Tourismuswelt

Amadeus Blog Keine Geschäftsreisenden – aber auch keine Touristen

Im Herbst 2017 fuhren 260 Digitale Nomaden als Teilnehmer der «Nomad Cruise V» mit einem Kreuzfahrtschiff von Gran Canaria nach Panama. Im Interview gibt «Nomad Cruise»-Gründer Johannes Völkner Einblicke in die Szene . mitsamt ein paar Wünschen an die Reisebranche.

Monika Wiederhold, Geschäftsführerin Amadeus Germany, hat Johannes Völkner, den Gründer der Nomad Cruise, auf der jüngsten Kreuzfahrt begleitet und wollte von ihm wissen, wie Digitale Nomaden ticken. Sie hat das nachfolgende Interview auf dem Weg von Gran Canaria nach Panama geführt.

Johannes, Du bist nicht nur der Gründer der Nomad Cruise, sondern selbst auch digitaler Nomade. Wie würdest Du Deinen ungewöhnlichen Lebenstil beschreiben?

Ich bin Digitaler Nomade seit 2010 und arbeite seit sieben Jahren ortsunabhängig, von fast überall auf der Welt. Dabei war das gar nicht so geplant. Ich habe in Kapstadt gelebt. Das war ein Traum, aber dort hatte ich zu wenig Freiheit. So habe ich dann angefangen, online zu arbeiten. Bis heute bin ich im Online Marketing für Unternehmen tätig. Heute lebe ich mit einem grossen 110 Liter Koffer und meinem Kite-Gepäck. Alle ein bis drei Monate wechsle ich den Ort. Dabei bin ich weltweit unterwegs, mit Schwerpunkten in Asien, Südafrika und Kolumbien.

Wie gross ist die Szene der Digitalen Nomaden?

Das würde ich auch gerne wissen… So richtig aktiv vielleicht zehn- bis zwanzigtausend Personen weltweit? Das Interesse ist aber deutlich grösser: Leute, die das Prinzip kennen, die Lust auf einen solchen Lebensstil haben, das aus verschiedensten Gründen aber noch nicht machen. Davon gibt es sicher mehrere Millionen. Und die Szene wächst rasant. Früher kannte ich alle Leute persönlich, die sich selbst als Digital Nomads bezeichnet haben…

Digitale Nomaden sind Vielreisende. Was ist ihre Hauptmotivation, unterwegs zu sein?

Viele Digitale Nomaden reisen aufgrund von Träumen, die sie haben, oder Erfahrungen, die sie machen wollen. Zum Beispiel immer schon mal auf Bali oder in Paris leben. Ganz oft kommt ein bestimmtes Ziel dazu, etwas, das ich gerne mache. In meinem Fall ist es zum Beispiel das Kite-Surfen. Es gibt auf der Welt vielleicht zwei Handvoll Ziele, die sich dafür wirklich gut anbieten. Wenn ich nicht die Nomad Cruise machen würde, würde ich wahrscheinlich die meiste Zeit zwischen den Kite-Hotspots hin und her reisen. Nicht zuletzt ist auch die Community ein Motiv: die Suche nach Leuten, die ähnlich ticken. Das begünstigt auch das Entstehen von Hotspots, also Orten, an denen ich sicher davon ausgehen kann, Gleichgesinnte zu treffen.

«Ich glaube, dass es einen grossen Markt gibt für virtuelle Assistenten, die bei der Reiseorganisation helfen.»

Und wie buchen und organisieren Digitale Nomaden ihre Reisen?

Das meiste läuft natürlich online ab. Wenn ich für kürzere Zeit irgendwo hin reise, nutze ich für Unterkünfte hauptsächlich booking.com. Für längere Zeiträume schaue ich vor allem auf Airbnb oder nutze die Informationsangebote, die auch die jeweiligen Locals nutzen. Für Flüge sind Google Flights, Skyscanner und Kiwi die Seiten, die ich am meisten nutze. Soweit ich das in Gesprächen mitbekomme, sind das die Wege, die von sehr vielen Digitalen Nomaden genutzt werden.

Welche Angebote und Services vermisst du?

Mir würde es helfen, wenn ich eine App hätte, über die ich alles organisieren könnte und nicht zwischen verschiedenen Apps hin und her springen müsste. Es ist oft mühsam, sich alles zusammenzusuchen.

Ansonsten glaube ich, dass es einen grossen Markt gibt für virtuelle Assistenten, die bei der Reiseorganisation helfen. So eine Art virtuelles Reisebüro, könnte man sagen. Das setzt allerdings voraus, dass viel über mich und meine Präferenzen bekannt ist, damit die Reise auch meinen Wünschen und Bedürfnissen entspricht. Das Angebot müsste entsprechend personalisiert sein.

Was ausserdem häufig fehlt, ist die Möglichkeit, Hotels für längere Zeiträume zu suchen und zu buchen. Wenn ich eine Unterkunft für drei Monate suche, bieten mir die üblichen Buchungsseiten nichts, was für mich attraktiv ist. Gleichzeitig ist die Hotelinfrastruktur für Digitale Nomaden oft nicht geeignet. Es fehlt vor allem an verlässlichem WLAN im gesamten Gebäude. Die Möglichkeiten, zu arbeiten, sind begrenzt. Toll wäre es zum Beispiel, Arbeitsplätze – die es ja in Hotels durchaus gibt – besser auszustatten, zum Beispiel mit ergonomischen Stühlen. Auch eine Kombination von Hotel und Co-Working Space fände ich attraktiv. Das Hospitality Network Selina hat da zum Beispiel ein ganz interessantes Konzept.

Wie könnte sich die Reisebranche besser auf Digitale Nomaden einstellen?

Wichtig ist, glaube ich, dass die Branche die Zielgruppe erkennt und ihre Bedürfnisse versteht: wir sind weder klassische Geschäftsreisende noch Ferienreisende, die ein- oder zweimal im Jahr für ein paar Wochen ausspannen wollen. Wir kombinieren Arbeit und Urlaub sehr flexibel miteinander und machen sozusagen beides zur selben Zeit und am selben Ort.

Damit passen wir nicht in die üblichen Angebotsschemata. Wir sind bis zu 365 Tage pro Jahr unterwegs und zeitlich sehr flexibel. Off Seasons können für uns sehr interessant sein, weil dann die Preise runter gehen. Gerade Ziele im Mittelmeerraum sind bei Digitalen Nomaden in der Nebensaison sehr beliebt. Es ist noch einigermassen warm, aber von den Lebenshaltungskosten günstiger. Da ist es aus unserer Sicht natürlich wünschenswert, auch zu diesen Zeiten gute Angebote zu haben. Vieles ist aber dann geschlossen und Orte werden schwer erreichbar, da Airlines Flüge teilweise gar nicht oder nur sehr reduziert anbieten.

Dabei muss man bedenken, dass wir eine schnell wachsende Gruppe sind. Die Szene wächst aktuell mit mehreren 100 Prozent pro Jahr. Und man muss sich vor Augen führen, wer eigentlich alles als Digitaler Nomade unterwegs ist. Vom Studenten, der mit Rucksack und extrem Low Budget reist, bis hin zum Multimillionär, der erfolgreich schon mehrere Startups gegründet hat, ist wirklich alles dabei. Entsprechend unterschiedlich sind natürlich die Ansprüche. Aber es sind sicher nicht nur «arme Leute», sondern eine durchaus zahlungskräftige Zielgruppe.

(TN)