Tourismuswelt

Esther Leupp, EDA-Reisehinweise: «Wir agieren unabhängig von der Aussenpolitik»

Linda von Euw

Die Leiterin der Reisehinweise beim EDA sagt im Interview mit travelnews.ch, wie die Einschätzungen zustande kommen.

Frau Leupp, das eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) ist für die Reisehinweise zuständig. Wer genau macht diese Einschätzungen aufgrund welcher Informationen?

Esther Leupp: Die Einschätzungen kommen in erster Linie von unseren Botschaften, Konsulaten und den sich im Ausland befindenden Koordinationsbüros. Diese haben ein grosses Kontaktnetz zu lokalen Behörden wie auch zu Schweizern, die schon lange im entsprechenden Land leben, aber auch zu Schweizer Firmen, die in der Region ansässig sind oder zu lokalen wie auch Schweizer NGOs. Weiter stehen sie in Kontakt zu anderen Botschaften und Konsulaten. Ebenso fliessen die Informationen der Nachrichtendienste mit ein, vor allem wenn es ums Terror-Risiko geht. So haben wir viele verschiedene Blickwinkel. Im Gegensatz zu Reiseblogs, die lediglich eine individuelle Momentaufnahme schildern können, beobachten wir die Länder sehr genau und über die ganze Zeit hinweg.

Wie geht es dann weiter, wenn die Informationen gesammelt sind?

Wir beobachten die Lage laufend. Der Informationsaustausch mit unseren Botschaften erfolgt in der Regel schriftlich. Hier in Bern sind wir drei Leute, die für die Reisehinweise zuständig sind. Je nach Situation kommt der Anstoss für ein Update von unserer Seite oder seitens der Botschaften. Es ist also ein ständiger Austausch. Insgesamt beobachten wir 176 Länder. Davon beurteilen wir jedes einzeln, so dass auch kurzfristige Anpassungen der Reisehinweise möglich sind.

«Wir sind keine Nachrichtenseite, die im Minutentakt News bringt.»

Einige Leute stören sich daran, dass die Reisehinweise nicht so oft aktualisiert werden. Was sagen Sie dazu?

Wir sind keine Nachrichtenseite, die im Minutentakt News bringt. Wir können nicht über jedes einzelne Ereignis in jedem Land berichten. Vielmehr schätzen wir die grundsätzliche Sicherheit des jeweiligen Landes für die Reisenden ein. Darum weisen wir unsere Leser ausdrücklich daraufhin, dass sie sich auch auf anderen Kanälen informieren sollen. Zu Einreisevorschriften beispielsweise geben wir keine Hinweise, hierfür müssen sich Reisende bei den entsprechenden ausländischen Botschaften in der Schweiz erkundigen.

Thomas Tanner, der CEO der Europäischen Reiseversicherung, äusserte die Vermutung gegenüber travelnews.ch, dass es für das EDA wahrscheinlich leichter sei, eine Reisewarnung für ein Land wie Mali auszusprechen als eine für die Türkei. Stimmt das?

Es gibt kein einfacher und schwieriger. Jedes Land wird individuell beurteilt. Der Entscheid, von Reisen in ein Land abzuraten, ist immer schwierig. Wir wägen so ein Urteil sehr sorgfältig ab. Länder wie Mali und die Türkei kann man natürlich nicht in einen Topf werfen — unsere Reisehinweise sind neutrale Einschätzungen der Sicherheitslage. Wir können keine Rücksicht auf wirtschaftliche oder kommerzielle Bedürfnisse nehmen. Für uns ist die Sicherheit der Reisenden das Wichtigste. Wir agieren unabhängig von der Aussenpolitik, sonst wären die Reisehinweise nicht glaubwürdig.

Schauen Sie dabei auf die Einschätzung anderer Länder wie zum Beispiel Deutschland?

Uns ist natürlich bekannt, was die anderen Länder machen. Meist sind die Lagebeschreibungen ähnlich. Jedes Land entscheidet aber unabhängig. Je nachdem werden von Land zu Land verschiedene Gefahren herausgehoben, was vielleicht auch mal zu einer unterschiedlichen Empfehlung führen kann. Wir wollen, dass unsere Beurteilungen für die Leser nachvollziehbar sind, weshalb wir die Beweggründe publizieren, wann wir von Reisen in ein Land abraten.

«Reisewarnung ist ein schwieriges Wort, da es unterschiedlich interpretiert werden kann.»

Was sagen Sie zur aktuellen weltweiten Reisewarnung, die die USA gerade herausgegeben hat?

Reisewarnung ist ein schwieriges Wort, da es unterschiedlich interpretiert werden kann. Wir vermeiden dieses Wort und raten stattdessen im äussersten Fall von einer Reise in das entsprechende Gebiet ab. Die USA haben einen sogenannten weltweiten Travel Alert herausgegeben — und dies nicht zum ersten Mal. Dieser beruht auf den möglicherweise überall auftretenden Gefahren des Terrorismus. Wir besprechen dieses Problem auf unserer allgemeinen Reise-Informations-Seite «Terrorismus und Entführungen». Dort listen wir auf, welche Ziele von Terroristen für Anschläge bevorzugt werden könnten und rufen zur Vorsicht auf.

Dann hat die USA die Meldung einfach prominenter platziert?

Ich denke, die Meldung wurde vor allem von den Medien prominenter aufgenommen. Aufgrund der letzten Terroranschläge ist die Sensibilität der Medien für dieses Thema sehr gross.

Wie kam die Einrichtung einer Website mit Reisehinweisen eigentlich zu Stande?

Nach den Terroranschlägen in Luxor 1997 war der Wunsch von Reisenden wie auch von der Reisebranche nach unabhängigen und objektiven Informationen zu den einzelnen Ländern gross. So entstanden die Reisehinweise.

Dann werden die Reisehinweise nach wie vor gut beachtet?

Ich habe den Eindruck, dass die Reisende selbst sich noch zu wenig informieren, bevor sie eine Reise buchen. Wir würden es begrüssen, wenn die Menschen sich noch vor der Buchung umfänglich über das gewünschte Reiseland informieren würden. Erst wenn man wirklich alle Informationen über ein Land zusammengetragen hat, kann man einen bewussten Entscheid treffen, ob man allfällige Risiken in Kauf nehmen möchte.

EDA-Reisehinweise