einmal wieder mit Eddy Zürcher telefonieren. Zürcher gibt zu, über die letzten Monate «abgetaucht» zu sein: «Ich musste abschalten.» Denn laut ihm wurde im letzten November die Datenbank vom Frontend von Pricecoach getrennt – ohne sein Zutun. Angriffe auf Pricecoach hätten zudem bereits früher stattgefunden. Da er keinen Zugriff mehr gehabt habe, konnte der Pricecoach-Betrieb ab Dezember definitiv nicht mehr aufrechterhalten werden. Er habe lange versucht, Datenbank und Frontend wieder zu vereinen, was jedoch nicht klappte; zeitgleich kam sein drittes Kind zur Welt.

Die technischen Probleme seien auf «destruktives Verhalten ehemaliger Geschäftspartner» zurückzuführen. Dass das System im November crashte, sei kein Zufall: «Von Dezember bis März holt Pricecoach 60% seines Umsatzes herein», so Zürcher. Ihm sei klar, woher die Angriffe gekommen seien. Öffentlich näher darauf eingehen will er derzeit aber nicht.

Zürcher bringt einen neuen Release

Zürcher streitet ab, sich mit Pricecoach bereichert zu haben. Aufgeben will er trotz des Konkurses zudem noch lange nicht: «Die XSS Solutions wird in eine andere Körperschaft übertragen.» Welche dies sei, will Zürcher noch nicht verraten; Verträge seien aber vorhanden. Unter dieser neuen Körperschaft soll dann auch endlich der lange angekündigte Release 3.0 von Pricecoach vollzogen werden, unter einem noch nicht öffentlichen Namenskonstrukt «Pricecoach XY». Ein Release-Datum gibt es noch nicht. Laut Zürcher sind die zukünftigen Kunden aber ausschliesslich Reisebüros: «Einen TO-Layer gibt es nicht mehr.»

Bevor er an den Start gehen könne, müssen aber noch administrative Belange geklärt sein. Zürcher gibt zu, dass die Büros in Rüti ZH «aus Geldmangel» geschlossen werden mussten und dass früheren Mitarbeitenden die letzten Löhne nicht mehr ausbezahlt wurden. Dies will er nun regeln.

Klagen in Vorbereitung

Und zu regeln gibt es offenbar einiges. Eine vor dem Arbeitsgericht Hinwil eingebrachte Klage wurde laut ehemaligen Mitarbeitenden bereits vollumfänglich gutgeheissen und Zürcher verurteilt, sämtliche eingeklagten Gelder zu bezahlen und Dokumente wie Lohnausweise und Arbeitszeugnisse auszuhändigen. Dieser Verhandlung, sowie einer weiteren, blieb Zürcher fern und das Geld ist weiterhin ausstehend. Eine weitere formelle Klagebewilligung lag inzwischen bereits vor, an welcher sich auch die Rechtsabteilung des Amts für Wirtschaft und Arbeit der Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich (da der physische Sitz von Pricecoach in Rüti ZH war) beteiligt hätte. Durch die Liquidation müssen die Gläubiger nun aber von vorne beginnen und eine Forderungseingabe beim Konkursamt Zug machen und bei der Ausgleichskasse Zug einen Antrag auf Insolvenzentschädigung stellen.

Konkurs innerhalb einer Bewährungsfrist

In welcher Höhe mittlerweile Forderungen gegen Zürcher bestehen, ist unbekannt. Per Anfang 2017 betrug die Summe laut ehemaligen Mitarbeitenden rund 75‘000 Franken, wobei von Kuoni und Knecht einbezahlte Beträge da nicht einberechnet sind. Hauptgläubiger sind, nebst den früheren Mitarbeitenden, die AXA Winterthur, die Ausgleichskasse des Kantons Zug und die SBB Immobilien in Zürich. Die geschädigten früheren Mitarbeitenden Zürchers bereiten nun zusätzlich eine Strafanzeige  wegen ungetreuer Geschäftsführung, Unterschlagung und Sozialversicherungsbetrug vor. Zu diesen Fällen nahm Zürcher keine Stellung.

Und es könnte noch dicker kommen: Der erneute Konkurs kommt innerhalb der zweijährigen Bewährungsfrist, welche die Staatsanwaltschaft Zug bei der Verurteilung von Zürcher wegen mehrfacher Gläubigerbevorzugung mit Strafbefehl vom 3. April 2017 erlassen hat, im Zusammenhang mit dem ersten Konkurs der XSS AG, wie aus Unterlagen hervorgeht, die Travelnews.ch gesehen hat. Fortsetzung folgt.

(JCR)