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Wo die touristische Camino-Blockchain steht
Jochen Eversmeier, FVW«Hello again», mit diesen Worten begrüsste Thomas Stirnimann, Präsident der Camino Network Foundation, die Teilnehmer zur Travel-Un'chained-Konferenz auf Mallorca. Das Blockchain-Gipfeltreffen findet nach der Premiere vor einem Jahr zum zweiten Mal statt. Zeit also für eine erste Bilanz, wie Stirnimann befand.
Wo steht Camino derzeit? Das wollten auch die Teilnehmer wissen. 250 Vertreter aus 160 touristischen Unternehmen kamen nach Mallorca, darunter bekannte Branchengrössen wie Eurowings, DER Touristik und FTI sowie IT-Spezialisten und Leistungsträger wie A3M, Airxelerate, Giata, Team Neusta, Traso, Peakwork und Sunny Cars, um sich über aktuelle Blockchain-Projekte zu informieren.
Am ehrgeizigen Ziel der Camino-Stiftung, daran liess Stirnimann keinen Zweifel, hat sich nichts geändert: Die Camino-Blockchain soll ein dezentral organisiertes und sicheres Betriebssystem für die internationale Touristik werden. Je mehr Unternehmen – als Unterstützter, Validatoren von Transaktionen, mit eigenen Applikationen – mitmachen, umso besser.
150 Reiseunternehmen unterstützen Camino
Laut Stirnimann gibt es inzwischen mehr als 150 Firmen, die Camino unterstützen, davon mehr als 100 als Validatoren. Seit dem Livegang des sogenannten Mainnets im April dieses Jahres werden die Validatoren nach und nach im Netzwerk freigeschaltet. Ihre Aufgabe: Sie prüfen die Transaktionen, die über Camino abgewickelt werden.
Als Meilenstein nannte Stirnimann zudem den Start der von ihm vertretenen Camino-Stiftung im Mai, die nun alle Rechte an Camino hält, für die Vermarktung sorgt und zusammen mit den Validatoren für die Weiterentwicklung des Netzwerks zuständig ist.
Mit der operativen technischen Umsetzung hat die gemeinnützige Stiftung das Start-up Chain4Travel von CEO Ralf Usbeck beauftragt, das die Camino-Entwicklung vor anderthalb Jahren initiiert hat. Die von Beginn an geplante und nun umgesetzte Rollenverteilung soll die Unabhängigkeit und Unverkäuflichkeit des Camino-Netzwerks garantieren, das allen touristischen Unternehmen offen steht.
Seit August ist das Camino-Netzwerk für die ersten Anwendungen geöffnet. Rund 1000 echte Transaktionen pro Woche werden laut Stirnimann bereits auf Camino abgewickelt werden. Es sollen schnell Hunderttausende werden. «Voraussetzung dafür ist, dass nun Reiseanbieter passende Apps entwickeln und damit im Camino-Netzwerk starten», machte Stirnimann deutlich.
Finanzierungsrunde mit drei Tranchen startet
Das geht nicht ohne weitere Anschubfinanzierung. 4,6 Mio. Schweizer Franken hatte der abgeschlossene Presale nach Unternehmensangaben eingebracht. Auf Mallorca gab Stirnimann nun den Startschuss für einen weiteren Presale. Der Gesamtumfang beträgt 75 Mio. Camino-Token, die in den kommenden sechs Monaten in drei Tranchen zu je 25 Mio. Token verkauft werden sollen.
Läuft es wie geplant, soll der Presale etwa 13,1 Mio. Schweizer Franken einspielen. Die Durchführung liegt bei einem Trio aus Hitz und Partner, Ennea sowie Falkensteiner Ventures. Das frische Kapital soll in die Weiterentwicklung und weltweite Vermarktung der Camino-Blockchain investiert werden. Nach Abschluss der Aktion wird die Camino-Foundation noch 750 Mio. Token für weitere Finanzierungsrunden halten.
Künftig sollen sich zudem Camino-Unterstützter und Validatoren direkt an Chain4Travel beteiligen können. Das Start-up entwickelt sich zu einem IT-Dienstleister, der neben seiner Rolle als Camino-Entwickler andere Reisefirmen bei deren Blockchain-Anwendungen oder dem Ausrichten von Blockchain-Hackathons unterstützt.
