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Oliver Käsermann (Managing Director Amadeus Switzerland, links) und Stefan Angst (Sales & Marketing Manager) geben Einblick in ihr neues Büro und den aktuellen Geschäftsverlauf. Bild: TN

Amadeus rechnet mit diesen Reisetrends 2024

Gregor Waser

Business-Class-Tarife werden entbündelt, Influencer werden zu Reiseverkäufern, künstliche Intelligenz entwickelt sich weiter und Musiktourismus erhöht die Nachfrage: damit rechnet Amadeus im nächsten Jahr. Dazu präsentieren wir die aktuellen Amadeus-Zahlen von Januar bis September 2023.

Seit März 2023 hat Amadeus ein neues Domizil in Zürich, gleich bei der Hardbrücke im höchsten Gebäude der Stadt, dem Primetower. Hier verfügt das Reisetechnologie-Unternehmen über ein Serviced Office, teilt den 4. Stock mit einigen weiteren Firmen und kann neben den eigenen Büros optional auf einen gemütlichen Lounge-Bereich, eine Küche oder verschiedene Besprechungskabinen zählen.

Nachdem die bisherigen Räumlichkeiten im Technopark an der Pfingstweidstrasse zu gross geworden sind –wegen des geringeren Platzbedarfs durch häufigeres Homeoffice – ist das neue Primetower-Office sehr modern, gestylt, funktional und mit den nötigen Annehmlichkeiten ausgestattet.

Gute Zahlen nach neun Monaten

Gut sind sie unterwegs, Managing Director Oliver Käsermann und Sales & Marketing Manager Stefan Angst. Nicht nur wegen den schönen neuen Büros, auch wegen der aktuellen Zahlen.

Im Vergleich der Monate Januar bis September liegen die Amadeus  Air Bookings 15,7 Prozent im Plus gegenüber dem Vorjahr, der Gruppenumsatz sogar um 23,3 Prozent:

Was dabei auffällt: das eigentliche GDS-Business, also der Verdienst mit gebuchten Flugsegmenten, macht heute nur noch die Hälfte des Umsatzes aus. Air IT Solutions sowie Hospitality and other Solutions generieren heute schon genauso viel Umsatz.

Schliesslich ist der Flugumsatz in den letzten Jahren verstärkt unter Druck gekommen mit den zahlreichen Bemühungen der Airlines, direkt zu vertreiben statt über die globalen Distributionssysteme, die in den Reisebüros und bei Travel Management Companies (TMCs) genutzt werden.

NDC-Content von 23 Airlines

Doch Käsermann und Angst können im Gespräch mit Travelnews glaubhaft machen, dass das GDS-Geschäft nach wie vor sehr stabil ist. Das hat auch damit zu tun, dass Amadeus den Airline-Standard NDC verstärkt in das eigene Vertriebssystem integrieren und offerieren kann.

Bei diesen 23 Airlines können NDC-Buchungen getätigt werden:

Einschränkend gilt zu sagen: der NDC-Content von Lufthansa und Swiss ist erst in elf Ländern verfügbar, darunter Österreich, Grossbritannien und Skandinavien, in der Schweiz und Deutschland aber noch nicht. Hier seien die Gespräche noch im Gang, der Zeitpunkt sei noch offen.

Was den GDS aber in die Karten spielt: TMCs und Reisebüros wünschen sich eine zentrale Buchungsstelle für jeglichen Airline-Content und dazu auch die Vergleichsmöglichkeit, statt mit jeder einzelnen Airline eine direkte Schnittstelle und Anbindung pflegen zu müssen. Weltweit hat Amadeus bei mehr als 42'000 Reisebüros NDC aktiviert. «Für uns ist wichtig, dass die heutigen Lösungen in der Amadeus Selling Platform – das Werkzeug der Reisebüros – den NDC-Buchungsprozess abbilden», sagt Stefan Angst, dazu gehöre auch die end-to-end-Anbindung ins Backoffice, etwa bezüglich Zahlungen.

