Travel Tech

Steht die Art und Weise, wie Menschen ihre Reisen planen, vor einem tiefgreifenden Wandel, angetrieben von Künstlicher Intelligenz? Bild: Adobe Stock

Kommentar KI-Euphorie der Travel-Tech-Manager nervt

Gregor Waser

Nichts weniger als die Revolution der Reiseplanung ruft ein Tripadvisor-Manager aus. Ball flachhalten, empfehlen wir. Was halten Sie von Künstlicher Intelligenz bei der Ausarbeitung von Reisevorschlägen?

Ja, wir alle sind erstaunt, was die Künstliche Intelligenz per Knopfdruck sekundenschnell ausspuckt. Mit wenigen Vorgaben lassen sich tolle Reiseprogramme erstellen, Geschäftskorrespondenz wird zum Kinderspiel, die Tools verblüffen.

Aber gleich die Reiserevolution ausrufen? Travel-Tech-Manager von Reiseunternehmen sind naturgemäss euphorisch, wenn sie von all den digitalen Verheissungen schwärmen, die mit Automatisierung und Kosteneinsparungen verbunden sind. Schliesslich bekräftigt eine daten- und techgetriebene Reisezukunft ihre Position und Existenz innerhalb eines Unternehmens.

Jüngstes Beispiel: Rahul Todkar, der Head of Data und KI beim Bewertungs- und Buchungsportal Tripadvisor, sieht den Beginn einer neuen Ära. Die Art und Weise, wie Menschen ihre Reisen planen, stehe vor einem tiefgreifenden Wandel – angetrieben von Künstlicher Intelligenz. Todkar spricht gegenüber dem US-Fachportal «Travel Weekly» von «Magie», wenn er beschreibt, wie die Kombination aus KI und den riesigen Datenmengen des Unternehmens die Zukunft des Reisens verändern könnte.

Tripadvisor verfügt über Milliarden von Bewertungen und Beiträgen von Nutzerinnen und Nutzern, die über das Portal auch Reisen buchen. Dem Tech-Manager schwebt vor, all diese Daten mithilfe von KI zu nutzen, um massgeschneiderte Reisevorschläge zu präsentieren – nach dem bekannten Motto: Du hast diesen Film, dieses Buch, dieses Produkt gekauft, dann gefällt dir sicher auch das hier. Die Reiseplanung soll hochgradig personalisiert werden – durch die Kombination aller Tripadvisor-Inhalte mit den KI-Fähigkeiten.

Keine Revolution über Nacht

Das Problem der Tech-Manager hinter ihren sieben Bildschirmen: Sie kennen sich mit Algorithmen aus, müssten aber ab und zu auch mal raus ans Tageslicht, um sich die Realität anzuschauen. Du hast das probiert, also gebe ich dir mehr davon – das funktioniert in der Reisewelt nur bedingt.

Nur weil jemand in den letzten fünf Jahren dreimal im Club-Hotel in der Südtürkei war, heisst das nicht, dass er oder sie, den Rest des Reiselebens im Clubhotel verbringen will. Die Faszination der Reisewelt ist immens – und viel zu gross, um sie in Datenpunkte zu pressen. Das Reiseverhalten wird immer heterogener: im Frühling ins Boutiquehotel beim Städtetrip, im Sommer auf den Campingplatz, im Winter auf die Malediven – mal Zweistern-, mal Vierstern-Hotel, mal Easyjet, mal Selbstanreise, mal Premium Economy.

Reisemenschen lassen sich nur bedingt kategorisieren; Reiseideen und -verhalten ändern sich ständig. Immer wieder mal etwas komplett Neues zu entdecken und zu erleben, macht ja gerade den grossen Reiz des Reisens aus. Diese Vielfalt mit Tech-Modellen und KI einzufangen, funktioniert nur bedingt.

Reisebüros müssen bei den Tripadvisor-Vorstellungen der KI-basierten Reisezukunft jedenfalls nicht gleich zusammenzucken. Einen Kunden oder eine Kundin über Jahre hinweg zu kennen, ihnen immer wieder überraschende neue Vorschläge zu machen und zuzuhören, was sie eines Tages gerne noch erleben würden – das bleibt ein Erfolgsrezept, das nicht von Künstlicher Intelligenz weggespült wird.

Dass KI im administrativen Alltag eine grosse Hilfe darstellt, ist unbestritten. Doch dass sie auf Knopfdruck den überraschenden, inspirierenden und für den Kunden völlig neuen Vorschlag kreiert, ist zu bezweifeln.