Travel Tech
«Im Bus-Bereich liegt massives Potenzial brach»
Jean-Claude RaemySagt Ihnen der Name «Distribusion» nichts? Das ist nicht weiter verwunderlich, aber den Namen sollte man sich dennoch merken. Schliesslich geht es hier um den diesjährigen Gewinner des «Phocuswright Startup Pitch»bei der ITB Berlin.
Worum handelt es sich überhaupt? Distribusion ist ein Global Distribution System (GDS) für Transportleistungen per Bus, genauer für Flughafentransfers und Intercity-Busverbindungen (also Fernbus-Anbieter).
Über Distribusion können solche Busunternehmen direkt mit Verkaufsstellen wie OTAs, Airline-Websites, Metaseach-Engines, Reiseveranstalter-Systemen oder weiteren Tech-Playern der Reiseindustrie wie etwa Amadeus verbunden werden.
Pierre Becher (Bild oben), Marketingchef des in Berlin beheimateten Startups Distribusion Technologies GmbH, erklärt gegenüber travelnews.ch: «Der globale Fernbusmarkt ist riesig; allein im letzten Jahr wurden 6,4 Milliarden Passagiere befördert, welche für mindestens rund 86 Milliarden US-Dollar Ticketumsatz gesorgt haben. Grosse Travel-Portale verkaufen aber keine Fernbusprodukte, sondern meistens nur Flüge, Hotels und Mietwagen.» Dazu kommt, dass allein in Europa und Asien über eine Milliarde Flugpassagiere jährlich Bus oder Bahn nutzen, um zum Flughafen oder von dort nach Hause oder ins Hotel zu gelangen. «Auch diese Tickets werden separat verkauft und nicht auf Online-Portalen oder bei den Airlines direkt», erklärt Becher. Damit ist klar: Hier liegt massives Potenzial brach, sowohl für Busunternehmen wie auch für Travel Retailer und die Reisenden selbst.
Warum sind die Busse bislang aussen vor?
Dass der Fernbusmarkt bislang technologisch schwach angebunden ist, liegt laut Becher daran, dass der Fernbusmarkt sehr fragmentiert ist: «Es gibt kaum Daten- und Prozessstandards, wie etwa im Flugbereich durch die IATA vorgegeben.» Hinzu komme, dass viele Busunternehmen eher nicht so «technologie-affin» sind wie andere Reisesegmente, abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen. «Beides führt dazu, dass Fernbus- und kleine Flughafentransferanbieter keinen Zugang zu weltweiten Vertriebskanälen haben und nur wenig bis gar keinen Drittvertrieb organisieren können», analysiert Becher.
Distribusion setzt genau hier an: Als Schnittstelle zwischen rund 100 Intercity-Busunternehmen und über 200 Flughafentransfer-Unternehmen mit sämtlichen Playern des touristischen Vertriebs. «Distribusion ermöglicht es Busanbietern, effektiven Drittvertrieb zu organisieren und Fahrten in einem internationalen Vertriebsnetzwerk neuen Kunden zugänglich zu machen», bringt es Becher auf den Punkt, «alles passiert digital und über eine API. Damitstandardisieren wir die Daten der Busindustrie ein Stück weit und etablieren einen einheitlichen Buchungsprozess über alle Anbieter hinweg.»
Sämtliche Prozesse sind integriert
Distribusion stellt aber nicht nur die Daten wie Fahrplan und Fahrpreis bereit, sondern wickelt auch die Buchung, das Ticketing sowie Payment & Settlement ab. «Wir sorgen dafür, dass am Ende des Monats jeder seinen Umsatz und seine Kommission in seiner Währung ausgezahlt bekommt», sagt Becher. Damit funktioniert Distribusion ähnlich wie der IATA BSP in der Luftfahrtindustrie.
Und wie verdient Distribusion Geld? Das Unternehmen erhält eine Transaktionsgebühr pro Buchung vom Busunternehmen; die Vertriebskommission geht aber zu 100% an den Vertriebskanal. Das globale Potenzial der total an Vertriebskommission auszuschüttenden Gelder liege bei etwa 18 Milliarden US-Dollar.
Bei der Etablierung eines neuen Bus-Segments in den globalen GDS arbeitet Distribusion bereits mit Amadeus zusammen. Auch für Airlines ist Distribusion interessant: Nebst dem Flug kann der Passagier zwischen Mietwagen- oder Bustransfer (Linienbus oder Flughafentransfer) auswählen und gleich bezahlen, alles auf einer Website. Für die Airlines eine potenziell interessante weitere Einnahmequelle im Bereich der «Ancillaries».
Die Investoren sind überzeugt vom Konzept
Schon jetzt sind in Distribusion rund vier Millionen Busverbindungen zu über 2500 Destination in Europa und Asien hinterlegt. Aus der Schweiz ist laut Becher bislang Expressbus dabei. Das Ziel ist natürlich, auch in weitere Kontinente vorzudringen, und zwar schnell. «Seit Anfang des Jahres binden wir auch Busunternehmen aus Südamerika ein, langfristig ist aber eine weltweite Expansion geplant», gibt Becher preis. Die Technologie sei einfach skalierbar, so dass einer schnellen Expansion zumindest von IT-Seite her nichts im Weg stehe. Auf Vertriebsseite sind bereits über 40 internationale Portale sowie mehrere Tausend Reisebüros an Distribusion angeschlossen.
Finanziell steht Distribusion übrigens auf sehr soliden Beinen. Wie bei vielen Startups verfügt man über «Venture Capital»: Vor fast genau einem Jahr wurden 6 Millionen Euro gesammelt. Der Gewinn des Phocuswright-Preises in Berlin brachte übrigens keinen Geldpreis oder weiteres Investment, sondern ein Ticket für die Phocuswright Europe Konferenz in Amsterdam, vom 16.-18. Mai 2017. «Darüber hinaus ist so ein Preis natürlich immer Motivation für das ganze Team und eine gute Möglichkeit, sich vor einem grösseren Fachpublikum bekannt zu machen», freut sich Becher.