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Fehler sind in der Leistungsgesellschaft nicht gern gesehen. Dabei braucht es sie, um wirklich lernen zu können. Bild: Fotolia

Amadeus Blog Fail early and often: Wofür Fehler gut sind

Angela Gebertz

Erinnern Sie sich an Ihren letzten Fehler? Vermutlich ungern. Fehler haben ja einen ziemlich schlechten Ruf. Aber warum eigentlich?

Ich gehöre, wie Sie vielleicht auch, zur «Generation Null Fehler». Was ich bereits in der Schule lernte, setzte sich im Studium und später im Beruf als Überzeugung fest: Fehler sind zu 100 Prozent zu vermeiden. Falls sie doch passiert sind: ganz fix ausbügeln und dabei möglichst unauffällig bleiben.

Mittlerweile habe ich eine Tochter fast schon im Teenageralter und finde es schade, wenn Kinder so aufwachsen. Und dass unser Bildungssystem häufig immer noch so funktioniert. Als ganz kleine Kinder sind wir alle noch Profis im effizienten Umgang mit Fehlern: Wir nutzen sie, um uns zu verbessern. Fehler gehören ganz offensichtlich zum Lernen dazu – kein Kind lernt laufen, ohne hundert Mal umgefallen zu sein.

Durch Fehler entsteht Neues

An der Tatsache, dass wir durch Fehler lernen können, ändert sich im Laufe unseres Lebens nichts. Fehler werden nur zunehmend bewertet – und zwar überwiegend negativ. Dabei kommen wir nicht umhin, sie zu machen. Der dänische Schriftsteller und Philosoph Kierkegaard hat es so ausgedrückt: Verstehen kann man das Leben rückwärts, leben muss man es vorwärts. Wenn wir uns grosse, bahnbrechende Erfindungen anschauen, fällt auf, dass sie immer wieder aus scheinbaren Fehlern entstanden sind. So haben wir das widerstandsfähige Gummi von Autoreifen dem Fehler von Charles Goodyear zu verdanken, der versehentlich ein Schwefel-Gummi-Gemisch auf einem heissen Ofen stehenliess und feststellte, dass es nicht schmolz, sondern aushärtete. Auf ähnlichen «Fehlern» basieren Herzschrittmacher, Teflon und Tesafilm.

Fehler sind das Tabu der Leistungsgesellschaft

Schauen wir in traditionelle Unternehmen, sieht es trotz des Potenzials von Fehlern oftmals so aus: Fehler sind grundsätzlich ein Problem. Überspitzt: Wer Fehler macht, ist ein «Loser». In unserer Leistungsgesellschaft sind Fehler vermeintliche Leistungsverhinderer, sie müssen vermieden werden. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich meine keine Fehler, die durch einen Mangel an Sorgfalt, Einsatz oder Verantwortungsbewusstsein entstehen. Fehler können unnötig sein und ausserdem viel Geld kosten. Gemeint sind Fehler, die beispielsweise durch (noch) fehlende Erfahrung passieren.

Eine Kultur der absoluten Fehlervermeidung führt zwangsläufig zu Angst. Fehler werden verborgen, statt mit ihnen zu arbeiten. Wer Angst hat, Fehler zu machen und verurteilt zu werden, wird sich zurückhalten. Anders gesagt: er wird seine Fähigkeiten definitiv nicht entfalten. Unternehmen geht dadurch vielleicht eine Menge verloren.

Fehler können genial sein

Natürlich gibt es Ausnahmen, ebenso wie radikale Pioniere. Die erfolgreiche Innovationsagentur Dark Horse mit Sitz in Berlin zum Beispiel. Hier wird eine ganz andere «Kultur des Scheiterns» gelebt. Die These der 30 gleichberechtigten Gründer: Lösungen können genial sein, Fehler aber noch genialer. Durch Fehler können neue Sachverhalte entstehen und kreative Potenziale freigelegt werden. «Lernen geht am einfachsten und schnellsten, wenn man Fehler macht», so Jasper Grote, einer der Dark-Horse-Gründer, in einem Interview. Und so werden bei Dark Horse herausragende Fehler regelmässig in offener Runde präsentiert und die besten mit einem «Failure Award» ausgezeichnet. Angelehnt haben sie ihre Fehlerkultur an die Ideen des Design Thinking, eine Methode zur Innovationsentwicklung, mit der sie auch an grossen Kundenprojekten arbeiten.

Design Thinking: Fail early and often

Im Design Thinking werden Fehler als Motor für Innovation und Verbesserung gesehen, es gilt das Motto «Fail early and often». Ideen werden nicht erst von A bis Z konzeptioniert – stattdessen werden sie recht schnell umgesetzt und anhand von Prototypen getestet. Denn Fehler werden immer teurer, je später sie im Entwicklungsprozess auffallen. Streng genommen aber gibt es Fehler im Design Thinking gar nicht – es gibt nur das, was für den User funktioniert und das, was nicht funktioniert. Vielleicht zählt eine offene Haltung Fehlern gegenüber zu den wesentlichen Vorteilen von Methoden wie Design Thinking oder dem Mindset in manchen Startups. «In Konzernen ist Planbarkeit und Sicherheit gewünscht, und es herrscht keine Fehlerkultur», sagt Online-Unternehmer Uwe Frers.

Genau da agieren Unternehmen wie Dark Horse anders: sie fördern den lebendigen Austausch über Fehler und lernen alle daraus. Im Design Thinking funktioniert auf diese Weise der gesamte iterative Prozess: denken, bauen, testen, scheitern, neu denken, neu bauen und so weiter. Bis es klappt.

Bühnenreif scheitern

Dass Scheitern und Fehltritte spannend sein können, erfahren die Besucher der sogenannten FuckUp Nights. In 252 Städten weltweit gibt es diese bereits – 1200 Menschen zog es allein im letzten Jahr nach Frankfurt. Gemeinsam und bei super Stimmung fiebern die Teilnehmer mit den Rednern auf der Bühne katastrophalen Verlusten und unternehmerischen Fauxpas entgegen. Die Idee bei dem Ganzen? Lernen aus den Fehlern anderer. Und ein Gemeinschaftsgefühl, das so etwas besagt wie «Du bist nicht der einzige, dem das passiert». Die wichtigste Botschaft vermutlich: Es geht immer weiter – und oft entsteht sogar Neues, Gutes.

Stiller, jedoch ähnlich ermutigend, ist ein anderes Projekt:

«Mein grösster Fehler»

Das ist der Titel einer Serie des impulse Magazins und des daraus entstandenen Buches. 100 Unternehmer der überwiegend «klassischen Wirtschaft» reden hier freimütig über ihren grössten Fehler. Einige haben sich verziehen, andere nicht, die Berichte sind allesamt berührend. Was deutlich wird: Alle, die hier zu Wort kommen, haben etwas aus ihrem grössten Fehler für sich gelernt. Wenn Sie Lust haben, lesen Sie doch mal rein – es ist eine Anregung, über das Thema Fehler, Scheitern und alles, was nicht so lief wie erhofft, zu reflektieren. Und dann stellen Sie sich ruhig noch einmal dieselbe Frage: Erinnern Sie sich an Ihren letzten Fehler?