Chain4Travel präsentiert Camino-Messenger
Als wichtigste Entwicklung präsentierte Chain4Travel-Chef Usbeck einen dezentralen Messenger als neues Feature der Camino-Blockchain. Dieser soll es Reisefirmen ermöglichen, sich einmal an das Netzwerk anzuschliessen und dann im ganzen Netzwerk über einen einheitlichen und leistungsfähigen Nachrichtenstandard verkaufen und einkaufen zu können. Der Vorteil: Es müssen nicht mehr zahlreiche Direktanbindungen mit hohen Kosten gepflegt werden.
Der Messenger arbeitet mit Bots, die mit den Wallets jedes Partners verbunden sind und Suchanfragen verschlüsselt an die Wallets der Partner im Camino-Netzwerk versenden. Die Partner antworten wiederum mit Angeboten, die ebenso verschlüsselt abgegebenen werden.
Zudem bietet der Messenger die Möglichkeit für Anbieter, eine Gebühr für Anfragen im Mikrobereich festzulegen und damit den Datenverkehr zu monetarisieren, um Look-to-Book-Raten zu kontrollieren. fvw|TravelTalk wird in seinem am 27. Oktober erscheinenden Heft 22/2023 ausführlicher über den Camino-Messenger berichten.
SAF-Hackathon und Web3-OTA Sleap vorgestellt
So vielschichtig wie das Messenger-Projekt waren die weiteren Inhalte der Veranstaltung: Zum Thema Nachhaltigkeit und Blockchain teilte Marc Riley, CTO von DER Touristik Online, gemeinsam mit der Lufthansa Ergebnisse eines DER-Hackathons. In nur wenigen Tagen wurde mithilfe der Technik des Camino-Netzwerks ein Prototyp entwickelt. Der belohnt Reisende für den Kauf von SAF (Sustainable Aviation Fuel) mit Eco-Rewards und ermöglicht den Unternehmen das gewünschte Tracking des Verkaufs durch SAF-Token.
Jens Bischof, CEO von Eurowings, teilte seine Vision, welche Rolle Blockchain-Technik für die Reisebranche spielen kann (auch dazu mehr im fvw|TravelTalk-Heft 22/2023 am 27. Oktober). Weitere Redner waren Benjamin Usinger, CMO von Bitmex, der seine Expertise im Kryptomarkt präsentierte und Manuel Saballus, seit diesem Jahr Chef des IT-Hauses Peakwork, mit neuen Ansätzen für Services, Handel und Kundenbindungsprogramme auf Blockchain-Basis.
Sleap-Mitgründer und CEO Michael Ros stellte das erste Web3-OTA für Hotels vor, das kürzlich im Camino-Netzwerk gestartet ist. Sleap will Reisenden einen hohen Grad an Personalisierung durch die Kombination von Blockchain-Technik und künstlicher Intelligenz bieten. Michael Hasler von Juice präsentierte die Plattform Devest: Durch Bruchteilseigentum an beispielsweise Ferienimmobilien werden Anteile leichter handelbar, was die Kapitalzuflüsse in die Branche erleichtern könnte.
«Jetzt kommt es auf die Reiseunternehmen an»
«Unsere Planungen sind mittel- und langfristig angelegt. Umso beeindruckender ist es zu sehen, was wir in einem Jahr seit unserer ersten Veranstaltung erreicht haben», fasste Chain4Travel-Chef Ralf Usbeck zusammen.
Ist der Job damit erledigt? «Nein», resümierte Thomas Stirnimann von der Camino-Stiftung. Bislang sei man mit 1000 Reiseunternehmen in Kontakt gewesen. Rund 200 davon hätten erklärt, sich im Camino-Netzwerk zu engagieren. Nun komme es darauf an, dass die Firmen mit Anwendungen und Apps auf der Blockchain aktiv werden.
«Wir wollen Wachstum sehen», unterstrich Stirnimann, dass der Ball nun insbesondere bei den Unternehmen im Netzwerk liegt. Geht man von der Aufbruchstimmung aus, die bei der Veranstaltung herrscht, stehen die Chancen dafür gut. Die Teilnehmer tauschen sich intensiv darüber aus, wer woran arbeitet oder Projekte plant, wie man zusammenarbeiten und voneinander lernen kann.