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VR im Tourismus: Die Meinungen, ob Top oder Flop gehen bei den Schweizer Veranstaltern auseinander. Bild: Pixabay.

Ist der Hype um VR-Technik in der Reisebranche vorbei?

Linda von Euw

Die VR-Brillen schienen vor zwei Jahren DIE Revolution der Reisebranche zu werden. Hotelplan Suisse versuchte sich daran - wie auch Kontiki. Bei Kuoni laufen aktuell noch Tests mit VR-Brillen. Hotelplan Suisse stampfte das VR-Projekt gerade ein. Welche Erfahrungen haben andere Schweizer Veranstalter mit VR gemacht? Travelnews.ch hat nachgefragt.

Der Hype war gross – die Hoffnung auch: Die VR-Brillen schienen vor zwei Jahren DIE Revolution der Reisebranche zu werden. Die Möglichkeiten waren vielversprechend: Den Kunden im Reisebüro einen virtuellen Rundgang in 3D durch die verschiedenen Hotelanlagen zu ermöglichen, sich die Flugzeugkabine der Airline schon einmal von Innen ansehen oder dank VR schon im Voraus ein Gefühl für die Blockhütte in Finnisch Lappland zu bekommen.

Als erster Schweizer Veranstalter startete anfangs 2017 Hotelplan Suisse im Rahmen eines Pilotprojekts die Reiseberatung via Virtual-Reality-Brillen. Kurt Eberhard, damals noch CEO Hotelplan Suisse, sagte: «Der Kunde erlebt beim virtuellen Rundgang mehr Emotionen und kann sich ein besseres Bild von der Destination oder dem Hotel machen.» Ausserdem hatten erste Tests mit VR-Brillen in Deutschland gezeigt, dass vor allem unschlüssige Kunden nach der virtuellen Tour eher buchen. Bei einem erfolgreichen verlaufenen Test hätte Hotelplan nach und nach die insgesamt 120 Filialen mit den VR-Brillen ausgerüstet. Es blieb aber bei 32 – und von diesen wurden die Brillen nun wieder eingezogen, wie die «Handelszeitung» berichtet.

Das sagte Kurt Eberhard im Januar 2017 bei der Lancierung der VR-Brillen:

Mehr Frust als Lust

Was vor zwei Jahren nach Zukunftsmusik klang, hat sich heute bei Hotelplan Suisse «ausgehyped». Der Einsatz der VR-Brillen hätte zwar bei einzelnen eine Zusatzbuchung generiert, doch es sei auf bescheidenem Niveau geblieben, wie Prisca Huguenin-dit-Lenoir, Mediensprecherin Hotelplan Suisse, sagt. «Die VR-Brillen waren vor allem ein Gadget, also ein zusätzlicher Kanal, um Reisen zu verkaufen. Aber am Ende fehlte der Content – dieser ist teuer zu produzieren, da man die Bilder mit speziellen Kameras aufnehmen muss. Wir haben festgestellt, dass die Brillen so für die Reisebuchung nicht markant mehr gebracht haben.»

Am Ende hätte der Einsatz der Brillen mit zu wenig Content eher für Frust bei Kunden und Reisebüromitarbeitern geführt. Man werde die Brillen aber noch an Events und Messen einsetzen. Zu Beginn standen 150 3D-Impressionen zur Verfügung. Eberhard war damals überzeugt: «Wir gehen davon aus, dass immer mehr Anbieter Content liefern werden, so dass wir im Lauf der Zeit auch vermehrt Hotels durch die VR-Brillen zeigen können.» Dem war aber leider nicht so - der Veranstalter glaubt nicht an eine Zukunft von VR im Alltag der Hotelplan Suisse Reisebüros.

Kontiki setzt weiterhin auf VR - Kuoni hat ein Pilotprojekt am laufen

Die anderen Schweizer Veranstalter teilen diese Meinung nicht - oder sind sich noch nicht schlüssig: Bei DER Touristik testen 15 Kuoni-Reisebüros seit Herbst 2018 in einem Pilotprojekt und «im Bewusstsein um die herausfordernde Datenlage» Virtual-Reality-Brillen. «Die entsprechenden Erfahrungen werten wir derzeit aus, ein Entscheid zu einer möglichen Einführung ist noch nicht gefallen», sagt Markus Flick, Mediensprecher DER Touristik Suisse, auf Anfrage von travelnews.ch.

TUI Suisse hatte im Gegensatz zu TUI Deutschland nicht konkret auf VR-Brillen gesetzt, dafür aber auf grosse Screens: «Hier können wir den Kunden das Hotel mit Bildern und Video wie auch auf einer Landkarte zeigen. Ausserdem können Schiffsrundgänge gemacht und dem Kunden so das zu buchende Schiff gezeigt werden», sagt Bianca Schmidt, Mediensprecherin TUI Suisse. Damit sei das Kundenerlebnis sehr gut und die Beratung interaktiv.