Aktuelle Zahlen aus dem Onlline-Pauschalreise-Markt Schweiz

Eine interessante Entwicklung ist beim Blick auf die aktuellen Amadeus Schweiz-Zahlen für Online-Pauschalreisen zudem zu erkennen: Schweizerinnen und Schweizer scheinen sich auch im Reisejahr 2023 weiterhin etwas zu gönnen. Der Anteil gebuchter Fünfsterne-Häuser ist im Jahr 2023 wie schon im Jahr 2022 deutlich höher als im Jahr 2019. Der Nachholeffekt, sich nach der Pandemie mehr zu leisten, hält also an.

Derselbe Effekt lässt sich bei den Gesamtreisepreisen ablesen. Buchungen im Bereich von 2500 bis 3000 Franken wurden nach 2022 auch im Jahr 2023 deutlich häufiger getätigt als noch im Jahr 2019.

«Die grosse Frage, deren Antwort wir alle nicht wissen, ist, wie das im nächsten Jahr aussehen wird», lässt Stefan Angst die kommende Entwicklung offen, um auf die Unsicherheiten bezüglich den Kostentreibern Energie, Krankenkasse und Inflation hinzuweisen.

Die fünf Reisetrends im Jahr 2024

Um den dynamischen Wandel der Reisebranche im Auge zu behalten, führt Amadeus regelmässig eine internationale Marktstudie durch. «Auch wenn es unmöglich ist, genau zu wissen, was in Zukunft passieren wird, sehen wir uns als Amadeus mitten im Reise-Ecosystem in der Position, dass wir einen Einblick haben in die zukünftigen Entwicklungen», sagt Amadeus Schweiz-Chef Oliver Käsermann.

Auf Grundlage aktueller Daten sowie Expertenanalysen aus dem gesamten Unternehmen identifiziert Amadeus in seiner diesjährigen Travel-Trends-Untersuchung fünf Entwicklungen:

1. Der Musiktourismus

Nach der sozialen Isolation während der Pandemie, als Bands und Musikkünstler monatelang nicht auftreten konnten, ist in diesem Jahr ein Boom von Konzerten und Festivals zu verzeichnen, der den Wunsch nach Begegnungen weckt. Es wird erwartet, dass sich dieser Trend mit Blick auf 2024 noch verstärken wird. Die britische Rockband Coldplay hat kürzlich Tourdaten für das nächste Jahr angekündigt, die Fans aus aller Welt anziehen.

Amadeus Daten belegen, dass die Konzerttermine von Coldplay in Rumänien und Griechenland für 2024 einen erheblichen Einfluss auf das Such- und Buchungsvolumen in beiden Ländern hatten. Taylor Swift wird auch im Jahr 2024 weiterhin auf Tournee sein und den weltweiten Reiseverkehr beeinflussen. Die Analyse der Flugsuche im Zusammenhang mit ihren Konzerten im asiatisch-pazifischen Raum zeigt eine Korrelation zwischen Buchungen und den Terminen ihrer Konzerte.

2. Die Influencer

Soziale Medien haben eine grosse Bedeutung für die Inspirationsphase einer Reise bekommen, aber es findet ein Wandel statt. Influencer sind nicht mehr nur die Quelle der Reiseinspiration für ihre Community, sondern sie sind jetzt auch Vermittler von Direktbuchungen über ihre verschiedenen Kanäle. Influencer wie Ana Hernández Sárria, der Reisefotograf Rafael Fernandez Caballero, die Reisebloggerin The Blonde Abroad, die Yoga- und Bewegungstrainerin Sjana Elise und die Ganzjahresreisende und Content-Erstellerin Alyssa Ramos konzipieren und veranstalten ihre eigenen Gruppenreisen.

Der Aufstieg der sogenannten «Influencer-Reiseverkäufer» wird durch E-Commerce-Marktplätze wie Thatch, Luxury Travel Hackers und TrovaTrip gefördert, die von Inc. auf Platz 236 von 5000 der am schnellsten wachsenden Unternehmen in den USA im Jahr 2023 eingestuft wurden. Diese Technologie ermöglicht es Influencern, die zum Beispiel Instagram, YouTube und TikTok nutzen, einen Buchungslink direkt auf ihrer Profilseite zu teilen und Zahlungen abzuwickeln.

