Tourismuswelt
Durchzogene Bilanz im «Jahr des nachhaltigen Tourismus»
2017 wurde von der Welttourismusorganisation (WTO) bekanntlich offiziell zum «Internationalen Jahr des nachhaltigen Tourismus» deklariert. Anfangs dieser Woche wurde am UNO-Sitz in Genf der Abschluss dieses Jahres feierlich zelebriert. In diversen Ansprachen wurden Kernideen des nachhaltigen Tourismus nochmals beleuchtet. So sagte etwa Michael Møller, Generaldirektor des Genfer UNO-Büros: «Es ist wichtig, dass wir darin Erfolg haben, den Tourismus nachhaltig zu machen, indem nachhaltiger Tourismus ökonomisch sinnvoll, kulturell akzeptiert und universell gelebt wird.»
Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch, die Direktorin des Wirtschaftssekretariats SECO in der Schweiz, sagte ihrerseits: «Künftig ist eine starke internationale Kooperation aller relevanten Akteure im Tourismussektor notwendig, um eine treibende Kraft für die Promotion von nachhaltigem Tourismus zu bilden und diesbezüglich auch eine effiziente Tourismus-Politik zu betreiben». Manche sprachen von der Wichtigkeit der IT und moderner Technologie im Zusammenhang mit der Schaffung nachhaltiger Tourismusformen.
Worthülsen? Grosse Resultate oder Fortschritte gibt es jedenfalls kaum zu vermelden. Einmal mehr wurde der Geist der – bereits 2016 verabschiedeten – «Agenda 2030» beschworen, eine globale Nachhaltigkeits-Agenda mit Zielen für das Jahr 2030, welche per Monitoring überwacht werden. Oder passiert hinter den Kulissen mehr, als man meint? travelnews.ch hat bei Christine Plüss von AKTE (Arbeitskreis Tourismus und Entwicklung, Basel) nachgefragt – sie war bei der Abschlusszeremonie in Genf mit dabei.
Der Tourismus könnte mit gutem Beispiel vorangehen...
«Bei der UNWTO-Abschlusszeremonie gab es nichts schlagend Neues zum Beitrag des Tourismus für nachhaltige Entwicklung», bilanziert Plüss. Wie sie bereits zu Beginn des UN-Jahres befürchtet hatte, wurde der Tourismus vor allem in hehren Worten und Zeremonien zelebriert als globale Kraft für nachhaltige Entwicklung, ohne dass aber konkrete Massnahmen und Verbesserungen hin zu einer verbesserten Nachhaltigkeit der Branche hätten präsentiert werden können. Immerhin: «Das UN-Jahr hat sicher geholfen, den Tourismus verstärkt ins Rampenlicht zu rücken», sagt Christine Plüss (Bild). Sprich: Den Tourismus als wichtige Branche hinsichtlich einer globalen Nachhaltigkeits-Agenda zu definieren und quasi auch in die Verantwortung zu nehmen.
Doch wie sieht es mit Praxisbeispielen aus. Ein interessanter Beitrag des abglaufenen Nachhaltigkeits-Jahres ist die Sammlung von über 1000 «best practice»-Beispielen auf der UNWTO-Seite. «Es ist gut zu sehen, wie viele Leute und Initiativen sich für Nachhaltigkeit im Tourismus engagieren, selbst wenn längst nicht alle Beispiele effektiv zu einer umfassend nachhaltigen Entwicklung beitragen», analysiert Plüss. Ausserdem hätten die gezeigten Beispiele die Tendenz, den Eindruck zu erwecken, es stände alles zum Besten und die Nachhaltigkeitsziele seien schon erreicht. «Aber gerade die 2017 prägenden News zum Overtourism haben gezeigt, wie das in Tourismusförderkreisen so hoch gelobte Wachstum des Tourismus an klare Belastungsgrenzen stösst», bemerkt Plüss, «wie dieses Wachstumsparadigma aufgelöst werden und der Tourismus effektiv dazu beitragen kann, die globalen Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 erreichen zu helfen – daran muss jetzt weiter intensiv gearbeitet werden.»
Klar ist: Noch nimmt die Nachhaltigkeit in der realen Tourismuspraxis einen viel zu kleinen Platz ein. Das hatte Travelnews schon anfangs dieses Jahres gesagt, und obwohl es an konstruktiven Vorschlägen und engagierten Paneldiskussionen nicht fehlte, ist irgendwie wenig Konkretes geschehen. «Wir würden uns freuen, wenn das UN-Jahr zumindest einen Anstoss gegeben hätte, die Trendwende im Tourismus einzuläuten, die für eine nachhaltige Entwicklung so dringend nötig ist», schliesst Plüss.