Auch Kontiki setzte 2017 in einem Test erstmal auf VR und stellte den Kunden während vier Wochen 50 VR-Brillen zur Verfügung. Das Fazit lautet heute: «Bei uns kommt die VR-Brille vor allem an den Ferienmessen oder an Infoveranstaltungen zum Einsatz, um den Kunden die Atmosphäre vor Ort näher zu bringen. Unsere Erfahrungen zeigen, dass Ausflüge wie mit dem Hundeschlitten oder auf Schneeschuhtouren eindrücklich mit der VR-Brille vermittelt werden. Die Unmittelbarkeit des Erlebnisses begeistert und erstaunt die Kunden besonders.» Dass der Ferienmessestand jeweils gut besucht sei, liege aber nicht unbedingt an der VR-Brille, wie Nadja Hänni, Project Manager Marketing bei Kontiki, erklärt.

Aber klar ist: «Wir werden die VR-Brillen auch in Zukunft im Verkauf und an Events einsetzen und den Content weiter ergänzen, dies in erster Linie mit Produktionen von Partnern und nur punktuell mit eigenen Produktionen. Unser Fokus liegt momentan vor allem auf Kurzfilmen, die unsere Mitarbeiter auf Reisen in den Destinationen drehen und selber schneiden.»

Die Aufgabe des VR-Content sei einerseits die eindrückliche Vermittlung von Erlebnissen in Form eines 360°-Filmes. Andererseits soll er dem Benutzer die Atmosphäre einer Feriendestination näherbringen. Ausserdem stehe und falle der Content mit der Qualität der enorm aufwändigen Produktion. «Die Technik des 360°-Bewegtbildes steckt immer noch in den Kinderschuhen, da werden wir die Entwicklung sicher weiter beobachten.»

VR lebt von Emotionen

Jan Azzati, Mitgründer der auf Virtual Reality spezialisierten immersiveweb AG, hatte in Sachen VR-Technik für die Reisebranche schon vor zwei Jahren Fragezeichen: «Man möchte zeigen, dass man etwas macht, aber als User wird einem schnell langweilig. Inhaltlich ist die Reisebranche noch auf der Suche, vor allem beim Thema Storytelling. Auch bei der Technologie ist die Branche noch zaghaft. Interaktivität habe ich bisher kaum gesehen. Oft sind es Sackgass-Erfahrungen. Man hat eine Liste an Experiences, geht hier rein und wieder raus, dann dort rein und wieder raus. Virtual Reality wird aber dann spannend, wenn man eintauchen, sich bewegen, interagieren kann. Man sollte die Geschichte selber beeinflussen können, statt nur passiv zuschauen, was der Autor vorgegeben hat.»

VR im Tourismus: Institution oder Seifenblase?

Klar: Ein Flug zu buchen ist kein emotionales Erlebnis – in ein Hotelzimmer reinzuschauen auch nicht. Bei VR müsste es aber genau darum gehen: Emotionen zu vermitteln. Azzati beispielsweise hätte den Einsatz dann vor allem auch in diesen Bereichen des Tourismus gesehen: «Alles, was sich um Experience, Erlebnis, Adventure oder Wellness-Retreats dreht - also wo die blosse Information sekundär ist, wo es darum geht, das Erlebnis kennenzulernen, wie sich dieses anfühlt und ob es Spass macht, hier öffnet sich das Feld für VR.»

Die VR-Brillen sind nicht gerade klein und handlich – im Gegenteil. Vor vier Jahren hiess es, dass es noch einige Jahre dauern werde, bis die VR-Technik so weit und so erschwinglich wäre, dass auch der Heimanwender virtuelle Reisen bequem vom Sofa aus unternehmen könne. Deutlich kleiner oder leichter sind die Brillen seitdem noch nicht geworden. In der Reisebranche setzen neben Redereien vor allem auch Airlines auf VR. Die Brillen dürften aber auch bei diesen Unternehmen vor allem an Messen zum Einsatz kommen.

Auch wenn nicht alle Schweizer Reiseveranstalter eine Zukunft für den Einsatz von VR-Brillen im Alltag sehen: Es ist trotzdem begrüssenswert, dass sich die Tourismusbranche an VR versucht und sich bei diesem Thema innovativ und zukunftsorientiert zeigt. Schliesslich weiss man im Voraus nie, aus welchem Hype eine Institution wird - und welchen man als Seifenblase abstempeln muss. In welche Kategorie am Ende VR fallen wird, bleibt wohl noch abzuwarten.