Travel Tech

TripAdvisor wird zum Amazon der Reiseindustrie

Ben West

TripAdvisor entwickelt sich zum Full-Service-Veranstalter. Braucht es in Zukunft keine Reisebüros mehr?

Amazon wird für die Schliessung unzähliger Buchläden und Verlage verantwortlich gemacht. Denn der Online-Händler bietet einen sogenannten One-Stop-Shop für eine ganze Bandbreite an Gütern, von denen viele zu extrem tiefen Discount-Preisen verkauft werden.

Wird der 1,5 Milliarden Dollar-Umsatz-starke Technologie-Gigant TripAdvisor die Tourismusindustrie auf die gleiche Weise in ihren Grundfesten erschüttern? Wer heute die Website besucht, kann Hotels, Touren, Safaris oder Tickets für Sehenswürdigkeiten und Museen buchen. Experten gehen davon aus, dass das Unternehmen dieses Jahr alleine mit Hotelbuchungen einen Umsatz von 3 Milliarden USD (2.92 Milliarden Franken) erzielen wird.

Die Plattform, die immer stärker die Rolle des Reisebüros übernimmt, veröffentlicht Bewertungen, die zur Bedrohung für Veranstalter wie Tui oder Thomas Cook werden, aber auch für Ryanair oder Easyjet, die vermehrt Pauschalreisen verkaufen. Bei Ryanair kann man schon jetzt Hotelübernachtungen zum Flug dazubuchen; ab Oktober wird das Unternehmen auch Betten in Jugendherbergen, Homestays und Villen anbieten.

TripAdvisor wurde im Jahr 2000 lanciert. Heute ist die Plattform mit 350 Millionen Nutzern pro Monat die weltweit grösste Reise-Website und verfügt über eine umfassende Marktmacht. Mit über 13'000 geposteten Bewertungen pro Stunde kann TripAdvisor ein Reisegeschäft fördern oder zerstören.

TripAdvisor ist das Uber der Reisebranche

Ursprünglich als Tourismusforum gegründet, in dem Reisende ihre Erfahrungsberichte publizieren konnten, sind die Ambitionen stetig gewachsen: Während der letzten fünf Jahre hat sich TripAdvisor zu einem Full-Service-Veranstalter entwickelt, der immer mehr Reiseprodukte anbietet. Zwar können heute noch keine Flüge auf der Plattform gebucht werden, dies dürfte sich aber bald ändern.

Dank der neusten Technologie und tiefen Betriebskosten kann das Unternehmen die Reiseindustrie ähnlich durchschütteln, wie es Uber mit dem Taxi-Geschäft getan hat.

Als Ryanair kürzlich seine Expansionspläne bekanntmachte, erklärte das Unternehmen, zum «Amazon der Luftfahrt» werden zu wollen. Allerdings hat TripAdvisor viel die grösseren Chancen auf vollkommene Dominanz, da Reisende die App während ihres gesamten Aufenthalts nutzen. Wer einen Ryanair-Flug bucht, hat keinen Grund, während den Ferien auf die Website zurückzukehren. Dagegen wird TripAdvisor von vielen Usern auch während ihres Aufenthalts für die Buchung von Hotels, Eintrittstickets oder Touren benutzt.

Amazon beendete still seinen Hotel-Buchungsservice

Während TripAdvisor wächst, waren die Vorstösse von Amazon in die Tourismusindustrie interessanterweise sehr kurzlebig. Letztes Jahr beendete der Anbieter stillschweigend seinen Hotel-Buchungsservice Amazon Destinations. Obwohl er nur ein halbes Jahr zur Verfügung stand und auf einige wenige Städte fokussierte, sagte man ihm ein grosses Wachstumspotenzial voraus. Besonders, weil Expedia und Priceline 2013 insgesamt Reise-Angebote im Wert von 278 Milliarden USD verkauften.

Natürlich gibt es bei Unternehmen wie TripAdvisor und Ryanair noch Kinderkrankheiten, dennoch sollten traditionelle Tourismusunternehmen wie Reisebüros oder Hotels aufpassen, dass ihr Geschäft nicht umgewandelt oder sogar ausgelöscht wird. Abschreckende Beispiele sind die zahlreichen Musik-Labels, Zeitungen, Zeitschriften und Buchverläge, die vom Online-Geschäft verdrängt wurden.