Travel Tech
Live-API oder Datenlieferung? – «Die Zukunft gehört hybriden Modellen»
Jean-Claude RaemySeit geraumer Zeit zeichnet sich ab, dass im Reisevertrieb neben dem Preis auch die Abdeckung individueller Bedürfnisse und Wünsche durch die angebotenen Produkte eine Rolle spielt. Sei es der schnelle Preisvergleich von zahlreichen Anbietern, zeitliche Flexibilität, die Auswahlmöglichkeit von zusätzlichen Services oder gar die online selbst gestaltete Rundreise - all dies erhöht die Chance auf eine Buchung.
Während vor allem im stationären Vertrieb des deutschen Quellmarkts, aber inzwischen auch in der Schweiz und in Österreich, die führenden Recherche- und Buchungssysteme auf intermediäre, Regel-basierte Datenformate wie OTDS setzen, zeigt sich vor allem im B2C-lastigen, internationalen Geschäft noch eher eine Vorliebe für eine Integration unterschiedlichster Anbietersysteme über Programmierschnittstellen (API).
Inzwischen gewinnt jedoch das Format OTDS offenbar auch im Bereich der Leistungsträger in den Zielgebieten an Bedeutung, wie der rege Zuspruch zur kostenlosen, englischsprachigen Zoom-Veranstaltung «OTDS Explained» des in Deutschland ansässigen IT-Spezialisten a-five zeigte. «Dabei stellten die Teilnehmer zum Ende die Frage ‹API oder Datenformate?›, die sich naturgemäss nicht abschliessend beantworten lässt, ohne die damit verbundenen Vor- und Nachteile zu beleuchten», erklärt Michael Aubermann von a-five gegenüber Travelnews (Aubermann ist übrigens auch Mitglied im Technischen Ausschuss des OTDS e.V.).
Während die technische Landschaft durch die zunehmende Popularität REST-basierter Programmierschnittstellen ordentlich in Bewegung gekommen ist, ist andererseits gerade der Mangel an Einheitlichkeit solcher Ansätze und die doch sehr volatile Schnittstellendefinition ein oft unterschätztes Problem. Auf der anderen Seite stellen Datenformate wie OTDS eine sogenannte «Domain Specific Language» dar, die Preise, Verfügbarkeiten und Produkteigenschaften abbilden und in ihrer Ausdrucksstärke nicht zu unterschätzen sind. «Als herstellerunabhängiges Format kann OTDS hohe Qualität in Bezug auf Dokumentation und Stabilität vorweisen», führt Aubermann weiter aus.
Fassen wir das Problem aus Sicht des Vertriebs zusammen, so lautet die Frage, weniger technikspezifisch formuliert: Auf welche Weise lassen sich umfangreiche und detaillierte Suchfunktionen realisieren, ohne bei Preistreue und Verfügbarkeit von Angeboten Abstriche zu machen? Dieser Frage gehen wir mit zwei wohlbekannten Unternehmen nach, die ihre digitale Basis seit Jahren erfolgreich voran treiben: Hotelplan Suisse, wo bereits auf OTDS gesetzt wird, und Nezasa, Anbieter einer rein API-gestützten Lösung.
Pablo Castillo, CIO, Hotelplan Group
«Wir haben die Entwicklung von OTDS schon früh verfolgt. Als OTDS Marktreife erlangt hat und sich mit damit eine Alternative zu anderen Formaten wie EDF etablierte, haben wir entschieden, dieses Format ebenfalls zu unterstützen. Wir sind im Vorstand des OTDS-Vereins vertreten und wollen die Bedürfnisse der Hotelplan Gruppe sowie die Internationalisierung des Formats vorantreiben. Wir testen zur Zeit erste Datenlieferungen an unsere Partner in OTDS und sind im Gespräch mit diversen Vertriebssystemen, welche zukünftig auf das Format setzen möchten.
Wie jedes Cache-basierte Format erlaubt OTDS eine Vielzahl von Such- und Darstellungsmöglichkeiten (Bsp. Kalender, Kartensuchen etc.), ohne dass der Kunde mit langen Antwortzeiten rechnen muss. Die Hotelplan Gruppe setzt momentan im B2C-Bereich auf EDF. Insbesondere im B2B-Bereich ist zukünftig ein stärkerer Einsatz von OTDS geplant.
