Travel Tech

«Google hat eine enorme Präsenz auf den Smartphones»

Gregor Waser

Pablo Castillo, CIO Hotelplan Group, über Systemausfälle, Dynamisierung, die Cloud und künftige Konkurrenten.

Herr Castillo, Sie stehen der Hotelplan-Gruppe seit über einem Jahr als CIO vor. Zu Beginn mussten Sie einen Komplettausfall des Systems erleben. War das bisher die grösste Herausforderung?

Pablo Castillo: Ja, das war eine gute Übung (lacht). Touch wood, unser System ist seit dem Vorfall im vergangenen März sehr stabil. Wir standen damals vor einem Rätsel. Eine Hardware-Komponente im Rechenzentrum hatte einen Zustand, der zu einem Data-Storm führte und das Netzwerk und die Telefone zusammenbrechen liess.

Auf welchen anderen Baustellen mussten Sie agieren seit dem Amtsantritt?

Es sind keine schwarzen Löcher aufgetaucht... Mein Vorgänger Koni Iten, bei ihm habe ich vier Jahre gearbeitet, hat einen super Job gemacht. Im letzten Jahr waren wir mit 25 bis 30 Projekten, über die ganze Gruppe verteilt, beschäftigt. Vieles bezog sich auf den Bereich Schnittstellen, die Anbindung von neuen Suppliern und der Player-Hub-Technologie. Ein wichtiges Projekt war die Lancierung der Mobile-App und diverser Weblösungen.

Sie haben die Abteilung Digital Business Development eingeführt. Welche Überlegungen stehen dahinter?

Marc Isler leitet die Stabstelle, er kam im Juli 2014 zu uns. Die Frage war: wer betreut das Thema Innovation? Die Geschwindigkeit nimmt zu, viele Trends tauchen auf, versanden wieder. Aber bei gewissen Sachen — falls man sie verschlafen sollte — hat man nachher ein Problem, sie aufzuholen. Marcs Team beobachtet den Markt, checkt Möglichkeiten, scannt Startups, verfolgt den Customer Journey — losgelöst vom Daily Business, ohne Betriebsblindheit.

«Wir zapfen Daten von mehr als 20 Schnittstellen an»

Wo haben Sie Ihre Karriere angefangen? Sind Sie Informatiker?

Vor 15 Jahren habe ich zunächst bei Kuoni als Reiseberater gearbeitet, danach verschiedene Jobs im Projektmanagement betreut bis ich vor fünf Jahren zu Hotelplan Group stiess. Nein, Informatiker bin ich nicht, ich habe Ausbildungen in internationaler Projektleitung und an der HFT Luzern genossen, der Rest ist Learning by Doing. Die Hotelplan Group hatte explizit jemanden mit der Nähe zum Business gesucht, gute Informatikspezialisten haben wir viele im Team.

Was hat sich IT-mässig in der Reisebranche verändert im Vergleich zu Ihren Anfängen?

Viel. Erst vor zehn Jahren etwa kam das erste iPhone auf den Markt. Die Dynamisierung hat die letzten Jahr geprägt, wir kommen weg von 7- oder 14-tägigen Packages. Ein zweiter Trend ist das Sourcing: wir zapfen Daten von mehr als 20 Schnittstellen an. Den Job des Einkäufers gibt es heute nur noch in reduzierter Form. 30 bis 40 Prozent der Angebote im Beachbereich werden so konstruiert. Das schlägt sich auch auf die Kalkulation nieder, die dynamisch geworden ist. Und der dritte Trend: Business und IT verschmelzen immer mehr.

Stehen Sie im engen Kontakt mit der Migros-IT?

Es gibt einen vierteljährlichen Austausch. Für uns hilfreich ist, die Kollegen fragen zu können, wer uns bei einem gewissen Problem helfen kann. Bereits jeder IT-Dienstleister in der Schweiz hatte schon irgendwann mal Kontakt zur Migros. So besteht ein gutes Netzwerk. Zudem ist ein wichtiger Punkt die Lizenzen: Es ist natürlich eine andere Ausganglage, Lizenzen zu beschaffen, wenn man nun 1200 oder 100'000 Mitarbeiter hat.

Wann ziehen Sie mit den Daten in die Cloud? Und welche Überlegungen gibt es dabei bezüglich Datenschutz? Vermehrt kommen Bedenken auf, Daten in den USA zu lagern.