3. Emissionsfreie Lufttransfers

Da der Autoverkehr in den Städten und die Luftverschmutzung zunimmt, sind Flugkorridore eine mögliche Lösung für den mit fossilen Brennstoffen betriebenen Verkehr, so dass die Betreiber von Flugtaxis, elektrisch betriebenen Senkrechtstartern und -landeflugzeugen und anderen Arten von Elektroflugzeugen, emissionsärmere Flugreisen sowohl in Städten und zu Satellitengebäuden auf Flughäfen als auch innerhalb eines Landes und zwischen Inseln anbieten können.

Es mag sehr futuristisch anmuten, aber der deutsche Flugzeughersteller Volocopter plant, für die Olympischen Spiele 2024 in Paris eine Flotte elektrischer VoloCity bereitzustellen und damit eines der ersten Lufttaxinetze aufzubauen. Gleichzeitig plant Dale Vince, der Gründer des Ökostromunternehmens Ecotricity, die Einführung einer Fluggesellschaft namens Ecocity im Vereinigten Königreich, die mit grünem Wasserstoff betrieben wird.  Toff Mobility, das erste asiatische Unternehmen für Elektroflugzeuge, will 2024 in Südkorea seine ersten Elektroflugzeuge auf den Markt bringen, während Surcar Airlines das Unternehmen Zeroavia mit der Lieferung von wasserstoffbetriebenen Motoren für seine Wasserflugzeuge auf den Kanarischen Inseln beauftragt hat.

4. Intelligenter Concierge

Generative künstliche Intelligenz steigert den Wert der Online-Reiseplanung für Konsumentinnen und Konsumenten enorm, da Suche und Beratung hyperpersonalisiert und intuitiver werden. Anstatt Filter auszuwählen, um eine Suche auf einer Metasearch- oder auf einer Reisebüro-Website zu verfeinern, können Reisende einem Chatbot einfach ihren Reisewunsch mitteilen, so wie sie es bei einem menschlichen Berater tun würden.  Ein neues ChatGPT-Plug-in von Expedia beispielsweise funktioniert wie ein virtueller Reiseassistent, der auf die Bedürfnisse der Kunden eingeht und sofortige Hotel- und Reiseempfehlungen mit Links zur Buchung liefert.

Die nächste Generation des durch generative künstliche Intelligenz gestützten Kundenservices wird mit einem besseren Verständnis und Einfühlungsvermögen ausgestattet sein, wodurch die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter, die sich mit dem Grossteil des Services nach der Buchung und der Verwaltung von Kundenrezensionen befassen müssen, verringert wird und sie mehr Zeit für die Bearbeitung speziellerer Anliegen haben.

5. Erschwinglicher Luxus

Da immer mehr Reisende im vorderen Teil des Flugzeugs fliegen möchten, bietet sich die Gelegenheit, erschwinglichere und leichter zugängliche «entbündelte» Business-Class-Tarife anzubieten. Im Jahr 2019 war Emirates eine der ersten Fluggesellschaften, die «spezielle» Business-Class-Tickets ohne Lounge-Zugang, mit eingeschränkter Sitzplatzauswahl und ohne Upgrade-Möglichkeiten einführte. Qatar Airways folgte mit einem Business-Class-Lite-Tarif, bei dem die Passagiere für Lounge-Zugang und Datums- oder Routenänderungen extra bezahlen mussten, während sie gleichzeitig weniger Avios bzw. Qmiles sammelten.  Zipair (Japan) und Finnair bieten seit 2021 sogenannte Basic-Business-Tickets an, Air France und KLM Business-Class-Light-Tarife seit 2023.

Am anderen Ende der Skala bauen die Fluggesellschaften auch geräumigere «Luxus»-Business-Class-Sitze in der ersten Reihe ein, die nur für eine begrenzte Anzahl von Passagieren verfügbar sind. Beispiele hierfür sind die neue Upper Class Retreat Suite von Virgin Atlantic, der Prime-Business-Class-Sitz von Condor, die Bulkhead-Sitze von Air France in ihren neu konfigurierten B777-300ER und das Mint Studio von JetBlue im Airbus A321LR.  Ein Beleg dafür, dass sich dieser Trend 2024 fortsetzen wird, sind die Neuigkeiten von Air New Zealand, die entweder vier oder acht Reihen eines neuen Business-Premier-Luxe-Produkts in ihr Portfolio aufnehmen wird, während Lufthansa ab 2024 in ihrer Allegris Business Class sieben verschiedene Sitze mit unterschiedlichen Preisen und Vorteilen anbietet.