Zur Frage ‹API-Zugriff vs. Datenlieferung›:
- Die Datenlieferungen oder das Vorhalten von Cache-Daten – egal in welchem Format – erlauben es, schnelle Abfragen auf grosse Datenmengen zu machen. Jedoch haben sie den Nachteil, dass je nach Datenqualität bei der richtigen Anfrage die Verfügbarkeit oder der Preis ändern kann. Die Datenqualität und das regelmässige Update der Daten ist also zentral.
- APIs wiederum haben den Vorteil, dass man akkuratere Ergebnisse bei einer Abfrage erhält, weil man immer den aktuellen Stand auf diese spezifische Anfrage findet. Dafür gibt es Einschränkungen bei sogenannten offenen Abfragen (z.B. ‹zeige mir das günstigste Hotel in ganz Spanien›) und bei der Geschwindigkeit. Auch haben gewisse Partner – etwa die GDS – die «Look to Book Ratios› vertraglich geregelt, so dass zusätzliche Kosten anfallen können, falls diese Überschritten werden.
- Das eine muss jedoch das andere nicht ausschliessen. Ich bin überzeugt, dass die Zukunft den hybriden Modellen gehört.
Auch lässt sich die Frage nicht klar beantworten, ob der Einsatz von OTDS kostenseitige Vorteile mit sich bringt. Das kommt ganz auf den ‹Use Case› respektive den Technologie-Provider an, mit welchem man zusammenarbeitet. Wir sehen OTDS mehr als eine strategische Entscheidung für die Distribution als eine Kostenoptimierung.
Im DACH-Raum ist OTDS bereits relativ verbreitet; immer mehr DMCs und auch andere Technologie-Anbieter und Provider in anderen Märkten sind am Format interessiert und unterstützen dieses. Dies war einer der Gründe, warum das Format für uns interessant wurde.»
Manuel Hilty, Mitgründer/CEO, Nezasa
«Generell ist Nezasa beim Thema OTDS vs. API nicht Verfechter einer spezifischen Variante. Es ist zwar so, dass unsere Plattform auf Supply-Quellen grundsätzlich via API zugreift. Dies hat aber nicht damit zu tun, dass wir Datenlieferungen nicht gut finden, sondern mehr damit, dass das Bauen von Cache-Lösungen nicht unser Fokus ist. Wir haben aber sowohl eine Anbindung an den Peakwork Hub als auch an den Bewotec Player entwickelt und sind daher in der Lage, auch Daten aus solchen Quellen in unserer Plattform zu verwenden.
Welche Art von Quelle (Cache versus live API) man dann am Schluss verwendet, hängt von vielen Faktoren ab:
- Produkt: OTDS ist aktuell stark vertreten bei Pauschalpaketen und Sun&Beach Produkten. Da hat man auch einen grossen Anteil von Charterflügen und eingekauften Hotelkontingenten. Auf der FIT-Fernstrecke ist OTDS aktuell jedoch weniger relevant.
- Speed: Cache-Lösungen sind generell schneller in der Suche und Abfrage als Live Connections (auch wenn es hier natürlich Ausnahmen gibt und gewisse Supplier schon sehr schnell auf Live-Abfragen antworten können).
- Kosten: Bei gewissen Produkten (z.B. Flüge) ist eine hohe Anzahl von Live-Abfragen potenziell mit zusätzlichen Kosten verbunden
- Datenaktualität: Wenn das Anzeigen von wirklich buchbaren Produkten entscheidend ist, dann sind Live-Abfragen diesbezüglich den Cache-Abfragen überlegen. Wir sehen auch Anwendungsfälle, wo man früh im Funnel (z.B. in Preiskalendern) gecachte Daten verwendet (aus Speed- und Kostengründen) und später im Funnel dann auf Live-Abfragen umstellt.
Fazit: Wir sehen für beide Varianten, Live APIs wie auch Datenlieferungen, eine Daseinsberechtigung. Wir beobachten die Entwicklungen der OTDS-Community mit grossem Interesse und sind auch im engen Kontakt mit diversen Vertretern dieser Community.»