Wir haben noch zwei Rechenzentren im Keller. Vor zehn Jahren machte diese Einführung noch Sinn. Heute würde man anders entscheiden. Für die Cloud fehlt uns aber noch die kritische Grösse, um von Skalierungseffekten und Storage optimal zu profitieren. Wir prüfen aber bei neuen Projekten und auch jeweils bei Ablösungen von alten Systemen, ob sich ein Cloud-Ansatz lohnen würde. Beim Datenschutz ist es so, dass viele Anbieter, auch Google, Lösungen ausserhalb der USA, etwa in Dublin anbieten. Zudem verfügen wir über keine sensiblen Kundendaten. Kreditkartenangaben werden bei uns nicht abgespeichert, der Austausch erfolgt über den Zahlungsprovider.

Wie stark beschäftigt Sie das Thema Sicherheit?

Künftig wird das Thema immer wichtiger. Schon heute ist es aussergewöhnlich, was bezüglich Viren auftaucht.

Wie eng arbeiten Sie mit den Global Distributions Systems (GDS) zusammen? Wie steht es um die New Distribution Capability (NDC)?

Die GDS sind uns sehr nah. Wir haben eine Multi-GDS-Strategie, arbeiten hauptsächlich mit Travelport und Amadeus. Diverse Projekte sind am Laufen. Beim Thema NDC sind wir sehr gespannt und sammeln erste Erfahrungen. Für uns als Veranstalter ist das Thema eine Herausforderung. Die Airlines haben den Wunsch nach Direct-Connect. Aber für uns ist der Bau einer Vielzahl an Schnittstellen nicht machbar. Die GDS sagen dazu, sie seien mit der IATA und den Airlines im Kontakt. Die Frage bleibt, wer die Rolle des Aggregators in Zukunft übernimmt. TOs und OTAs können sich das nicht leisten. Auch für uns sind NDC und die Themen Personalisierung und Upsale interessant. „Sag mir deinen Namen und wir haben für dich das entsprechende Produkt“, lautet der Ansatz dahinter.

Wir stark sammeln Sie schon Kundendaten?

Big Data machen wir nicht, eher small oder smart Data. Es geht darum, neben der History auch zu schauen, was gewünscht wurde und alle Daten zusammenzuführen. Solche Projekte können sich zu teuren Löchern entwickeln. Unsere Devise lautet: klein anfangen und die Daten nützen, die im Haus vorhanden sind. Aber klar, wir möchten mehr machen. Und wer künftig einen sicheren Job haben will: mit einer Ausbildung zum Data-Analyst liegt man nicht falsch.

«Bisher versteht es Google, Flüge und Hotels darzustellen. Doch welches ist der nächste Schritt?»

Booking, Expedia... Wie verfolgen Sie die Entwicklung dieser Player?

Touroperator sollten nicht die bisherigen Mitbewerber allzu sehr beobachten, diese neuen Player werden die künftigen Konkurrenten. Was diese Plattformen heute schon an Werbebudgets und ausgeklügelten Steuerungsmechanismen haben, ist immens. Für uns ist wichtig, dass wir mit unserer Player-Hub-Technologie solche Kanäle auch bedienen können. Interhome schafft das mit Booking.com schon sehr erfolgreich, gerade auch um die Nebensaison zu füllen.

Und welche Bedeutung wird Google künftig im Reisevertrieb einnehmen?

Google stellt sich als Freund der Reisebranche dar – „wir sind da, um euch zu helfen“. Doch die Frage bleibt: was passiert, wenn das Modell mit den Google Adwords rückläufig wird und gleichzeitig die Wachstumskurve des weltweiten Tourismus anhält? Wenn sich diese Kurven schneiden, könnte bei Google schon die Frage aufkommen, stärker in der Distribution involviert zu sein. Mit der Gründung von Alphabet werden auch die kommerziellen Interessen deutlicher. Bisher versteht es Google, Flüge und Hotels darzustellen. Doch welches ist der nächste Schritt? Was noch beunruhigender ist: Google hat dank Android eine enorme Präsenz auf den Smartphones weltweit, eine Abdeckung um 80 Prozent. Google wird zweifellos in Zukunft ein wichtiger Player sein.

Hotelplan Group ICT

Alle Einheiten der Gruppe werden von der Hotelplan Group ICT beraten, die Dienste werden zentral zur Verfügung gestellt. Im November 2014 wurde Pablo Castillo (35) zum Chief Information Officer (CIO) und Nachfolger von Koni Iten gewählt. Anfang 2015 führte er die Abteilung "Digital Business Development" ein mit dem Ziel, Innovation und Digitalisierung voranzutreiben. Weitere Angaben aus der Group ICT:

  • 10 Prozent des IT-Budgets wird für Research & Development verwendet
  • 3 Milliarden Transaktionen erfolgen über Player & Hub
  • 51 Prozent der IT-Kosten sind Staff Costs
  • 46 Millionen Website-Visits verzeichnet die Hotelplan Group pro Jahr